Vor knapp 3 Jahren habe ich mir einen Porsche 911 Carrera 3.2 Targa «G-Modell» aus dem Jahre 1988 in Indischrot gekauft – im Gepäck jede Menge Informationen über luftgekühlte Elfer und kaum Informationen über die Oldtimerszene oder den Oldtimermarkt. Meine bis dahin sehr positiven Erfahrungen mit alten Autos beschränkte sich auf einige Besuche an verschiedenen Austragungen des Goodwood Member’s Meeting, sowie einigen privaten Bekanntschaften. Diese Herren pflegen und hegen ihre Oldtimer vorbildlich, fahren vereinzelt an klassischen Rallyes, Oldtimer-Treffen oder sogar zu Bergrennen – ganz harmlos und sehr sympathisch.
Missgunst vergiftet die Seele.
Regional, also hier um’s Eck, wurde ein ganz kleines Oldtimertreffen angekündigt, erwartet wurden etwa 20 Autos. Ich war interessiert, doch halt – man hat mich vorgewarnt: „Fahr mit dem Elfer nicht auf ein offenes Oldtimertreffen, da bist du nicht willkommen – fahr ausschliesslich zu Porschetreffen“. Na gut – dann lassen wir das. Kurz später, an einer anderen Veranstaltung, wohlgemerkt ohne Oldtimer, sitze ich per Zufall in einer Runde, die mir dann die „Missgunst“ der Oldtimerfahrer auf Vintage-Porsche-Besitzer „erklären“ oder „rechtfertigen“ wollte – ein wildes Potpourri an Argumenten wie „Nur Neureiche ohne Geschmack“, über „Nur gekauft als Investment, keine wirkliche Leidenschaft für Oldtimer“ bis „überteuerter Mainstream“ und die Liste an unsinnigen Argumenten ist noch beliebig länger. Unverständlicher Markenhass, abscheulich und leider sehr verbreitet.
Da müssen wir mal kurz erinnern: Oldtimer sind ein Zeugnis vergangener Zeiten, sie erzählen Geschichten und verkörpern eine grenzenlose automobile Vielfalt. Egal, ob es sich um einen Porsche, einen Mercedes-Benz, einen Volkswagen Käfer oder einen Ford Mustang handelt, jedes Fahrzeug hat seinen eigenen Charme und seine besondere Bedeutung. Die variantenreichen Details der Marken und Modelle ist es, was die Oldtimerszene so faszinierend macht.
Ehrlich „fährt“ am längsten..
Nach meiner Veröffentlichung des „Neuzugangs“ hier, wurde ich in verschiedene Vintage-911-spezifische Gruppen bei Facebook und Whatsapp eingeladen. Ich dachte mir: „Gleichgesinnte – perfekt“. Also rein da und mitgelesen. Nebst dem üblichen Blabla in solchen Gruppen wurden auch viele Ausfahrten ins ferne Ausland angepriesen. Fahr hierher mit, wir fahren dahin – Alpenpässe, Südfrankreich, Dolomiten, Italien – gerne auch mehrere tausend Kilometer weit. Nun – in der Schweiz dürfen „Veteranenfahrzeuge“, also Fahrzeuge mit nachgewiesenem Originalzustand und einwandfreiem In- und Exterieur, nur 2000 – 3000 km pro Jahr bewegt werden. Mysteriös. Ich frage nach. Es wird still. Etwas später schreiben mich einige Gruppenmitglieder bzgl. Teilnahme erneut direkt an, offerieren auf Nachfrage Zweittachos oder erklären, wie einfach man den Tacho abhängen könne. Die Regierung sei ja „selbst schuld“ bei solchen Regelungen, das werde „halt umgangen“, sei ja „klar“. Gleichermassen sei der Veteranenstatus „ja schon wichtig“ für den Werterhalt. So läuft das also.
Ich habe mich bei verschiedenen Szenen umgehört, nicht nur bei den Elfern wird geflunkert, das Muster zieht sich querbeet bis zu Oldtimer-Nutzfahrzeuge durch: Wer gerne fährt und keinen Zweit-Oldtimer hat, neigt dazu, den Kilometerstand zu manipulieren.
Wie ihr euch vorstellen könnte, habe ich diese Porsche-Gruppen sofort verlassen – bestimmt gehörten der Grossteil der Mitglieder nicht zu den schwarzen Schafen und es gab auch einige Teilnehmer, die offen und ehrlich den alten Elfer aus diesem Grund ohne Veteranenstatus gefahren sind. Doch für das Ausleben der Neunelfer-Fahrfreude ganz offen und lässig einen tiefgreifenden Betrug in Kauf nehmen? Nur für einige Mehrkilometer pro Jahr? Dafür fehlen mir die Worte.
