Kawasaki hat per 2020 ihre Roadster-Mittelklasse modernisiert. Doch ausser beim Preis ist an der Z 900 so gut wie nichts Mittelklasse.
Zum Einstieg kurz ein bisschen Welterklärung: Ohne Z, so ist zu vermuten, gäbe es den Töffhersteller Kawasaki nicht mehr. Oder zumindest nicht in seiner heutigen, durchaus soliden Verfassung. Bevor 2003 die erste moderne Z 1000 startete, standen «die Grünen» ungefähr da, wo Suzuki heute daher mauerblümelt. Man wusste in Akashi nicht so recht, was denn die merkwürdigen Westler, seien es Amerikaner oder Europäer, künftig gern fahren würden.
Rückblickend wissen wir: Diese anspruchsvollen und doch so einfachen Kunden wollen entweder reisen und kaufen entsprechende Touring-Maschinen, heute meist Reiseenduros. Oder sie wollen den kurzen Spass. Auf der Feierabend-Runde oder auf der Tagestour, das passt auch ins Zeitbudget stark nachgefragter Typen. Oder sie fahren in Südeuropa auch gern damit zur Arbeit – schmale Gestalt und quirliges Handling sind da genau das Richtige.
Also müssen Roadster und Streetfighter her. Die sind so schnell wie Sportbikes, aber nicht so anstrengend zu pilotieren. Ist doch logisch, doch das ahnte man 2003 erst im Ansatz. Die Z 1000 passte voll in den Trend, sah cool aus und verkaufte sich wie warme Semmeln. Und Kawasaki fand wieder Tritt.
Die Z sind auch 2020 die wichtigste Modellfamilie, die sich in Z 125, Z 400, die neue Z 650, die neue Z 900, Z 1000 und die ebenfalls neue Z H2 (die mit Kompressor und 200 PS) aufteilt. Diese Aufzählung zeigt auch gleich, warum man die Z 900 als Mittelklasse einstuft. In Wahrheit ist sie ein echt erwachsenes Motorrad mit 125 PS, das dank besten Manieren aber doch wieder (fast) als einsteigertauglich gelistet werden darf.
Die Z 900 von 2020, wie ihre Vorgängerin von 2016, ist einerseits urjapanisch im Sinne der gepflegten Weiterentwicklung des Reihenvierzylindermotors. Anderseits haben die Entwickler mit der fast ebenso alten Tradition des Alu-Brückenrahmens gebrochen und ihr famoses Triebwerk in einen Stahlrohrrahmen gehängt. Der ist günstiger, nicht schwerer und lässt sich hübsch in Szene setzen. Eine Win-win-win-Situation.
Fürs Modell-Update wurde dieser Rahmen leicht überarbeitet, sprich im Bereich der Schwingenlagerung verstärkt. Merkt man nur im direkten Vergleich und wohl auch erst bei verboten hohen Tempi.
Andere Anpassungen sind wohl wichtiger. Man sitzt nun 25 mm höher und damit aktiver, das Display im Sugus-Stil wurde durch ein zeitgemässes TFT-Display ersetzt und die zuvor von Modernisten vermisste Traktionskontrolle soll verhindern, dass sich das Hinterrad ungewollt verabschiedet.
Die Z 900 war in den letzten Jahren ein Bestseller, sicher auch wegen eines grandiosen Preis-Leistungsverhältnisses, wobei Leistung nicht einfach in PS gemessen wird, sondern im Falle eines Naked Bikes in Fahrfreude. Und diese Z 900 wurde bestens verkauft, obschon Kawasaki teils spürbar gespart hatte. Keine Traktionskontrolle oder andere Assistenzsysteme, kein Schaltautomat. Nicht mal ein scheinbar einfaches Komfortelement wie Heizgriffe gab es, auch optional nciht. Schaltautomat und Heizgriffe fehlen weiterhin.
Aber das sind Kleinigkeiten, die sich der Product Manager hinter die Ohren schreiben soll. Um was es bei einem Motorrad dieser Sorte vorab geht ist ganz einfach, wie es sich fährt. Und, ou Mann, die Z 900 fährt sich unfassbar gut. Und zwar ab dem ersten Meter und ohne sich um Reifenwahl oder Fahrwerkseinstellungen sorgen zu müssen. Warum ich das so formuliere? Frühere Versionen der Z 1000 (die aktuelle bin ich nie gefahren) krankten an einem Grund-Setup, das sie auf Einflüsse aller Art überempfindlich machte. Da gab es Momente bei Pressepräsentationen, da musst man fürchten, der japanische und der europäische Testfahrer würden sich in die Haare geraten. Weil fast alle Journalisten leichtes Unbehagen formulierten, sich die Kawa-Herren intern aber nicht einigen konnten, in welche Richtung an den Einstellelementen der Federung denn zu drehen wäre…
Die Z 900 hingegen ist so toll ausbalanciert, dass man sie vermutlich noch mit platten Reifen leidlich dirigieren könnte. Man sitzt schon mal so gut wie perfekt auf dem Bock. Entspannt, aber nicht passiv. Die Beine schmiegen sich wunderbar an die Flanken des Buckeltanks. Auf den einen Nakes Bikes sitzt man oben drauf, in anderen drin, auf der Z 900 irgendwo dazwischen.
