Ford bringt mit dem neuen Ford Mustang GT Cabrio 2015 den US-Klassiker nun auch offiziell in Europa. Lange Jahre war der Umweg über einen inoffiziellen Importeur nötig, das ist jetzt Geschichte. Rassepferd zum Preis von einem Pony? Wir haben uns den Ford Mustang GT Convertible mit Fünfliter-V8 im Test genauer angeschaut.
Sonne, 20 Grad, dumpfes V8-Grollen, das Navi hat die besten Landstrassen um den Bodensee gewählt und das Dach, ja, das Dach ist offen. Eine Seltenheit im November. Umso mehr ein Genuss, denn der Winter ist eigentlich schon da. Nur nicht heute. Heute gleiten wir mit 418 PS und 524 Nm aus einem Fünfliter-V8 der Sonne entgegen. Denn Cruisen kann keiner besser als der Mustang. Sportlich gibt es noch Potenzial, aber dazu später mehr.
Kurzer Stopp vor der Autobahn, das Verdeck muss hoch, denn einen Windschott gibt es ebenso nicht, wie die Möglichkeit das Verdeck während der Fahrt (bei mehr als 5 km/h) zu bedienen. Also erstmal die zwei Abdeckungen über dem Mechanismus abmachen und ins Wageninnere werfen, dann per Knopfdruck das Verdeck hoch und manuell über einen Drehgriff festmachen. Könnte einfacher sein, aber hey, wo wäre dann der Purismus? Ist das Verdeck oben bleibt noch Zeit für einen kurzen Aussencheck.
Seit 1964 bietet der Mustang einfache, aber leistungsstarke Technik in Verbindung mit der legendären Fastback-Form, die unterdessen einen ähnlichen Kultstatus wie ein 911er hat. Inzwischen ist er zwar auf stolze 4,78 Meter Länge und 1,92 Meter Breite angewachsen, doch er wirkt dank den klar abgesetzten Kanten und Fugen, muskulös überspannten Flächen und modernen Details wie den hellen Rückleuchten noch immer wie ein Muscle-Car, aber zeitgemäss, puristisch und kraftvoll.
Zurück ins Auto und wieder auf die Autobahn. Auf der A96 ohne Tempobegrenzung, zeigt der Mustang seine Rennpferd-Gene. Ford verspricht unter 5 Sekunden für den Standartsprint von 0 – 100 km/h, das kann auch gut möglich sein. Doch hier beginnt das Trauerspiel. Trotz ausdrücklichem Wunsch nach Handschaltung, ist unser Testwagen mit 6-Gang-Automatik zum Test gekommen und diese hat, wie erwartet, enttäuscht. Und nicht nur das, sie raubt dem Mustang jegliche Ehrlichkeit und jeden Purismus, also genau das, wovon dieses Auto doch so sehr lebt.
Also zurück zur „Ich schwebe lässig über die Route 66“-Mentalität, die wir vorher gespürt haben. So ist auch die Automatik mit ihren sanften Gangwechsel und nicht-nachvollziehbaren Hoch- und Runterschaltaktionen für einen Moment vergessen und wir kommen zwischen den üblichen Brummi-Rennen gut voran. Ford ist ja bekannt für ausgewogene Fahrwerke und auch beim Mustang ist ein guter Spagat zwischen Komfort und sportlich straffer Abstimmung gelungen. Die Lenkung ist über 3 Stufen (Normal, Comfort & Sport) einstellbar und trägt so auch wesentlich zum Langstreckenkomfort bei. Ja, cruisen kann er wirklich gut.
Runter von der Autobahn, die letzten Kilometer gilt es auf der Landstrasse zu bewältigen. Also Fahrmodus-Schalter von „Normal, über „Sport+“ und „Schnee/Nass“ in „Track“, also Rennstrecke, was Ford aber im deutschen Menü mit „Gelände“ übersetzt hat. Im Track-Modus ist auch das AdvanceTrac-Stabilitätsprogramm und die Traktionskontrolle weitgehendst ausser Gefecht und wir können ungefiltert Spass haben. Automatik in den S-Modus und los. Der V8 schiebt an, die Traktion ist trotz Winterreifen überraschend gut. Kleine Heckschwenks sind aber immer drin, wenn man sich etwas bemüht. Allerdings bleibt er in Kurven vorwiegend neutral, mit einem Hauch untersteuern und serviert einem so das Übersteuern beim Kurvenausgang nicht so freizügig wie z.B. ein Nissan 370Z Nismo.
