Der neue Jaguar XF 3.0 TDV6 R-Sport kam zum OneMoreLap Test und musste beweisen, ob er die Klasse rund um den Audi A6 und den BMW 5er mit Jaguar-typischer Dynamik und charismatischem Design auffrischen kann.
Doch beginnen wir von vorne. Der Umstieg vom Defender in den XF ist wahrlich eine Erleichterung. Endlich sind Autobahnetappen keine Tortur mehr und im Innenraum findet man auch die aktuellsten technischen Errungenschaften. Hoffentlich auch, denn wir sitzen hier in Jaguars Interpretation einer Business-Class Limousine und die sollte, um etwas vom Kuchen der Konkurrenz abgewinnen zu können, das auch sehr gut beherrschen. Tut sie auch, obwohl wir da auch einige Dinge haben, die uns nicht so gefallen. Aber dazu mehr später.
Der erste äusserliche Eindruck ist super. Einziger kleiner Makel: Die schrecklich kleinen Winterräder. Winter ist Winter, aber der nächste Sommer und damit die schönen, grossen Felgen kommen bestimmt. Das optionale R-Sport Paket verschärft sportliche Details wie die lange Motorhaube mit stark ausgeformtem Power-Dom sowie den kurzen vorderen Überhang und sorgt für eine dynamische Linie mit sportlichen Ecken und Enden. Insgesamt wirkt die Karosserie fast schon coupéartig. Mit den dunklen 20 Zoll „Venom“ Sommerräder wäre es eine verdammt scharfe Katze. Sehr schick Jaguar.
Damit das nicht nur optisch dynamisch ist, hat Jaguar ihm, im Vergleich zum Vorgänger, 190 kg weniger Gewicht aufgebrummt. So bestehen unter anderem die Motorhaube und die vorderen Kotflügel aus Aluminium; der vordere Hilfsrahmen und der Querträger für das Armaturenbrett sind hingegen aus dem noch leichteren Magnesium gegossen. Das Resultat ist eine Erhöhung der Torsionssteifigkeit um 28 Prozent und natürlich weniger Verbrauch bei besseren Fahrleistungen. So muss das sein!
Der pulsierende Startknopf zieht den Finger des Piloten förmlich an. Als wolle er sagen: „Weck mich auf, gehen wir eine Runde fahren“. Ja gerne! Bei unserem Testwagen ist der 3.0 Liter grosse V6 Bi-Turbo Diesel mit 300 PS und bis zu 700 Nm an Bord. Wie gewohnt, hört man ihm seine Kraft nicht an, aber wer schon mal einen Meisterdieb gespielt hat (natürlich nur am Computer) weiss, dass man auf leisen Sohlen immer einen enormen Vorteil durch das Überraschungsmoment hat. So auch im XF. Die gewaltigen 700 Nm stehen schon ab 2.000 Touren an, die geniale 8-Gang-ZF-Automatik schaltet zügig und befördert den fast zwei Tonnen schweren Engländer in nur 6,4 Sekunden von null auf 100 km/h.
In Kurven gefällt die knackige Lenkung, die überdurchschnittlich viel Rückmeldung gibt und stark an den F-Type erinnert. Das Fahrwerk ist ebenfalls von der sportlichen Sorte, was uns sehr gefällt. Optional ist auch ein adaptives Fahrwerk erhältlich, was bei uns leider nicht verbaut war. Ebenso gibt es auf Wunsch auch Allrad, allerdings nur in den Versionen mit 3.0 Liter Kompressormotor. Die Winterräder im Mini-Format, wir erinnern uns, standen doch oft auf verlorenem Posten wenn wir die vollen 700 Nm der Hinterachse „anvertraut“ oder auch um die Ohren gehauen haben. Mit „DSC off“ geht das natürlich auch gut quer, aber wir hatten Mitleid mit den Winterrädern. Sie sind doch sonst schon so klein.
Die spielerische Agilität, auch dank dem Heckantrieb, gefällt uns also sehr und wir haben sogar noch ein Argument gegen die Heckantrieb-Nörgler, die jeweils sofort aufschreien, dass man bei Schnee oder Eis kaum vom Fleck käme. Jaguar hat extra für das Anfahren auf lockerem Untergrund das „All-Surface Progress Control“ Programm entwickelt. Es regelt im Stil einer Launch Control automatisch das Zusammenspiel zwischen Bremse und Gaspedal. Während der Jaguar ohne Schlupf sicher vom Fleck kommt, braucht sich der Fahrer nur noch aufs Lenken zu konzentrieren. Dem Allradantrieb gehen die Argumente aus.
Innen trifft man auf ein aufgeräumtes Cockpit mit viel Leder und Aluminium. Die typischen Jaguar Details wie der Drehknopf für die Gänge oder der pulsierende Startknopf finden sich natürlich auch im Jaguar XF 2016 wieder. Die Sitze erlauben eine tiefe Sitzposition, sind vielfach verstellbar, allerdings mit etwas knappem Seitenhalt. Die sich zum Fahrer aufdrehenden Luftdüsen sind ein nettes Detail, insgesamt wirkt das Cockpit allerdings, wie im Video angesprochen, für diese Klasse etwas zu lieblos und die Bedienung ist nicht so leicht und übersichtlich wie im Konkurrent aus Ingoldstadt. Bei unserem Testwagen war das optionale „InControl Touch Pro“ leider nicht an Bord. Das serienmässige Multimediasystem ist identisch mit dem z.B. im Land Rover Discovery Sport verbauten System, aber weit entfernt von der oberen Mittelklasse, in der sich der XF gerne sieht. Den Griff zum optionalen System empfehlen wir daher wärmstens.
Sehr gut gefällt uns das Laser-Head-up-Display im Jaguar XF. Die Anzeige ist gestochen scharf und kontrastreich und zeigt dem Fahrer die Geschwindigkeit, den Fahrmodus, die Anweisungen des Navigationssystems, die Verkehrszeichenerkennung (optional) sowie die Meldungen der adaptiven Geschwindigkeitsregelung. Alles was man braucht für lange und entspannte Reisen. Ebenso gut funktioniert die adaptive Geschwindigkeitsregelung (ACC) mit Stauassistent, die zusammen mit dem etwas nervösen aktiven Spurhalteassistenten und dem einwandfrei funktionierenden Spurwechselassistenten mit seitlicher Rückfahrüberwachung den Fahrer in vielen Punkten unterstützt, die vor allem nach langen Meetings und etlichen „Conference Calls“ schnell mal unter der Müdigkeit leiden können.
Der neue XF kommt je nach Ausstattung als erster Jaguar mit Voll-LED-Scheinwerfern. Mit zwei Reihen von LEDs und Reflektoren – je eine für Abblend- und eine für Fernlicht – erzeugen sie im Vergleich zu Xenon-Scheinwerfern ein tagesähnlicheres Licht. Natürlich ebenso am Heck, wo die LED-Rückleuchten die Silhouette des Jaguar F-Type darstellen: Ein horizontales Band, das sich wie beim kleinen Bruder XE mit einem runden Element überkreuzt. Jedoch wird beim XF die Graphik wiederholt, wodurch die Rangordnung im Vergleich zum kleineren XE wiederhergestellt wird.
Mein Testfazit gibt es im eingebundenen Video oben. Mit dem 300-PS-Diesel sind wir, sportlich gefahren, alle 100 Kilometer etwas mehr als acht Liter losgeworden. Der Basispreis für den XF 3.0 TDV6 beträgt CHF 70’200, der Preis des Testwagens CHF 93’020.
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