Ich wusste, dass es passieren würde. Irgendwann. Und doch kam es überraschend. Zum ersten Mal seit 2017 wurde ich geblitzt, in einem BMW. Genauer: im neuen M5 Touring. Warum? Weil dieser 5,07 Meter lange Kombi mit 727 PS so souverän, so leise, so verdammt unaufgeregt schnell ist, dass ich im Wirr-Warr der Tafeln am Ende einer Ausbaustrecke langsamer reagiert habe, als die deutschen Gesetzeshüter einen Blitzer aufbauen konnten.
Meine Testwoche mit dem G99 beginnt, wie es sich für einen Touring gehört: Mit einem Roadtrip. Deutsche Autobahn, Eifel, Landstrassen, Stop-and-Go-Stadtverkehr und natürlich: Vollstromabschnitte – auch gerne 300+ km/h. Doch egal wo man ihn bewegt, dieser M5 ist nie das, was man erwartet. Er ist weder der laut bollerende V8-Panzer vergangener Zeiten, noch ein typischer Plug-in-Sparer. Er ist beides. Und das ist sein Geheimnis.

Im M5 Touring arbeitet ein neuer M-Hybrid-Antrieb: ein 4.4-Liter-V8-Biturbo mit 585 PS, kombiniert mit einem 197-PS-starken Elektromotor. Zusammen liefern sie 727 PS und 1’000 Nm. Der Strom kommt aus einem 18.6-kWh-Akku, gut für rund 30 bis 40 reale E-Kilometer. Die E-Maschine sitzt im 8-Gang-Automatikgetriebe und wirkt wie ein Turboloch-Killer: Immer an, immer wach.
Im Hybridmodus gleitet der M5 wie ein grosser 550e, fast lautlos durch die Stadt. Doch sobald du die M2-Taste drückst, wird der ganze Antrieb scharf geschaltet. Dann reagiert er wie ein Biest. 3.6 Sekunden auf 100. In unter 12 Sekunden auf 200. Und wenn du freie Bahn hast, drückt er dich auch bei weit über 275 wie ein Interkontinentalflugzeug bei Rückenwind kraftvoll, linear, ohne jede Hektik. Keine Turbulenzen, kein Drama.



Wenn du den Fuss aufs Gaspedal legst, beginnt keine Schlägerei, sondern eine perfekt getaktete Choreografie: V8 und E-Motor agieren im Takt, das Getriebe denkt mit, das Fahrwerk weiss vorher, was kommt. Die Launch Control? Kein brachialer Ruck, sondern ein sauber gesetzter Auftakt. Die Hinterachse bleibt ruhig, der Grip ist da, sofort, selbst bei feuchtem Asphalt. Kein Schlupf, kein Zerren. Nur ein kurzes Nicken deines Kopfes. Und dann: Vortrieb. Linear. Massiv. Kontrolliert.
Und dann ist da noch die Bremse. Das integrierte Bremssystem kombiniert Bremsbetätigung, Bremskraftverstärkung und Regelung in einem Modul, klingt trocken, macht aber den Unterschied zwischen digital und analog. Zwei Pedalkennlinien stehen zur Wahl, beide präzise, aber mit unterschiedlichem Ansprechverhalten. Was zählt: Du kannst das System lesen, dosieren, formen. Besonders in Kurvenkombinationen, wenn Lastwechsel über Leben oder Untersteuern entscheiden.



Wenn du mit dem neuen M5 Touring auf die Landstrasse abbiegst, merkst du sofort: Er ist nicht gebaut, um sich klein zu machen. Er weiss um seine Grösse. 5,10 Meter lang, fast zwei Meter breit, 2,5 Tonnen schwer, du spürst ihn auf der Strasse. Nicht unangenehm, aber präsent. Das hier ist kein M2 für die Bergprüfung. Das ist hier ist die Schwergewichtsklasse, mehr Punch, aber der Treffer dafür mit umso mehr Wirkung.
Die erste Kurve: Du verzögerst leicht, das Gewicht verlagert sich spürbar nach vorn aber die Vorderachse reagiert präzise. Kein Nicken, kein Widerstand. Die neu konstruierte Doppelquerlenkerachse mit vergrösserten Nachlauf- und Spreizungswinkeln bringt Stabilität in die Einlenkphase. Die Reifen greifen früh, der Vorderachsträger, starr mit der Lenkung verbunden, gibt spürbar Rückmeldung. Direkt, aber nicht nervös. Und trotzdem: Du spürst die Breite. Die Aussenlinie einer engen Kehre bleibt nie ganz aus dem Blickfeld. Man fährt ihn mit Reserven, auch aus Respekt.



