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KTM 390 Adventure: Einsteiger- und Zweittöff

Er finanziert seinem Filius zum Einstieg in die Töffwelt die KTM 390 Adventure. Bald schon aber stellt die Familie erstaunt fest, dass Vater damit mehr rumfährt als der Sohn.

Hoppla, jetzt bin ich sogar geflogen. Einen Meter weit, zwei vielleicht. Und sicher 20 cm hoch… Kurz zuvor bin ich einen ziemlich zerfledderten und steilen Feldweg hochgekraxelt. Das ist natürlich alles kein echtes Offroad. Gelände-Recken mit ihren 110 kg leichten und grob bestollten Erdwühlgeräten werden über obige Abenteuer nur schmunzeln. Ich als Strassenfahrer hingegen bin schon zufrieden. Vielen Dank an die kleine KTM 390 Adventure, dass sie meine Manipulationen klaglos ertragen hat.

Das neue Abenteuer-Rad rundet die Palette von Reiseenduros des österreichischen Töffherstellers – stets tragen sie «Adventure» im Namen – nach unten ab. Die 390er mit ihrem Einzylinder ist zwar ebenfalls ein bisschen «Reise» und, wie oben beschrieben, ein bisschen «Enduro». Doch in ihrem Kern hat sie eine ganz andere Qualität: eine erstaunliche Vielseitigkeit.

Der KTM-Einzylinder, schon länger in der kleinen Duke und der RC 390 im Einsatz.

Denn man kann mit dem 44 PS starken Einzylinder-Allrounder nicht nur zerfurchte Wege und Alpzufahrten meistern. Man kann auch ganz ordentlich reisen, vom Platzangebot her auch zu zweit. Man kann, von Wind und Wetter einigermassen geschützt, täglich zur Arbeit pendeln, in den modernen warmen Wintern sowieso. Und wenn die Strassen eher schmal und die Kurven eher eng sind, kann man mit der KTM 390 Adventure auch dreimal stärkeren Bikes einheizen.

Zum engagieren Kurvenswing gleich mehr, zuerst aber doch noch zurück zum Hersteller. KTM ist inzwischen eine grosse, global agierende Firma. Wachstum versprechen Märkte wie Indien, Brasilien, name it. Dort hat die Mittelschicht Geld, doch für eine in Europa gebaute 1290 Adventure reicht es dann doch nicht. Die 390er aber wird in Pune gefertigt. Auf diesem «Heimmarkt» wird sie auch so noch zu den teureren Motorrädern gehören, doch hierzulande gilt sie als kleiner, günstiger Einsteigertöff. Einer, der mit seinen 32 kW in die Kategorie A2 (offizielle Schweizer Bezeichnung: A beschränkt) passt. Ergo ein Töff für die 18-Jährigen. Aber nicht nur.

Wenn die 390 Adventure die stämmige Maid vom Land ist, spielt die 390 Duke den Part der wuseligen Städterin – Windschutz wenig, Coolnessfaktor hoch

Zwar reissen die 44 PS des 373-ccm-Einzylinders keine Arme lang, doch dank passender Übersetzung und mit niedrigem Maschinengewicht marschiert die 390 Adventure ordentlich vorwärts. Das Triebwerk hat KTM unverändert vom Naked Bike 390 Duke übernommen. Bei Drehzahlen unter 3500/min gebärt sich der Monozylinder schon mal etwas grob, darüber gefällt er mit geschmeidigem Ansprechverhalten und noch erträglichen Vibrationen im obersten Drehzahldrittel. Bestens hat der bidirektionale Schaltautomat funktioniert. Die 287 Franken Aufpreis sind eine lohnende Investition.

Gerade noch unter 7000 Franken kostet die kleine Adventure laut Preisliste, nochmals rund 500 Franken kommen bei den KTM-Händlern als Auslieferungspauschale dazu. Wenn wir noch den empfehlenswerten Schaltautomaten hinzuaddieren, kommen wir auf knapp 7800 Franken. Das sind weniger als ein gscheit motorisierter Roller, den Arbeitspendler einsetzen, um aus der Agglo in die Stadt (oder eine andere Agglo) zu fahren. Nur so eine Überlegung: Den Sporttöff oder die Grossenduro für Wochenende und Ferien, die 390 Adventure für den Alltag. Günstiger im Ankauf als jeder Dacia, sollte mit 3 L/100 km auskommen, macht mehr Spass als jeder Roller. Man kann die 390er ja auch der Tochter schenken und dann jeweils früher aufstehen als sie…

Doch jetzt ist es höchste Zeit, den Spass näher zu beschreiben. Jenen im Gelände habe ich schon angedeutet. Die Mini-Adventure kann natürlich mehr als Mut und Talent des Schreibenden reichen, doch auch objektive Fakten beschränken die Schotter- und Sandtauglichkeit. Mit 172 kg vollgetankt ist die 390er Adventure sehr leicht für ein Strassenmotorad, aber schwer für echtes Gelände. Die Federwege sind nur leicht grösser als an einem Strassentöff und die Serienbereifung ist kein echter Geländegummi.

