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Triumph Street Triple RS: Eilige Dreifaltigkeit

Feurige Dreizylinder-Power im federleichten Chassis: Das war das Rezept für die bisherigen Triumph Street Triple RS. Jetzt haben die Engländer noch ein wenig mehr Dampf in der Drehzahlmitte eingefüllt.

Dieser Bericht muss mit einem Geständnis oder vielmehr mit einer Transparenzerklärung starten: ich bin befangen. Denn ich besitze das Vorgängermodell der hier getesteten 2020er Triumph Street Triple RS.

In welche Richtung die Befangenheit mich beeinflusst, ist indes unklar. Einerseits ist es offensichtlich, dass ich quirlige Naked Bikes mag, da werd ich auch die neue «Street» mögen, soviel scheint sicher. ABER: Wer das Vorgängermodell besitzt, wünscht sich, dass die Neue gar nicht soviel besser dasteht. So ist Neid unnötig und es kommt die Versuchung nicht auf, beim Händler der Wahl eine Eintauschofferte einzuholen…

Wie neu ist denn überhaupt die Neue? Die «Alte» war die erste Street Triple mit 765 ccm. Zuvor mussten 675 reichen, ein Hubraum aus Zeiten, als man sich noch an der Supersport-Kategorie orientierte, als 600er Vierzylinder gegen 750er Zweizylinder antraten und der Dreizylinder mit 675 ccm eben grad reinpasste.

Bei 765 ccm ist es für 2020 geblieben, doch hat Triumph dem Triebwerk nicht nur gute Emissionsmanieren im Zuge des Upgrades auf Euro 5 beigebracht, man hat auch noch etwas für den Druck bei mittleren Drehzahlen getan.

Bis zu 9 Prozent betrage das Plus, sagt dazu der Hersteller. Tatsächlich fühlt sich der Triple in der unteren Drehzahlhälfte kräftiger an, vielleicht auch nochmals eine Spur spontaner (Triumph sagt, der Gasgriff drehe um 7% leichter als zuvor), während allfällige Leistungsunterschiede aufgrund der ab 7000/min bei beiden Varianten ziemlich wilden Motorleistung kaum einzuschätzen ist, wenn man denn ehrlich ist…

Nochmals ein differenzierteres Bild vermittelt der Blick auf Messungen im Fachblatt Motorrad. Die Leistung im alltagsrelevanten Bereich von 4000 bis 6000/min ist zwischen der alten und der neuen Variante weitgehend identisch. Oberhalb dieser Marke zeigt sich hingegen ein Unterschied. Während die neue Triple-Version ab 6500/min eine deutlich ansteigende Drehmomentkurve aufweist, bleibt sie bei der Vorgängerin länger flach, um erst knapp vor 8000/min in höchste Leistungsregionen zu jubeln. Gleichstand wiederum herrscht bei der Spitzenleistung: beide Bikes hat «Motorrad» mit 130 PS gemessen. Das sind 7 mehr als die versprochenen 123 Pferde.

Fazit: Der tolle Triple ist wuchtiger geworden, aber nicht dermassen markant, dass ich meine Streety gleich wegstellen müsste. Spätestens ab 9000/min ist sie auf dem Niveau der Neuen. Das Plus ist aus Sicht von Triumph aber deshalb wichtig, weil sich die sogenannte Mittelklasse zunehmend mit satt motorisierten Mitbewerbern wie die KTM Duke 890 oder die Kawasaki Z900 füllt.

Das Aufrüsten in der Mittelklasse bedeutet aber auch ein Leistungsniveau, das im Strassenverkehr nur noch schwer auszuschöpfen ist, gerade in Verbindung mit einer recht langen Übersetzung. Im zweiten Gang stehen bei 10’000/min (also noch unter der Nenndrehzahl) schon 120 km/h auf dem Tacho der Street Triple RS. So gesehen haben die Gänge vier bis sechs nur noch die Rolle der drehzahlsenkenden Overdrives

Fazit zwei: Die neue Streety lässt sich etwas schaltfauler fahren und wirkt noch eine Prise lebendiger. Erst bei echt verschärfter Gangart kommt der Motor der Alten aufs selbe Niveau. Akzeptabel sparsam ist der akustisch schabende, raspelnde, aber nicht mehr so laut wie früher singende Reihendreizylinder übrigens geblieben: knapp über 5 L / 100 km reichen für einen reichlich flotten Tanz, wenn nicht dauernd Attacke gefahren wird.

Schon 2017 war ein Quickshifter in der RS dabei, allerdings nur fürs Hochschalten. Neu kommt nun ein bidirektionaler Schaltautomat zum Einsatz. Der scheint allerdings eine Eigenheit mit seinem Vorgänger zu teilen: Die Gänge rasten beim Hochschalten nur zäh und manchmal gar nicht ein, selbst wenn man schön auf Zug schaltet. Das ist umso ärgerlicher, als sich der kleine Triple konventionell exzellent schalten lässt. Mit minimaler Kupplungskraft, weich und mit kurzen Wegen. Hoffentlich wiederholt sich die Geschichte auch im zweiten Kapitel: Ab Saison zwei flutsche der Quickshifter an meiner Streety immer besser, jetzt gibt’s nichts mehr zu bekritteln!

Ganz die Alte ist die Neue, wenn es um Ergonomie, Fahrverhalten und Bremsen geht. Liegt ganz einfach daran, dass Triumph in diesen Punkten mit copy paste gearbeitet hat. Rahmen und Schwinge dieselben, damit auch die Geometrie-Daten und auch die Bremsen benötigten wirklich kein Update.

