VW hat dem Scirocco R ein optisches und technisches Facelift verpasst. Grund genug, mir im Test anzuschauen, was der verschärfte Scirocco R 2015 wirklich kann. Die R-Version vom Scirocco, die erstmals 2009 vorgestellt wurde, war für mich, dank frechem Aussehen und tief-gezogener Coupé Linie, immer die stilsichere Golf R Alternative mit viel Charakter. Trotzdem griff die Mehrheit zum Golf, denn der Scirocco R blieb hinter den Erwartungen zurück und hat gezeigt, dass nicht jeder „Renner“ ein Renner ist.
Ein Facelift soll nun richten, dass der „Wüstenwind“ seinen Kritikern, wortwörtlich, den Wind aus den Segeln nimmt. Jetzt aber genug der Wortspiele. Aussen kommt er mit neu gestalteten Bi-Xenon-Scheinwerfern, neuen LED-Rückleuchten, modifizierten Front- und Heckschürzen und einem neuen Felgendesign. Ich muss sagen, er ist und bleibt der Schönling der VW Modellpalette. So verleihen die moderaten Änderungen an der Karosserie, dem früher etwas überbreiten Hinterteil, nun einen viel durchtrainierteren Auftritt. Allgemein wirkt er optisch frischer, dynamischer und geschärft. Gefällt!
Gut aussehen kann der VW Scirocco R 2015 also, doch fährt er sich auch so „geschärft“ wie er aussieht? Rein ins Auto und wie Det Müller, Gebrauchtwagenexperte und Moderator sagen würde: „Ab auffe Bahn, Probefahrt“. Noch einige technische Daten zum Aufwärmen: Der 2.0 TSI Vierzylinder leistet nun 280 PS (vorher 265) und 350 Nm zwischen 2500 – 5000 U/min. Das Resultat ist eine Sprintzeit von 5,5 Sekunden auf Tempo 100 (mit DSG) und eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h (abgeriegelt). Im Scirocco R kommt übrigens weiterhin der „alte“ EA113 Motor zum Einsatz. VW behält sich den „neuen“EA888-Motor für den Golf 7 R und Leon Cupra vor.
Begleitet wird das sehr zügige Vorankommen von einer dumpfen, aber basslastigen Note durch die verchromten Abgasendrohre (je eines links und rechts). Innen wird das basslastige Brummen von einem Soundrohr verstärkt, welches jedoch bei hohen Drehzahlen sehr künstlich wirkt und so jegliche Emotionen schlagartig verschwinden lässt. Emotionen sind ein gutes Stichwort, doch dazu mehr im eingebetteten Video oben.
Der erste Eindruck vom Fahrverhalten ist gut. Die Lenkung ist gefühlvoll, der Schwerpunkt niedrig, das Einlenkverhalten direkt und die Bremsen sehr bissig. Dazu kommt ein Sportfahrwerk mit einer Tieferlegung um 15 Millimeter und die (optionale) adaptive Fahrwerksregelung DCC. Das System stellt die Dämpfung permanent innert Sekundenbruchteilen auf die jeweilige Fahrbahn oder das jeweilige Fahrmanöver ein. Neben dem „Normal“-Modus stehen zusätzlich die Modi „Sport“ und Comfort“ zur Verfügung, die das Fahrzeug auf Wunsch von sportlich hart auf komfortabel umstellen.
OneMoreLap.com wäre allerdings nicht OneMoreLap.com, wenn wir nicht in die letzten 10% der Fahrdynamik vordringen würden. Genau da wartet dann die grosse Enttäuschung: Das ESP kann man nicht komplett deaktivieren und obwohl „DSC off“ in orangen Buchstaben im Bordcomputer prangt, greift es, zwar später, aber noch immer ein.
Dazu kommt, dass Volkswagen leider auf die im Golf GTI Performance oder Seat Leon Cupra 280 verbaute Vorderachs-Differenzialsperre verzichtet und weiter die lahme elektronisch-simulierte Sperrfunktion XDS verbaut. Also steht R für Reinfall? Nein, solange man kein Bedürfnis nach Rennstrecken oder dem Grenzbereich hat, ist der Scirocco R für den „Otto FährtgernemaleinAmpelduell-Verbraucher“ ein dynamisches Fahrzeug um schnell von A nach B zu kommen.
Innen ist leider auch etwas Kritik fällig. Man findet sich im Golf VI Interieur wieder, was doch etwas veraltet ist. Ich hätte mir gewünscht, dass man mindestens die aktuellste Version der Multimediaeinheit eingesetzt hätte. Sehr gut gefallen mir allerdings die drei Zusatzinstrumente oberhalb der Mittelkonsole, die serienmässig an Bord sind und über Ladedruck, Stoppuhr und Motoröltemperatur informieren. Sie sind eine Hommage an den ersten Scirocco, bei dem je nach Ausstattungsversion zwei Zusatzinstrumente weiter unten in der Mittelkonsole eingebaut waren.
Die Sportsitze sind bequem und bieten genügend Seitenhalt. Die optional erhältlichen RECARO Motorsport-Schalensitze (nicht in unserem Testwagen verbaut) sind allerdings noch etwas exklusiver und sorgen für Motorsport-Flair im Scirocco Innenraum. Ein sehr schönes Detail beim R sind die blauen Zeiger und die Türeinstiegsleisten in Aluminium mit «R» Logo. Die Verarbeitung ist gut, nur das Klavierlack-Dekor im übergrossen Türgriff (Fahrer- und Beifahrertüre) hat nervige Knarzgeräusche von sich gegeben.
Mein Fazit gibt es im eingebundenen Video oben. Mein Verbrauch lag während der Testdauer bei 10,4 Liter auf 100 km. Der Scirocco R startet bei CHF 41’400, der Testwagen hat inklusive Sonderausstattung CHF 57’700 gekostet. [table id=3 /]