Man spürt es schon beim ersten Blick: Der Toyota GR GT wirkt, als hätten ein paar Ingenieure spätabends den Weg nach Hause vergessen und einfach beschlossen: „Wir machen das jetzt.“ Herausgekommen ist ein GT, der so viel Technikfetisch, Detailversessenheit und Mechanikliebe ausstrahlt, dass man sich ernsthaft fragt, wie Toyota dieses Ding im Regularien-Dschungel und CO₂-Wirrwarr überhaupt noch legal auf die Strasse bekommt.
Vielleicht ist es die CO₂-Kompensation durch Millionen Yaris Hybrid und Aygo X. Vielleicht das beruhigende Gefühl, dass man sich einen 4,0-Liter-V8 leisten darf, wenn man gleichzeitig so viele Vorzeige-Prius baut. Oder vielleicht liegt es schlicht an Akio Toyoda, dem Petrolhead im Chefbüro, der lieber Runden auf der Nordschleife fährt, als Excel-Tabellen zum Flottenverbrauch zu lesen. Der GR GT reiht sich jedenfalls nahtlos in diese wunderbar unvernünftige Toyota-Ära ein. Yaris GR, GR86, GR Supra und jetzt dieser GR GT. Ist denn schon Weihnachten?

Was passiert, wenn ein Toyota beschliesst, ein Strassenauto so flach zu bauen, dass es sich wie ein Prototyp anfühlen soll?
Der GR GT soll mit 1’195 Millimetern Höhe einer der flachsten GTs der letzten Jahre werden, und das ist alles andere als ein Zufall. Toyota hat einen beinahe krankhaften Fokus gesetzt: Der Schwerpunkt muss runter, alles andere hat sich dem unterzuordnen. Form follows Function. Das beginnt beim Motor, der so tief eingebaut werden soll, dass man bildlich gesprochen fast in den Ansaugtrakt fällt.
Der Fahrer sitzt nicht einfach tief, sondern auf dem Niveau des Fahrzeugschwerpunkts, fast wie ein weiterer Bestandteil der Massenverteilung. Das Getriebe wandert komplett nach hinten, um Balance und Traktion zu maximieren, während selbst Batterie und Tank so positioniert werden, dass sie nicht einfach liegen, sondern regelrecht in die Struktur fallen. All diese Entscheidungen erinnern weniger an einen klassischen Gran Turismo und deutlich mehr an ein LMP-Fahrzeug, nur dass dieser Prototyp tatsächlich Nummernschilder tragen soll.

Warum baut Toyota plötzlich einen komplett neuen V8 – und dann auch noch aufgeladen und mit Hybridiserung?
Der neue 4,0-Liter-V8-Biturbo ist der erste Motor dieser Grösse, den Toyota seit Jahren komplett neu konstruiert. Er ist kompakter, niedriger und thermisch stabiler ausgelegt als alle bisherigen Toyota-V8 und sitzt so tief wie möglich im Vollaluminiumrahmen. Die Trockensumpfschmierung reduziert die Bauhöhe weiter und erlaubt stabile Ölversorgung auch bei hohen Querbeschleunigungen. Das heisse V verkürzt die Wege zu den Turboladern und verbessert das Ansprechverhalten, während die relativ kurze Hubzahl von 83,1 Millimetern klar zeigt, dass Toyota einen drehfreudigen Biturbo will und keinen reinen Drehmomentschwerpunkt.
In diesem Antriebskonzept nutzt Toyota keinen Mildhybrid und auch kein Plug-in-System, sondern einen klassischen Systemhybrid, also ein HEV. Die elektrische Seite ist klein gehalten, liefert aber echtes Antriebsmoment. Der Elektromotor sitzt direkt im hinteren Transaxle vor dem neu entwickelten Achtgang-Automatikgetriebe und greift dort in den Kraftfluss ein, wo ein Biturbo-V8 naturgemäss Verzögerungen zeigt. Beim Anfahren liefert er sofortige Zugkraft, bevor die Turbos Druck aufbauen. Beim Schalten überbrückt er die kurze Drehmomentunterbrechung und stabilisiert den Kraftfluss. Bei Zwischengasmanövern kompensiert er Ladedruckverluste, damit der V8 auf Lastwechsel präziser reagiert. Die Batterie dient ausschliesslich als Puffer für diese kurzzeitigen Leistungsanforderungen und ist nicht für elektrische Reichweite ausgelegt.
Damit wird der Hybrid zu einem funktionalen Bestandteil des Antriebs, nicht zum Ersatz des Verbrenners. Der V8 bleibt das dominante Aggregat, der Elektromotor korrigiert lediglich die physikalischen Schwachstellen eines aufgeladenen Frontmotor-Layouts. Das Ziel ist nicht Effizienz, sondern Konsistenz. Nicht E-Fahren, sondern Reaktionszeit. Ein HEV als Performance-Werkzeug, nicht als Verbrauchslösung.


