Schluss, aus, vorbei. Der Land Rover Defender 90 Adventure Edition, der bei uns im Test war, ist einer der letzten Defender. 67 Jahre lang fast unverändert gebaut, nun eingestellt. Wie viel Kult steckt im Defender und sorgt das für eine emotionale „OneMoreLap“ Abschiedsfahrt? Mehr dazu nun im Fahrbericht.
„Du wirst ihn lieben, aber auch hassen.“ Diese Worte hat mir ein Kumpel auf den Weg gegeben, als ich ihm vom anstehenden Defender 90 Adventure Edition Fahrbericht erzählt habe. Nun ja, ich war mir bewusst, dass ich meine Ansprüche in Sachen Fahrdynamik, Komfort und Laufruhe, im Vergleich zu den sonstigen „OneMoreLap“ Testwagen, natürlich sehr stark herunterschrauben muss. Doch durch den Produktionsstopp im Dezember 2015, bedingt durch nicht-einhaltbare Crash-Anforderungen, insbesondere in Sachen Fussgängerschutz, stellen die letzten Defender aus der Land Rover Produktion auch die letzte Gelegenheit dar, das heftig diskutierte Offroad-Urgestein fahren zu dürfen. Was spricht dagegen? Nix. Also los.
Bei der Abholung wartet ein ganzer Schlüsselbund auf mich. Daran findet man eine Fernbedienung für die Zentralverriegelung, einen Zündschlüssel à la 1950 (Schwert-Style, ihr wisst schon) und einen winzigen weiteren Schlüssel mit dem sich der Tankdeckel öffnen lässt. Soweit so gut. Zündschlüssel, also das Schwert, links vom Lenkrad rein und drehen. Das 2,2 Liter-4-Zylinder-Diesel-Triebwerk erwacht mit Ach und Krach, aber vor allem mit einem heftigen Ruck, zum Leben. Die Defender 90 Adventure Edition, in unserem Falle mit der Phoenix Orange Lackierung, hat eine Leistung von 122 PS und ein maximales Drehmoment von 360 Nm. Hört sich gut an, ist aber bedingt durch die 2,3 Tonnen Gewicht schon etwas kümmerlich. Aber dazu später mehr.
Die Kupplung ist ein harter Gegner und liegt in Sachen Härte zwischen Nissan 370Z Nismo und Porsche 997 GT3, aber wie in den anderen zwei Fahrzeugen, sind wir ja nicht zum Spass hier. Der Defender will bewegt werden. Hat er also doch mehr Gemeinsamkeiten mit einem Sportwagen wie wir zu Beginn dachten? Um es kurz zu machen: Nein. Das Fahrwerk ist der Inbegriff von schwammig, der Wendekreis trotz nur 3,90 Meter Fahrzeuglänge riesig, der Ganghebel ist gefühlt ein Kilometer lang, die Schaltwege zwar kurz, aber die Schaltgassen sehr nahe zusammen. So überrascht auch die Herstellerangabe von 15,8 Sekunden (!) für den 0-100 km/h Sprint nicht mehr. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 145 km/h, doch schon bei 110 km/h versteht man den Beifahrer nicht mehr und ab 120 km/h fährt man gefühlte 280 km/h. Die senkrecht in die Luft ragende Windschutzscheibe provoziert den cw-Wert eines Kleiderschrankes und sorgt für Windgeräusche die jede Autobahnfahrt zur Tortur werden lassen.
Nach dieser Fahrt offenbare ich meinem Kumpel meine ersten Eindrücke, worauf er mich darauf hinweist, dass ich auch keinen Sportwagen durchs harte Gelände scheuchen würde. Dann also bitte auch nicht den Defender über die Autobahn. Nun ja, gut. Punkt für ihn. Ich fahre weiter und treffe an einer Ampel auf einen anderen, mir völlig fremden, Defender-Fahrer. Er grüsst mich. Das ist wohl so üblich unter Defender-Fahrern. Nett.
Unsere limitierte Edition mit dem Namen „Adventure“ hat die Abenteuerlust sozusagen in die Wiege gelegt bekommen. Wollen wir das doch mal in Erfahrung bringen und den Defender abseits befestigter Strassen bewegen. Hier wird dann auch schnell klar, wieso einerseits dieses Fahrzeug so viele treue Anhänger hat, andererseits aber auch wieso viele Dinge im Alltag so mühsam erscheinen, aber im Gelände sehr wertvoll sind. So zum Beispiel der wahnwitzig-kurz übersetzte erste Gang. Nervig an jeder Ampel weil zwischen Gang 1 und Gang 2 ein abgrundtiefes Loch klafft, aber hervorragend im Gelände um schon früh maximales Drehmoment erzeugen zu können. Umdenken ist angesagt.
Die Eckdaten seiner Offroad-Fähigkeiten sind beeindruckend: 50 Zentimeter Wattiefe, Böschungswinkel von 49 Grad, 31 Zentimeter Bodenfreiheit, 45 Grad Steigfähigkeit. Ich habe nicht einen Hauch der Möglichkeiten ausgeschöpft und trotzdem bei einigen schlammigen Passagen das Gefühl gehabt, dass hier die omnipräsenten Lifestyle-SUV’s ins Schwitzen geraten wären. Aber die werden ja eh nur für den Weg von der Migros zum Zumba-Kurs gebraucht. Der Defender hingegen sorgt selbst für Rhythmus und insbesondere die „Adventure Edition“ mit zusätzlichem Unterfahrschutz für Seitenschweller und Motorraum ist für jedes Abenteuer abseits befestigter Wege geeignet. Eine Differentialsperre ist natürlich auch an Bord.
„Wo ein Defender ist, ist auch ein Weg.“
Innen sitzt man sehr nahe an der Tür, Airbags gibt es keine, dafür Sitzheizung, iPod-Integration, beheizte Frontscheibe und ein grosszügiges Fach zwischen Fahrer und Beifahrer. Die Klimaanlage / Heizung braucht zwar gefühlte 67 Jahre bis sie mal auf Änderungen am Drehregler reagiert, aber die Entschleunigung zieht sich wenigstens durchs Band vom Motor, über das Fahrwerk bis in den Innenraum. Ein Vollblut-Charakterfahrzeug. In unserer Land Rover Defender 90 Adventure Edition findet man hochwertiges Windsor-Leder auf dem Armaturenbrett und dem Instrumententräger, unterstützt von weiteren Lederbezügen auf Türen und Türgriffen. Ein Dachhimmel in Ebony und besondere Teppich-Fussmatten bringen einen Hauch Luxus in den sonst so urchigen Innenraum der limitierten Edition.
Mit dem Land Rover Defender möchte man nicht von Schaffhausen nach Hamburg über die Autobahn fahren, man möchte ihn auch nicht täglich in der Stadt bewegen – stattdessen möchte man aufbrechen und mit ihm zusammen die (unbefestigte) grosse weite Welt entdecken. Der Defender wäre der passende Untersatz dafür und nur allzu gern hätte ich die Karpaten-Tour mit dem Defender wiederholt. Er hätte brilliert.
Mein Fazit gibt es im Video oben. Den Land Rover Defender 90 Adventure Edition ist ab CHF 55’800.- erhältlich.