Da handelt es sich um ganz normale Kompromisse auf der Suche nach dem goldenen Schnitt. So könnten die Federwege für den europäischen Markt durchaus länger sein, der filigrane Durchschnitts-Inder aber wird schon mit den gebotenten 855 mm Sitzhöhe an seine Grenzen gelangen. Der Lenker ist für eine «Enduro» vergleichsweise tief. Das ergibt eine erfreulich aktive Sitzposition, bei stehender Fahrt im Gelände muss man sich dafür etwas mehr nach unten bücken. Und der Reifen muss Staub wie Strasse wegstecken. Nicht zuletzt: ja, ein Adventure-Bike könnte Speichenräder vertragen, doch die sind halt teurer als die Gussfelgen. Wer Speichen will, kann sich aber im KTM-Zubehörkatalog bedienen.

Jetzt aber auf die Strasse. KTM lud zur Präsentation nach Teneriffa, wo enge Bergstrassen, faltenfrei asphaltiert, zum Attacke-Modus verführen. Und die 390 Adventure spielt mit. Man sitzt leicht Vorderrad orientiert mehr roadster- denn enduromässig auf der nicht zu hohen Sitzbank. Mühelos lenkt sie ein, fast ohne Kraftaufwand gelingen auch die wiederholten Flickflacks zwischen den 2.- und 3.-Gang-Kurven, die fürs Vertrauen so wichtige Rückmeldung vom Vorderrad ist viel besser als mit Blick auf den leicht stolligen Pneu befürchtet. Ausserdem bremst man ungeniert tief hinein in die Bögen, denn KTM stattet selbst ihr neues 7000-Franken-Baby mit Kurven-ABS aus.

Überhaupt ist die KTM 390 Adventure für ein Bike der Einsteigerklasse sehr gut ausgestattet. Nebst Kurven-ABS und ein ABS-Setting fürs Gelände wacht die ebenfalls schräglagensensitive Traktionskontrolle übers Hinterrad – für den Geländeeinsatz wiederum ist sie abschaltbar. Diese Einstellungen bleiben erhalten, bis man den Zündschlüssel dreht. Motor abstellen beim kleinen Pausenhalt also nur per Killswitch!

Bis etwa Tempo 100 macht das Fahrwerk alle Tollereien fehlerfrei mit. Fährt man schneller und noch illegaler, schaukelt sich die KTM allmählich etwas auf, taucht bei brutalem Ankern tief ein. Mehr Dämpfung wär da nicht falsch, aber für die Ingenieure bei gegebenem Budget wohl nicht ohne Komforteinbussen darstellbar. Höhere Tempi gibt’s auch auf der Autobahn. Laut Tacho geht die 390er grad so 160, doch das will man nicht lange durchhalten, zumal der Windschutz eher minimalistisch ist. Gut, wir hätten das Scheibchen höher stellen können, doch das geht nur mit Werkzeug.

Eher besser als befürchtet schlägt sich die Bremsanlage, die sich vorn mit einer Scheibe begnügen muss. Trägt den Stempel Bybre, was soviel heisst wie „von Brembo“. Die Wirkung geht voll in Ordnung, der Biss ist eher zahm, aber hey, das hier genügt dem Routinier und erschrickt den Einsteiger nicht unnötig.

Was man von der detaillierten Beschreibung behalten sollte: Die KTM 390 Adventure ist äusserst vielseitig und fürs Geld unfassbar gut ausgestattet, bis hin zu «Details» wie den einstellbaren Handhebeln oder der in Ein- und Auswärtsdämpfung einstellbaren Gabel. Sie ist vielseitig einsetzbar, agil und bequem auch auf längeren Strecken. Das ist ja dann eine Beschreibung, wie sie auch für die grossen Schwestern, sei es die 790 oder die 1290 Adventure, gilt.

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