Besonders, weil wir hier nicht (mehr) von Fahrzeugen sprechen, die beim Verkauf 15’000 oder 20’000 CHF einbringen, sondern unterdessen ein Mehrfaches davon, dazu kommt, dass eine tiefe Laufleistung gerne und oft für einen heftigen Preisaufschlag im Verkauf sorgt und immer ein gutes Verkaufsargument darstellt. Fraglich also, wie viele Oldtimer in der Schweiz „gedreht“ sind. Je teurer, je schlimmer? Möglicherweise, da Laufleistung und Veteraneneintrag besonders viel Wert sind und sich der Oldtimer-Markt im Porsche-Bereich schon länger zu einer Investitionsplattform entwickelt hat, in der besonders tiefe Laufleistungen gefragt sind.
Die kürzliche Zeitperiode nach Covid hat gezeigt, wie erfolgsbringend eine Anlage selbst in neueren Fahrzeugen sein kann. Sogar Brot & Butter Autos sind plötzlich in die Höhe geschossen und hatten kaum Wertverlust. Aber schon die Jahre davor haben wir bei Oldtimern ein Bild der Wertzunahme gesehen. Das Resultat? Viele leidenschaftliche Enthusiasten werden so vom Markt ausgeschlossen, während gierige Händler und Spekulanten die Preise weiter in die Höhe treiben. Die eigentliche Freude an der Leidenschaft für klassische 911er verblasst.
Trophäen-Jagd.
Als ich nun meinen 911er in einer Verkaufsplattform inseriert habe, bekam ich Zugang zu Daten von „konkurrenzierenden“ Inseraten, mit Elfern mit ähnlichen Daten. Das hat meine Beobachtung leider bestätigt. Viele Fahrzeuge, die seit Jahren von Händlern überteuert inseriert sind. 5-8 Jahre sind keine Ausnahme. Zuwachs im Verkaufspreis: Von 30% bis weit über 100% seit dem ursprünglichen Preis im Inserat. Standschäden wohl inklusive.
Diese Showroom-Trophäen sind mitverantwortlich, warum faire Angebote auf dem Oldtimermarkt immer rarer werden und gleichermassen das Preisgefüge unermüdlich steigt. Einige Investoren und Sammler sind wohl immer noch bereit, überteuerte Summen zu investieren und von einem Händler zu kaufen, um mehr „Sicherheit“ zu haben, als von Privat. Da sie wiederum den Elfer als potenzielles Anlageobjekt sehen, lassen sie ihn einfach etwas länger stehen, bis die Wertspirale nach oben, die Differenz zwischen fairem und überteuertem Preis wettgemacht hat.
Ein nächster Punkt sind Spezialisten. Oh Himmel. Braucht man einen Spezialisten, wird es teuer. Wenn man denn überhaupt bedient wird. „Keine Zeit“, „Frühestens in einem halben Jahr“ oder Arbeit wird angenommen und unverrichteter Dinge wieder zurückgegeben. So muss man dann kreativ werden. Dazu kommen zum Teil exorbitante Preise und eine gewisse Hochnäsigkeit im Stil von „Sei froh, wenn ich überhaupt an deiner Karre arbeite“. Schlussendlich habe ich die besten Ergebnisse von Werkstätten bekommen, die keinen Oldtimerfokus haben und den Elfer als „ein Auto wie jedes andere auch“ angenommen haben.
Ich bin dankbar, dass ich einen fairen Spenglereibetrieb an meiner Seite hatte, der mir zwei tiefgreifende Roststellen hervorragend hergerichtet hat, sowie eine nicht-Oldtimer-Werkstatt, die dasselbe Bild abgab, aber die kurzen Berührungspunkte mit anderen, spezialisierteren Ansprechpartnern / Werkstätten liessen meine Angst vor möglichen Motor- oder Getriebeproblemen hochkochen. Eine Motorrevision soll fair bezahlt werden, aber nur weil der Motor hinten sitzt und ein schwarzes Pferd auf goldenem Grund das Logo prägt, will ich nicht eine Niere und mein Erstgeborenes der Werkstätte abgeben müssen (Achtung, Übertreibung), wenn sie dann, um Himmelswillen, gerade Zeit für mich fänden.
Mach’s gut, alter Freund.
Schlussendlich ging meine Oldtimerreise vor wenigen Wochen zu Ende. Ich habe einen Käufer für meinen Targa gefunden, der das faire Angebot schätzte und hoffentlich viel Freude an diesem ehrlichen Elfer haben wird.
Wie fühlt sich da an? Befreit. Der Elfer war toll, ein absolutes Traumauto – aber das unvermeidbare „Drumherum“ ist nichts für mich.