Hinten hilft die Integral-Aktivlenkung, die Masse beim Richtungswechsel zu zügeln. Bei tiefem Tempo verkürzt sie den Radstand spürbar, bei höherem Tempo stabilisiert sie die Linie unauffällig, aber effektiv. Das adaptive M-Fahrwerk arbeitet dabei wie ein aktiver Stabilisator: Es regelt in Millisekunden, hält die Karosserie in Position und lässt den M5 Touring ruhig, aber nicht träge durch die Sequenzen fliegen.
Trotzdem: Enge Landstrassen sind nicht sein Terrain. Die Fülle, die er auf der Autobahn souverän trägt, wird hier zum Faktor. Ein M3 oder M2 ist spitzer, agiler, logischer. Der M5 ist dagegen ein GT mit M-Siegel. Aber einer, der seine Masse so kontrolliert, dass du ihn trotzdem sportlich bewegen kannst, wenn du weisst, wie.

Besonders beeindruckend: das Zusammenspiel aus aktivem M xDrive und dem Hinterachsdifferenzial. Am Kurvenausgang baut sich der Schub linear auf, die Verteilung bleibt ausgewogen, kein Schieben, kein plötzlicher Drehmomentpuls. Die Elektronik arbeitet präventiv, nicht reaktiv. Der Touring bleibt auch bei ambitionierter Fahrweise neutral solange du ihn im Rahmen seiner Physik behandelst.
Und genau das ist seine Stärke: Du merkst, wo seine Grenzen liegen. Und du kannst dich innerhalb dieser Grenzen bewegen, schnell, sicher, erstaunlich dynamisch. Nicht leichtfüssig, aber souverän. Nicht spielerisch, aber schnell. Und das ist vielleicht die grösste Leistung dieses M5 Touring: Dass er auf der Landstrasse überhaupt mitspielen will. Und es mit der richtigen Linie auch kann.




Das Cockpit ist spektakulär. M-spezifische Anzeigen, Curved Display, M Setup-Menüs, Ambientelicht. Die Verarbeitung ist exzellent. Selbst die Panels mit Hintergrundbeleuchtung, die sich quer durch das ganze Cockpit ziehen, wirken in Realität deutlich besser als auf Bildern und Videos. Testwagenspezifisch waren viel Merino-Leder, Carbon, Alcantara-Dachhimmel. Nur: Einige Schalter stammen aus dem Teileregal der 1er-Reihe – das wirkt in einem Auto für über 200’000 Franken deplatziert. Die gigantische Touchfläche in der Mittelkonsole sieht modern aus, ist aber ergonomisch keine Meisterleistung: Sie wirkt schnell unhygienisch durch die Finger- und Handabdrücke und fühlt sich einfach nicht hochwertig an.
Die Bedienung erfordert generell Einarbeitung. Viele Fahrfunktionen verstecken sich in Menüs. Die Lenkradtasten (M1, M2) helfen, aber auch die verlangen eine saubere Konfiguration. Wer sich Zeit nimmt, wird belohnt – mit einem Auto, das sich radikal individualisieren lässt. Anders als früher, wo es einfach nur Komfort, Sport und Sport Plus gab, lassen sich heute Antrieb, Fahrwerk, Lenkung, Bremsgefühl, Rekuperation, Stabilitätsprogramm und Assistenzsysteme einzeln konfigurieren. Dazu kommt die Möglichkeit, die Batterieeinheit gezielt zu laden oder zu schonen, etwa durch den Battery-Hold-Modus oder automatisches Rekuperieren je nach Topografie. Der M5 Touring ist ein hochkomplexes System aber eines, das sich auf den Fahrer einstellen lässt wie kaum ein anderes Fahrzeug in diesem Segment.






