SUVs füllen die Parkhäuser, Elektroautos die Schlagzeilen und das Wort „Effizienz“ regiert die PowerPoint-Slides in München. Doch da steht er. Breit, niedrig, provokant. Der neue M2 LCI – mit 480 PS, Heckantrieb und drei Pedalen. Kein verkleideter Kompromiss, kein weichgespülter Daily. Sondern der letzte Handschalter im BMW M-Programm – für immer.
Ja, richtig gelesen. Das hier ist eine Abschiedsvorstellung. Nicht, weil BMW die Lust verloren hätte, sondern weil die Regulierung es unmöglich macht. Euro 7 zwingt Hersteller zu immer komplexeren Abgas- und Elektroniksystemen, die mit manuellen Getrieben schlicht nicht kompatibel sind. Sprich: ab 2030 gibt es keine Handschalter mehr – nicht nur bei BMW, sondern praktisch nirgends.
Zurück zur Gegenwart. Alle Daten sind da: 480 PS, 353 kW, 550 Nm Drehmoment im Handschalter, 0–100 in 4,2 Sekunden, Topspeed 250 oder 285 mit M Driver’s Package. Klingt wie Zahlen. Fühlt sich aber richtig wild an – wo “mein” F87 M2, ebenfalls ein Handschalter, noch 110 PS langsamer war und immer etwas “Punch” vermisst hat – das ist definitiv Geschichte.

Kupplung treten. Erster Gang rastet satt ein. Nicht butterweich, nicht japanisch-feinmechanisch, sondern BMW-typisch: ein bisschen gummig, aber mit Substanz. Der Motor knurrt im Stand herrlich metallisch im Kaltstart, wach. Noch vor der ersten Bewegung weiss man: Das hier wird Arbeit. Gute Arbeit.
Auf dem Papier sind es nur 20 PS mehr als beim Vor-Facelift – von 460 auf 480 PS. Klingt nach einem lauen Software-Patch. Doch hinter dem Lenkrad spürst du sofort: Der M2 wirkt gieriger. Der S58 hängt schärfer am Gas, baut Druck unmittelbarer auf und dreht mit einer Lust nach oben, die dem Vorgänger manchmal fehlte. Es ist nicht die nackte Mehrleistung, die zählt, sondern wie sie verpackt ist. Der Facelift-M2 fühlt sich weniger zugeschnürt an, offener, lebendiger.



Der S58 ist Motorsporttechnik im Strassenkleid: Closed-Deck-Kurbelgehäuse, geschmiedete Welle, Eisenbeschichtung, 3D-gedruckter Zylinderkopf-Kern. Kühlung und Ölversorgung sind tracktauglich. Leergewicht 1 730 kg, Tank 52 l, Kofferraum 390 l. WLTP 10,0–10,2 l beim Handschalter, 9,6–9,8 beim Automat. Wer sich darüber aufregt, hat das Konzept nicht verstanden.
Setup-Nerds freuen sich: Über die M-Taste regelst du Motor, Fahrwerk, Lenkung, Bremse, Traktionskontrolle in zehn Stufen – und natürlich den Schaltassistent.

Die Kupplung verzeiht keine halben Sachen. Nicht hart, aber verlangt nach einem klaren Input. Wer ihn findet, rollt los – wer nicht, bekommt einen kleinen Ruck. Kein DSG, das alles kaschiert. Hier entscheidet dein Fuss über Würde oder Peinlichkeit. Und genau das macht süchtig.
Ein Millimeter Pedalweg reicht, um den S58 aufzuwecken. Kein Turboloch, kein Gähnen. Zwei Mono-Scroll-Lader pusten früh an und bauen gleichmässig Druck auf. Bei 2 650 Touren beginnt der Spass, bei 6 000 zieht er immer noch wie besessen. Und kurz vor 7 200 denkst du: Jetzt reicht’s – aber er will noch mehr.



Der Sweet Spot: Der zweite Gang ist das Herzstück. Drehzahl hoch, Gaspedal halb gedrückt – und der M2 schiebt mit einer Kraft, die eigentlich nicht in ein so kompaktes Auto gehört. Die Vorderachse klebt, die Hinterachse arbeitet, das aktive M-Differenzial dosiert Traktion so präzise, dass man fast vergisst, wie viel Gewalt da eigentlich in den 285er-Hinterreifen steckt.
Runterschalten? Ein Genuss. Der Schaltassistent gibt perfektes Zwischengas, ohne dass du es merkst. Oder du schaltest ihn aus und betätgist selbst die Hacke-Spitze-Kombination und belohnst dich mit mechanischem Gänsehaut-Sound. Vielleicht gelingt es nicht jedes Mal perfekt, aber wenn – dann ist es umso belohnender und genau das werden wir vermissen.

Nächstes Thema: Fahrwerk, Lenkung, Bremsen. Das adaptive M Fahrwerk hat mehr Gesichter als ein Schauspieler in Cannes. In Comfort rollt der M2 fast sanft über Unebenheiten, im Sportmodus dehnt er sich durch wie ein Hund vor dem Spaziergang. Im Alltag gerade noch so akzeptabel und der Sportmodus für die meisten Strassen zu hart.
Die Lenkung? Präzise, aber nicht übertrieben kommunikativ. Kein Porsche-Flüstern, eher chirurgische Klarheit. Du spürst, was du spüren musst, ohne Filterspielchen. Vertrauen baut sich schnell auf.