Wie viel Mechanik-Erotik darf ein GT heute noch haben?
Offenbar ziemlich viel. Das neue Achtgang-Automatikgetriebe mit Nassstartkupplung ist kein klassischer Wandlerautomat. Toyota setzt auf eine Kupplungseinheit, die den Kraftschluss unmittelbar herstellt und damit dieselbe direkte Reaktion erzeugen soll, die man üblicherweise von einem Doppelkupplungsgetriebe erwartet, allerdings ohne dessen thermische Empfindlichkeit. Während des Schaltvorgangs übernimmt der Elektromotor im Transaxle die Aufgabe, das kurzzeitige Abfallen des Drehmoments zu überbrücken, damit der Antrieb als ein durchgehender Kraftpfad wirkt und nicht wie eine Folge voneinander getrennter Segmente. Die Kombination aus mechanischer Kupplung und elektrischer Unterstützung soll schnelle Gangwechsel ermöglichen, ohne dass die Charakteristik eines hochbelastbaren Automatikgetriebes verloren geht.
Das gesamte System sitzt als kompakte Einheit an der Hinterachse und integriert Getriebe, Elektromotor, mechanisches Sperrdifferenzial und das Kegelrad zur Kraftumlenkung. Diese Architektur reduziert die Massenträgheit im Antriebsstrang, verbessert die Gewichtsverteilung und entlastet den Vorderwagen von Bauteilen, die dort thermisch und dynamisch störend wirken würden. Das Transaxle-Layout ist in dieser Form eher aus Hochleistungsfahrzeugen mit Frontmotor bekannt, aber im Volumenbau aussergewöhnlich. Gerade deshalb passt es exakt zu den Entwicklungszielen des GR GT, der ein möglichst stabiles und reproduzierbares Verhalten bei hoher Last erzielen soll.




Kann ein Toyota wirklich einen Vollaluminium-Rahmen bauen, der in Richtung GT3 geht?
Anscheinend ja. Toyota setzt beim GR GT erstmals auf einen vollständig aus Aluminium gefertigten Spaceframe, der nicht als Gewichtssparmassnahme gedacht ist, sondern als tragende Struktur mit definierten Kraftpfaden. Die Konstruktion kombiniert grosse Gussteile an den Punkten, an denen Lasten in den Rahmen eingeleitet werden, mit Strangpressprofilen, die hinsichtlich Torsionssteifigkeit und Biegesteifigkeit exakt ausgelegt sind. Ergänzend kommen CFK-Elemente zum Einsatz, die nicht für optische Zwecke verbaut werden, sondern als funktionale Panels zur Erhöhung der Gesamtsteifigkeit und zur Reduktion lokaler Schwingungen dienen. Das Entwicklungsziel ist klar: maximale strukturelle Steifigkeit bei möglichst geringer Masse.
Toyota erwähnt ausdrücklich, dass wesentliche Komponenten des Spaceframes mit dem zukünftigen GR GT3 kompatibel sein sollen. Das ist keine Marketingaussage, sondern ein Hinweis darauf, dass die Chassis-Architektur nach motorsportspezifischen Kriterien entwickelt wurde und nicht nach klassischen Vorgaben eines Strassenfahrzeugs. Eine solche Übertragbarkeit sieht man heute nur noch selten, da die meisten Serienplattformen auf Kostenoptimierung und Produktionsflexibilität ausgelegt sind. Der GR GT geht hier bewusst einen anderen Weg und nutzt Konstruktionsprinzipien, die näher am GT3-Reglement liegen als an üblichen Serienarchitekturen. Wie oft sieht man das heute noch?

Warum wirkt der GR GT wie ein Aerodynamik-Prototyp, der ein Serienauto geworden ist?
Beim GR GT wurde die Aerodynamik nicht an das Design angepasst, sondern umgekehrt. Die Entwicklung begann mit einem aerodynamischen Grundmodell, das im Windkanal definiert wurde und die idealen Druckverteilungen, Strömungspfade und Kühlluftführungen vorgab. Erst danach wurde die äussere Form des Fahrzeugs um diese funktionalen Vorgaben herum gestaltet. Die Frontpartie ist so ausgelegt, dass sie den Luftstrom gezielt komprimiert und in definierte Kanäle führt. Die seitlichen Öffnungen und Leitstrukturen dienen nicht optischen Zwecken, sondern stellen die Versorgung der Kühler und Bremsen sicher. Der Unterboden ist vollständig verkleidet und übernimmt einen grossen Teil der Abtriebserzeugung, wobei die Profile so geformt sind, dass sie Druckzonen entlang des Fahrzeugs effizient nutzen. Das Heck ist nicht primär auf eine bestimmte Silhouette ausgerichtet, sondern auf Strömungsstabilität und geringe Turbulenzen bei hohen Geschwindigkeiten.
Durch diesen Ansatz ergibt sich ein Fahrzeug, dessen aerodynamische Effizienz und thermische Stabilität Vorrang vor ästhetischen Überlegungen hatten. Das Ergebnis ist ein Design, das stark von Strömungsmechanik geprägt ist und weniger von klassischen Proportionen oder stilistischen Akzenten. Genau dieser Fokus macht den GR GT zu einem Auto, das in erster Linie aerodynamische Ziele erfüllt und nicht visuelle Trends bedient.