Was hingegen sofort beeindruckt: die Audioanlage. Das Bowers & Wilkins Surround-Soundsystem spielt in der absoluten Oberliga. Glasklare Höhen, satte, kontrollierte Bässe und ein räumlicher Klang, der sich wie ein akustischer Schal um die Insassen legt. Wo wir beim Sound sind.. Der V8 klingt, digital aufbereitet, kernig, aber nie aufdringlich. Kein Krawall. Sondern ein gut dosiertes Bollern im Hintergrund. Auch der Elektro-Sound ist angenehm, wenn auch nicht sehr emotional. Wer einmal einen Taycan gefahren ist, wird hier etwas vermissen.
Alle Systeme sind an Bord: Spurhalteassistent, aktive Abstandskontrolle, Verkehrszeichenerkennung, Totwinkel, 360-Grad-Kamera mit Anhängermodus. Neu ist der Parking Assistant Professional, der auch per Smartphone bedienbar ist. Wen man parkt, merkt sich das Auto die Kommandos und selbst nach Stunden kann das Fahrzeug die Lenk- und Pedalinputs umgekehrt abspielen, so dass es selbstständig ausparkt – getestet – etwas cringe, aber funktioniert hervorragend. Gut: Die nervigen Tempowarnungen sind über einen kurzen Druck auf “SET” am Lenkrad schnell ausschaltbar.

Der M5 Touring hat 500 Liter Kofferraum, mit umgelegten Sitzen 1 630 Liter – exakt so viel wie der M3 Touring. Zum Vergleich: Der Audi RS6 Avant bietet 565 Liter bzw. 1 680 Liter. Die hohe Ladekante, und die Technik unter dem Kofferraumboden limitieren den Alltagsnutzen. Gut: Die Rücksitze lassen sich geteilt umklappen, immerhin.
Was uns noch aufgefallen ist: Sobald der Akku leer ist, schnellt der Verbrauch in die Höhe. Im Hybridmodus bei moderater Fahrweise lag der Schnitt bei 8.2 l / 100 km. Mit leerem Akku und sportlicher Fahrweise ging er auf über 18 l / 100 km hoch. Der Tank fasst 66 Liter, im Vergleich zu einem Porsche Panamera mit bis zu 90 Litern ist das eher knapp bemessen. Die elektrische Reichweite reichte in meinem Alltag für rund 45 km. Was fehlt? DC-Laden. Der M5 lädt mit maximal 7.4 kW an der Wallbox. Ein leerer Akku braucht gut 3:15 Stunden. Das reicht fürs Heimladen über Nacht, ist aber nicht Trackday-tauglich oder für die “Lass-uns-schnell-aufladen-für-maximale-Power” Anflüge, die man so haben kann..

Was bleibt also?
Der neue M5 Touring ist ein verdammt guter Alleskönner. Die aktuell beste 1-Auto-Garage, sofern man eine Wallbox hat. Einer, der dich morgens elektrisch zur Kita bringt, auf der Autobahn über 300 km/h gleitet wie ein Privatjet und Komfort, Luxus und Audiogenuss vereint. Er kann nicht alles am besten. Aber er kann alles. Und zwar gut.
Das Problem? Sobald du mehrere Autos besitzt, wird es schwierig. Warum? Weil es für Landstrassen emotionaleres gibt. Für die Langstrecke Fahrzeuge mit mehr Reichweite oder geringerer Komplexität. Für Kurzstrecken mit Platzbedarf? Ein i5 oder 550e machen dann schlicht mehr Sinn. Der M5 Touring ist ein Alles-in-einem-Angebot – aber eben nur dann sinnvoll, wenn man genau das sucht: der Eine. Der Eine für alles.
Unser Verbrauch lag im Schnitt bei 13.8 l / 100 km. Der Basispreis beginnt bei CHF 162’300 CHF, der Testwagenpreis lag bei 182’810 CHF.
OneMoreLap.com-Konfigurationstipp:
Farbe: Marina Bay Blue, 20″/21″ M LM-Räder Doppelspeiche 952 M Bicolor Schwarz / Mischbereifung