Dann sind da die Bremsen, die kräftig, aber nie überraschend bissig zupacken. Bremsen in Schräglage verkraftet die Z 900 mit kaum nennenswertem Aufstellmoment. Da lässt sich auch mal spielerisch improvisieren. Dabei ist die Kawa mit 210 kg in ihrer Klasse kein Leichtfuss. Die Quecksilbrigkeit einer Triumph Street Triple geht ihr ab, dafür findet sie stoisch ihre Linie, liegt satt auf der Strasse. Vielleicht eine Spur old school, aber im besten Sinn des Wortes.
Ob all der angesagten V2, Reihentwins, Triples etc. mag auch das Motorkonzept der Z 900 scheinen wie aus der Mottenkiste. Der 948 ccm grosse Reihenvierzylinder jedoch belegt, wie famos die Rechnung mit regelmässiger Zündfolge und relativ kleinen Einzelhubräumen aufgeht. Dieser Vierer ist mit seinem schier unendlichen Drehzahlband von 1500 bis 10’000/min in seinem Element und liefert alles von gutbürgerlicher Solidität bis ekstatischer Leistungsfreude. Überholmanöver gelingen souverän, selbst wenn der Drehzahlmesser nur bei 3000 steht. Feinfühlige mögen im Bereich von 5000/min einen leichte Delle im Drehmomentverlauf orten. Schalten verkommt deshalb zur Nebensache. Dabei gelingen die Gangwechsel so leicht wie alles andere, was man sich mit diesem Bike vornimmt. Unter Zug am Gas genügt ein kurzes «Lupfen», um innert Millisekunden und kupplungsfrei den nächsthöheren Gang einzuklicken. Das soll ein Quickshifter, den es hier ja nicht gibt, erst mal besser machen… Die Gasannahme ist direkt und doch gut kontrollierbar, Gas schliessen geht ohne zu starkes Motorbremsmoment.
Drei Fahrmodi plus ein frei programmierbarer steht zur Verfügung. Kombiniert wird lediglich Motorleistung und Traktionskontrolle. Sport ist etwas wilder als Road, und Rain ist auf milde 69 PS begrenzt, während die Traktionskontrolle bei Sport am meisten, bei Rain am strengsten reingrätscht. So richtig ausprobiert habe ich das nicht, ich kriege das jahrzehntelang geübte Gasöffnen am Kurvenausgang einfach nicht weg…
Alles ist also gut, jedenfalls fast alles. Im Umgang mit der Konfiguration des persönlichen Rider-Modes tat ich mich schwer. Habe es aber ob all der Begeisterung für den Töff schlicht unterlassen zu notieren, woran dies genau lag. Also plädiere ich im Zweifelsfall für die Angeklagte und nehme an, es lag am fehlenden Digitaltalent des Testers.
Kurz, es mangelt dem Fahrensmann an nichts Wesentlichem, ausser an Dingen, die eben nicht ins Konzept eines Naked Bikes passen. Ausfahren zu Zweit? Nicht wirklich! Windschutz? Was ist das denn für ein spiessiges Kriterium!
Bis Ende April 2020 führte die Kawasaki Z 900 die Zulassungsstatistik in der Schweiz an. Ziemlich sicher lässt sie sich auch deshalb gut verkaufen, weil sie ausschaut, wie sie ausschaut. Der Stahlrohrrahmen, meist farbig lackiert, sticht hervor. An den vielfach gebrochenen Flächen, an all den Ecken und Kanten der Verkleidungsteile kann sich der Blick nirgends wirklich festhalten. Doch als Ganzes bietet die Mittelklasse-Kawa einen bulligen Gesamteindruck. Ein bisschen kämpferisch ja, aggressiv nein. Sugomi nennt Kawasaki die Design-Philosophie, die für die gesamte Z-Familie durchdekliniert wird. Kein Schmuckstück – aber mit gutem Ton – ist der originale Endschalldämpfer, der sich durch einen von zwei Akropovic-Varianten (Carbon oder Titan) aus dem Kawa-Zubehör für knapp über 1000 Franken ersetzen lässt. Was beim sehr fairen Grundpreis womöglich-vielleicht-auf jeden Fall noch drinliegt!
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