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Ferrari Purosangue 6.5 V12 – Der erste Viersitzer mit vier Türen im Test / Fahrbericht

Mitten im Gedränge von Le Mans, kurz vor dem 24-Stunden-Rennen, standen wir im Verkehr hin zum Circuit des 24 Heures du Mans, der an diesem Wochenende von über 320’000 Personen besucht werden wird. Die Spannung und Vorfreude waren förmlich greifbar, als wir in unserem Ferrari Purosangue im dichten Verkehr standen. Viele Rennsportfans und besonders die jugendlichen „Carspotter“ um uns herum waren begeistert von dem Anblick und dem Klang des neuen Ferrari-Viersitzers und zückten sofort ihre Smartphones um Fotos und Videos zu machen. Den Rekord für die meisten Fotos von einem Testwagen haben wir schon mal gebrochen – das kann nur gut werden!

Kurze Session am Track, das abendliche Qualifying tobt noch, als ich wieder zum Purosangue zurückgehe. Rückfahrt zum Hotel. Aus dem Kurs herausschlängeln, Autobahn. Hier zeigt der Purosangue seine Stärke als Langstrecken-Grand-Tourer. Trotz seiner beeindruckenden Leistung und Dynamik bietet er einen erstaunlichen (Alltags-)Komfort, der ihn ideal für lange Fahrten macht. Das neue Aktivfahrwerk feiert im Purosangue seine Premiere. Es sorgt dafür, dass selbst bei höheren Geschwindigkeiten auf welligen französischen Autobahnen eine ruhige und angenehme Fahrt gewährleistet ist. Stellt euch allerdings keinen Federungskomfort einer S-Klasse vor, sondern mehr den sehr satten Bodenkontakt mit weicheren Dämpfern.

Die Landstrasse ruft und wir folgen ihrem kurvigen Pfad. Der Ferrari Purosangue zeigt hier seine wahre Agilität. Die sehr feinfühlige und wahnsinnig direkt angesetzte Lenkung, sowie das Ferrari-Active-Suspension-System, welches die Karosserie in Echtzeit stabilisiert und ein sehr sportliches Fahrgefühl ermöglichen, lassen den Ferrari leichtfüssig durch die Kurven tanzen, als ob es ein Hot-Hatch wäre. Breiter als ein kompakter Kombi, aber deutlich näher an einem sehr sportlichen Kompaktwagen als bei jeder anderen Fahrzeugklasse. Das Einlenkverhalten ist gierig, im Scheitelpunkt merkt man die hecklastige Auslegung der Kraftverteilung und heraus aus der Kurve wird die Beschleunigung untermalt von den wunderschön-variierenden Tonlagen des V12.

Jeder Druck auf das Gaspedal wird sofort in Kraft umgesetzt, ganz saugertypisch begleitet von einer unfassbaren Vielfalt an Klang. Dieser 6.5 Liter grosse V12 ist beeindruckend in allen Bereichen. Leistungsabgabe und Klang in einer Einheit sorgen für ein Dauergrinsen. Schauen wir übrigens kurz auf das Datenblatt. Der Purosangue leistet 715 PS und 716 Nm Drehmoment. So beschleunigte der viersitzige Viertürer in nur 3,3 Sekunden von 0 auf 100 km/h und erreichte eine Höchstgeschwindigkeit von über 310 km/h.

Neben dem Ferrari-Active-Suspension-System, das auf dem Multimatics True Active Spool Valve (TASV) System basiert, welches die Karosserie und die Räder aktiv mit höherer Präzision und Frequenz als traditionelle Systeme steuert, nutzt der Purosangue das neue 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebes (DCT) in jeder Hinsicht perfekt: Die Übersetzungen sind die gleichen wie beim SF90 Stradale und 296 GTB. Mit grösseren Reifen bietet diese Lösung kürzere Übersetzungen als bei früheren Ferrari-Viersitzern, was eine progressivere Leistung bei der Beschleunigung ermöglicht. Der achte Gang ist für ein entspannteres Fahrgefühl bei langen Fahrten ausgelegt.

Die Softwaresteuerung des Getriebes bietet sowohl in Bezug auf die Leistung (Reduzierung der Schaltzeiten um etwa 18%) als auch die „Sailing“-Funktion Vorteile, die es dem Motor und Getriebe ermöglichen, sich automatisch zu entkoppeln, um in Fahrsituationen, in denen keine Traktion erforderlich ist, für mehr Geschmeidigkeit zu sorgen (und somit auch beim Bremsen). Die Manettino-Strategien des Purosangue wurden ebenfalls an die Projektvorgaben angepasst.