Das heisst auch: die Triumph Street Triple ist auch 2020 ein kleines Motorrad. Was ich mit meinen nicht ganz 170 cm schätze, könnte für wuchtige Typen ein Nachteil sein. Ich hingegen passe wie in den Töff hineingegossen. Rasten hinten und vergleichsweise hoch, perfekter Knieschluss, eine tüchtige Portion Vorderrad-Orientierung: Kein Zweifel, die Streety ist ein sportliches Motorrad. In ihrer teuersten Variante, der RS mit ihren voll einstellbaren 1a-Federelementen, gar mit Talent für die Rennstrecke.

Unbequem ist die Sitzhaltung dennoch nicht, das Leihwort aus dem Reitsport «versammelt», trifft es bestens. So positioniert ist man gut gerüstet, wenn der sportliche Reifen (Pirelli Diablo Supercorsa) und die in der Grundabstimmung straffen Federelemente jeden Asphalt-Aufwurf eins-zu-eins durch die eher dünne Sitzbank telegrafieren.

Auf wirklich holprigem Asphalt muss man deshalb mit der kleinen Triumph ein wenig zurückstecken. Während es auf glatter Fahrbahn jenseits der Aprilia Tuono (andere PS- und Preisklasse) wohl kein dermassen präzis fahrbares Naked Bike gibt, geht diese Genauigkeit durchs Geholper notgedrungen verloren.

Zur im Normalfall überragenden Präzision trägt auch das niedrige Gewicht bei. Bei schnellen Schräglagenwechsel geht nichts vom Input des Piloten in schlechter Dämpfung verloren. Links-rechts-links, von Fahrbahnbegrenzung zu Fahrbahnbegrenzung pfeffert man die Street Triple, ohne dabei je ins Schwitzen zu kommen.

Oft liest man in Töff-Fahrberichten von hohen Fahrzeuggewichten, die «wie durch Magie» im Fahrbetrieb «verschwinden». Diese Plauderer haben noch nie eine Street Triple RS engagiert bewegt, denn dabei hätten sie erfahren, welche positiven Effekte das Fehlen unnötiger Kilos hat.

Seit ihrem Erscheinen 2007 hat Triumph die Street Triple konsequent Richtung Sportlichkeit weiterentwickelt. Die hat damit ein wenig von ihrer einstigen Verspieltheit verloren, dafür an Effizienz und, ja, an Ernsthaftigkeit gewonnen. Wer beispielsweise ein unterhaltendes Wheelie-Bike sucht, sollte sich lieber auf dem Occasionsmarkt nach einem älteren, hecklastigeren Modell umsehen. Wer hingegen ab und zu gern ein Rennstreckentraining mitnimmt, wird mit der 765er glücklicher, egal ob das Modell 2017-2019 oder das aktuelle Modell.

Dieses ähnelt auch optisch der Vorgängerin weitgehend, nur die Scheinwerfer blicken nun grimmiger.

Absolut erstklassig funktioniert die M50-Bremsanlage von Brembo. Das ist keine Einfinger-Bremse, das ist eine Einfingerkuppe-Bremse, so leicht lässt sich die Bremsleistung modulieren, von sanft bis zum groben Anker werfen.

Diskutierbar ist die Auslegung des ABS. Bremst man nur vorne und zieht voll, steigt im Race- und im Sportmodus das Hinterrad ohne jeden fühlbaren Eingriff der Elektronik zackig in beängstigende Höhen. Auch im Road-Modus wird das Heck leichter, als es Unerfahrenen angenehm sein wird. Wer also keine Lust auf Vorderrad-Akrobatik hat, bremst stets hinten mit. Erst in «Rain» bleibt das Hinterrad bei einer Vollbremsung am Boden, dafür sind die Lösephasen bei niedrigem Tempo irritierend lang.

Als Fahrer alter Schule mit rundem Fahrstil schaffe ich es nur versehentlich, die Traktionskontrolle zum Einsatz zu bringen. Ausser im milden Regen-Modus. Wenn ich davon auf die anderen Modi schliessen darf, dann funktioniert Antischlupf bestens, denn man merkt das Eingreifen der Elektronik lediglich am Warnlämpchen, ansonsten kommt man einfach nur nicht wie erwartet vorwärts, hält das Digitalhirn die Leistung also ganz unauffällig zurück.

Tipptopp gefällt mir das vielseitig konfigurierbare TFT-Display meiner Street Triple. Die Neue kommt mit derselben Hardware, aber leicht anderen Darstellungsvarianten. Neu lässt sich diese Anzeige auch zur Steuerung von GoPro-Kameras und zur Pfeilnavigation nutzen. Durchgehend ist die Ausstattung und die Verarbeitung der Street Triple RS tadellos. Damit meldet sie in der Mittelklasse Premium-Ansprüche an, die allerdings auch ihren Preis haben. Doch es gibt Alternativen: Die Street Triple R kostet 2600 Franken weniger und ist im Kern dasselbe hochdynamische Motorrad, wenngleich mit 5 PS weniger und einem etwas günstigeren (aber immer noch voll einstellbaren) Federbein. 10’100 Franken wiederum kostet die Street Triple S, die mit A2-konformen 35 kW (und nur 660 ccm) antritt.

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1 Kommentar

  1. Sehr schöner Bericht. Vor allem das Relativieren des „man merkt einmal in Bewegung das Gewicht nicht mehr“. Genau so müßig wie „es gibt heutzutage keine schlechten Reifen mehr“ oder “ bei den Ölen hat sich soo viel getan“. Es gibt eben doch Unterschiede. Und ich habe mir die 2022 er RS hingestellt und bin schon in der Einfahrphase entspannt schnell und immer mit einem Grinsen unter dem Helm unterwegs.

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