Die Bremsen sind brutal direkt. Vorne 6-Kolben-Festsättel, hinten Faustsattel. Warmgefahren, packen sie ohne jedes Zittern zu. Hier zeigt der M2 ein zweites Gesicht. 160, 180, 200 km/h – das Coupé liegt wie festgeschweisst. Kein Nervöswerden, kein Tänzeln. Nur die Drehzahl sinkt nie so stark wie beim Automaten. Verbrauch? Egal. Wer drei Pedale wählt, zählt nicht Liter, sondern Erlebnisse.
Wie ist der neue M2 im Alltag? Ja, die Carbon-Schalensitze sind hart. Ja, das Aussteigen gleicht eher einer Yoga-Übung. Aber wer morgens in diesen Sitz fällt, weiss sofort: Heute wird kein Tag der Mittelmässigkeit. Jedes Ampelanfahren, jedes Runterschalten im Stadtverkehr erinnert dich daran, warum du dieses Auto und diese Sitze gewählt hast. Die Kombination der Sitze, der drei Pedalen und dem M-Schalthebel: Peak M!

Aussencheck. 4,58 m Länge, 1,89 m Breite, 1,40 m Höhe. Kompakte Länge, aber breit und muskulös. Stellt man einen 997.2 daneben, wirkt der M2 wie aufgeblasen. Die neue Front trägt eine horizontale Niere, flankiert von je einem LED-Rundscheinwerfer mit U-förmigem Tagfahrlicht – eine Reminiszenz an den 2002. Der dreigeteilte Lufteinlass signalisiert: Das ist kein Schönling, das ist Werkzeug.
Am Heck sitzt ein diffuser Block mit vier Endrohren in Schwarz. Wer will, bestellt ein Carbon-Dach und spart sechs Kilo – kleine Zahl, grosser Effekt auf den Schwerpunkt. Neu im Programm: Lackfarben von Sao Paulo Gelb über Fire Red bis zu Individual-Tönen wie Grigio Telesto oder Twilight Purple. Endlich gibt’s auch silberne Felgen.
Wer will, bestellt das M Carbondach. Es spart rund 6 kg gegenüber dem Stahldach, senkt den Schwerpunkt und schärft damit das Einlenkverhalten. Gleichzeitig verleiht die strukturierte Oberfläche dem Coupé einen noch konsequenteren Motorsport-Look.

Innencheck. Das Auge fällt sofort auf das Curved Display: 12,3 Zoll Instrumente und 14,9 Zoll Control Display, verbunden in einer durchgehenden Glasfläche. Scharf, schnell, endlich mit OS 8.5 so reaktionsfreudig, wie man es von einem Performance-Cockpit erwartet.
Doch die digitalen Flächen lenken nicht ab von dem, was BMW hier zelebriert: Materialität. Sichtcarbon zieht sich über Mittelkonsole, Schaltkulisse, Türverkleidungen und das Lenkrad. Genau dort setzt der M2 ein Statement: Das neue M-Lenkrad trägt an den unteren Speichen Carbon-Inlays, die wie gefräste Motorsportteile wirken. Griffiges Leder mit feiner Lochung, markante Daumenauflagen und die obligatorische rote Mittenmarkierung bei 12 Uhr machen klar, dass das Steuer hier nicht nur Werkzeug, sondern Zentrum des Fahrerlebnisses ist.










Die Nahtführung ist typisch M: dreifarbige Kontrastnähte in Blau, Violett und Rot laufen über Lenkrad und Sitze und geben dem Innenraum jene subtile Signatur, die Kenner sofort erkennen. In Verbindung mit den optionalen Carbon-Schalensitzen wirkt das Ganze kompromisslos sportlich, fast wie aus einem GT4-Renner übernommen.
Auch die restliche Verarbeitung überzeugt. Selbst kleine Details wie die neuen Luftausströmer mit geänderter Mechanik oder die haptisch aufgewerteten Bedienknöpfe vermitteln, dass BMW trotz Digitalisierung die Handarbeit im Griff behalten will.

Serienmässig gibt es Frontkollisionswarnung, Tempomat mit Bremsfunktion, Spurverlassenswarnung, Speed Limit Info und PDC. Optional: Driving Assistant, aktive Geschwindigkeitsregelung mit Stop&Go, Parking Assistant, Harman Kardon, Head-Up-Display und Augmented View.
Kurz: Genug, um im Alltag mitzuhalten – aber nicht so viel, dass das Auto dir die Freude stiehlt.
Was bleibt also? Der BMW M2 LCI ist mehr als ein Facelift. Er ist eine sehr gelungene Abschiedsvorstellung. In einer Welt, in der SUVs die Norm und Elektroautos die Zukunft sind, zelebriert BMW mit ihm: „Fahrfreude stirbt nicht – solange jemand sie lebt.“ Ja, der Automat ist schneller. Ja, die Lenkung könnte ehrlicher sein. Aber das spielt keine Rolle. Denn dieser M2 gibt dir etwas zurück, was kaum noch ein modernes Auto kann: das Gefühl, dass du entscheidest. Jeder Gang, jeder Drehzahlbereich, jeder Moment ist dein Werk. Dazu ein Kaltstart, der sich tatsächlich noch kernig und sportlich anhört.
Das ist keine Nostalgie. Das ist gelebte Gegenwart. Und vielleicht schon bald Geschichte. Wer einmal die Kupplung tritt und den zweiten Gang jagt, weiss: Das ist nicht nur der letzte M2 – das ist der letzte seiner Art. Save the manuals. Rettet einen Handschalter für eure Garage. Ich habe es eben getan und rate jedem dazu.
Unser Verbrauch lag im Schnitt bei 11.2 l / 100 km. Der Basispreis beginnt bei CHF 91’900 CHF, der Testwagenpreis lag bei 104’720 CHF.
OneMoreLap.com-Konfigurationstipp:
Handschalter, M Portimao Blau metallic, 19″/20″ M LM-Räder Doppelspeiche 930 M Silber mit Mischbereifung, M Interieurleisten Carbon Fibre, M Carbondach, M Carbon Schalensitze
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