Bei einer Pause am Strassenrand zieht der Ferrari die neugierigen Blicke der vorbeifahrenden Autos magisch an. Zu Recht. Der Purosangue ist schwierig zu fotografieren, schwierig „realitätstreu“ darzustellen – trumpft dann in Realität aber mit umso grösserem Wow-Faktor. Das Aussendesign des Purosangue wurde von den Ferrari-Designern an ihr Sportwagen-Design angelehnt und in zwei Ebenen aufgeteilt: die technischere untere Karosserie und die geschwungene, design-orienterte obere Karosserie.

Die aerodynamischen Elemente, wie die Aerobrücken und die fliessenden Linien, verstärken den Ferrari-typisch extrovertierten Charakter des Purosangues und verleihen ihm eine kraftvolle Präsenz. Der Purosangue hat keinen traditionellen Frontgrill, sondern eine schwebende Scheibenform, die die Kamera und Parksensoren integriert. Die geschmiedeten Räder wurden speziell entwickelt, um die heisse Luft aus dem Radkasten abzuleiten. Der hintere Flügel und der imposante Diffusor verleihen dem Heck eine beeindruckende Schärfe.

Cockpit-Check. Die Qualität der Materialien im Innenraum ist beeindruckend. Von recyceltem Polyester im Dachhimmel bis hin zu einem neuartigen Alcantara, das zu 68% aus recyceltem Polyester besteht, hat Ferrari hier nicht nur auf Luxus, sondern auch auf Nachhaltigkeit gesetzt. Die Sitze sind sehr sportlich und gleichermassen komfortabel, bieten ausgezeichneten Seitenhalt und bieten eine Optik zum Niederknien. Die Haptik des Leders und die Verarbeitung der Carbonfaser-Elemente sind auf höchstem Niveau, was ein Gefühl von Exklusivität vermittelt, das man von einem Ferrari erwartet. Das duale Cockpit-Design, inspiriert vom SF90 Stradale, schafft eine harmonische Symmetrie zwischen Fahrer und Beifahrer. Der Beifahrer hat dank eines eigenen 10,2-Zoll-Displays die Möglichkeit, aktiv am Fahrerlebnis teilzunehmen.

Das zentrale Bedienfeld für die Klimaanlage und Sitzheizung ist zwar nett anzuschauen und sehr kompakt gehalten, aber nicht intuitiv zu bedienen. Dazu stellt man sich die Frage, warum der Tacho nur entweder die klassische Ferrari-Darstellung kann oder bei Apple Carplay dann wirklich nur das CarPlay mit kleiner Angabe von notwendigsten Daten wie dem Tempo angibt. Beeindruckend ist das Lenkrad mit den vielfältigen Bedienelementen von Blinker, Fahrmodus, z.B. auch Carplay bis zu den Scheibenwischern, sowie das Burmester 3D High-End Surround Sound System, das standardmässig im Purosangue verbaut ist. Die Klangqualität ist hervorragend, und die Möglichkeit, den Sound individuell anzupassen, sorgt für ein audiophiles Erlebnis, das perfekt zum luxuriösen Ambiente des Innenraums passt.

In Sachen Assistenzsysteme bietet der Purosangue eine Reihe von Fahrerassistenzsystemen (ADAS) als Standard, von denen viele in Zusammenarbeit mit Bosch entwickelt wurden, einschliesslich adaptiver Geschwindigkeitsregelung (ACC), automatischem Notbremssystem (AEB), automatischem Fernlichtassistent (HBA/HBAM), Spurverlassenswarnung (LDW), Spurhalteassistent (LKA), Toter-Winkel-Erkennung (BSD), Querverkehrswarnung hinten (RCTA), Verkehrsschilderkennung (TSR), Müdigkeits- und Aufmerksamkeitsassistent (DDA) und Rückfahrkamera (NSW). Eine erstmals bei Ferrari verfügbare Funktion ist die Bergabfahrhilfe (HDC).

Was bleibt also? Unser Kurztest hat mich beeindruckt. Ferrari geht einen neuen Weg mit einer kompakteren Auslegung ggü. den Konkurrenten und setzt dabei auf den unfassbar emotionalen V12. Die Balance zwischen Alltag und allen Aspekten der faszinierenden und emotionalen Punkte eines Sportwagens sind hier verbunden – das habe ich noch nie in solch perfekt umgesetzter Form erlebt und muss dem Purosangue mein grösstes Kompliment aussprechen! Unglaublich beeindruckend. Durch die kurze Testdauer konnten wir keine verlässlichen Verbrauchswerte „erfahren“. Die Preisgestaltung beginnt in der Schweiz ab CHF 410’000.

Mehr zu meinem Wochenende in LeMans mit Ferrari gibt es hier >>

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