Die neue Integrallenker-Einzelradaufhängung hinten ist zwar sicher ein deutlicher Fortschritt gegenüber der Starrachse, jedoch wirken die Antriebsräder auf unebenen Strassen etwas verloren, federn individuell zu teilnahmslos ein und aus, was sich negativ auf die Fahrzeugstabilität auswirkt. Zwischendrin einmal an der Schaltwippe ziehen um einen Gang hoch- oder runterzuschalten? Hört sich eigentlich nach einer guten Idee an, denn so wechselt der Wandler in einen komplett manuellen Modus, aber die Ernüchterung folgt auch sogleich. Will man dann bei voller Beschleunigung hochschalten oder vor einer Kurve runterschalten, muss man zum Wahrsager werden und mind. 2 Sekunden vor dem gewünschten Gangwechsel die Schaltwippe betätigen. Der Wunsch nach einer knochig-harten Handschaltung steigt ins Unermessliche.
Innen fühlt man sich wohl. Obwohl wir nicht das Recaro-Gestühl (optional) an Bord hatten, sondern nur die normalen Sportsitze, findet man schnell eine angenehme Sitzposition, die auch nach langen Strecken noch bequem ist. Die Materialwahl sowie die Verarbeitung sind auf einem guten Niveau, einzig das Dach hat bei geschlossener Fahrt ab und zu Knarzgeräusche von sich gegeben. Sehr lobenswert ist die grosszügige Serienausstattung, die bereits ab Werk mit 2-Zonen-Klimaautomatik, Ford SYNC 2 Unterhaltungssystem mit 8-Zoll-Touchscreen (bekannt aus dem Mondeo, Focus etc.), DAB+ Radio und Multifunktionsdisplay kommt. Optional steht ein Premium-Sound-System mit zwölf Lautsprechern und das Ford Navigationssystem zur Verfügung. Alles sehr in Ordnung, wenn man sich an die Positionierung im Markt und den Kampfpreis erinnert.
Denn genau hier macht der Mustang sich nämlich sehr sympathisch. Während sich andere Marken (Beispiel: 4C) ihre emotionalen Fahrzeuge sprichwörtlich „vergolden“, packt Ford eine Unmenge an Serienausstattung in den Mustang und bietet ihn ab CHF 41’900.- (Coupé „Fastback“, 2,3L EcoBoost) beim Ford Händler an. Die von uns getestete Ford Mustang GT Cabrio 2015 Version mit V8 und Automatik startet bei CHF 55’900, der Testwagen lag durch das optionale „Custom Pack“ und der Farbe „Magnetic metallic“ bei CHF 59’800.
Das Fazit gibt es im eingebundenen Video oben.
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Man merkt echt beim schalten, wie das Getriebe einfach nachlässt. Schon unfassbar, wenn man bedenkt das dieses auto aus 2015 ist… Schade um den Mustang!
Eine sehr guter Artikel über das Mustang GT Cabrio. Hatte einen älteren Mustang GT und musste ihn aber da ich jetzt Familienvater bin. Nun fahre ich einen Ford mondeo 4×4, aber vielleicht irgendwann mal wieder einen neuen Mustang GT.
Mir gefällt der Bericht richtig gut, herzlichen Dank!
Danke für diesen Bericht. Ich freue mich sehr auf meinen (bestellten) Mustang GT.
Eins versteh‘ ich aber einfach nicht: Wie kann man im Jahr 2015 ein Auto mit Handschaltung wollen? Es fährt ja auch niemand mehr Postkutsche!
Womöglich wünschen sich einige Leute, wenn mal das autonome Fahren alltäglich wird – auch dann noch, dass man die Gänge von Hand wechselt.
Lieber Hans Heinrich, vielen Dank für dein Kommentar. Schön, dass dir unser Fahrbericht zum Mustang GT gefällt. Für uns ist der Mustang ein puristisches und fahraktives Fahrzeug, zu welchem wir uns halt einfach lieber eine knackige 6-Gang-Handschaltung gewünscht hätten und nicht die eher unsportlichere Automatik. Wenn Automatik, dann auch bitte ein Doppelkupplungsgetriebe und keine Wandlerautomatik. Wandlerautomatik fühlt sich, im Vergleich zu einem modernen DSG, DKG oder wie du es auch nennen magst, genau wie die von dir angesprochene Postkutsche an 🙂