Wird er fahren wie ein GT oder wie ein Rennwagen für die Strasse?
Toyota hat beim GR GT ein klar definiertes Fahrverhalten als Ziel, das auf Linearität, Vorhersehbarkeit und hohe Kontrollierbarkeit ausgelegt ist. Die Basis bildet ein neu entwickelter Doppelquerlenker-Aufbau an beiden Achsen, der so tief in den Spaceframe integriert wurde, dass die Chassisstruktur offensichtlich um die Aufhängung herum konstruiert wurde und nicht umgekehrt. Die Querlenker bestehen aus geschmiedetem Aluminium, was einerseits das ungefederte Gewicht reduziert und andererseits die Steifigkeit erhöht, damit die Kinematik unter Seitenlast nicht nachgibt. Die Geometrie ist so abgestimmt, dass Spurwinkel und Sturzwerte auch bei hohen Querkräften stabil bleiben, was insbesondere bei Hochgeschwindigkeitswechseln entscheidend ist. Als Reifen setzt Toyota auf einen speziell für dieses Modell entwickelten Michelin Pilot Sport Cup 2, der auf das geringe Fahrzeugprofil und die hohe laterale Belastung abgestimmt ist. Die Bremsanlage besteht aus gross dimensionierten Carbon-Keramik-Komponenten von Brembo, die eine hohe thermische Belastbarkeit gewährleisten sollen und im Ansatz eher dem GT3-Reglement als einem klassischen Strassen-GT entsprechen. Die Stabilitätskontrolle ist mehrstufig ausgelegt und soll dem Fahrer definierte Eingriffscharakteristiken bieten, statt lediglich ein einfaches Ein- oder Ausschalten zu erlauben.
Im Vergleich zum Lexus LC500, der mit seinem 5,0-Liter-Saugmotor und einem erheblich schwereren Stahl-Aluminium-Mix-Chassis eher auf Gran-Turismo-Komfort und breite Einsatzbereiche ausgelegt ist, verfolgt der GR GT nun einen deutlich sportlicheren Ansatz.


Was bleibt nach all dieser Technik?
Was bleibt nach all dieser Technik? Ein Gefühl. Das Gefühl, dass Toyota hier etwas baut, das es in dieser Form eigentlich nicht mehr geben sollte. Ein GT, der nicht für Märkte, sondern für Menschen entsteht. Für Menschen, die wissen, was sie hinter dem Lenkrad spüren wollen und was sie eben nicht wollen.
Dazu passt auch der Innenraum. Er ist nicht futuristisch, nicht verspielt und nicht von Bildschirmen dominiert. Toyota konzentriert sich auf die Fahrposition, die Übersicht und die Bedienbarkeit. Die Anzeigen sind so platziert, dass sie bei hoher Querbeschleunigung ablesbar bleiben, und ihre Grösse, Höhe und Blickwinkel wurden iterativ festgelegt, wie man es sonst eher aus dem Motorsport kennt. Alle relevanten Schalter liegen in unmittelbarer Nähe zum Lenkrad und sind so geformt, dass man sie ohne visuelle Kontrolle bedienen kann. Die Ergonomie folgt dabei nicht ästhetischen Prinzipien, sondern der Aufgabe, dem Fahrer unter Belastung klare Rückmeldungen und minimale Ablenkung zu bieten. Es ist ein Cockpit, das bewusst auf Funktion optimiert wurde und nicht auf Ambience.





Ein Auto, das Mechanik wieder in den Mittelpunkt stellt. Ein Auto, das in einer Zeit softwaredominierter Fahrzeuge bewusst Hardware in den Vordergrund rückt. Ein Auto, das nicht versucht, perfekt zu wirken, sondern ehrlich zu funktionieren. Wenn Toyota das alles einhält, was dieser Prototyp verspricht, wird der GR GT vielleicht ein Denkmal für fahrerorientierte Sportwagen am Rande dessen, was heute noch möglich ist.
Zu Preis und Verfügbarkeit des GR GT gibt es derzeit keinerlei offizielle Angaben. Toyota hat weder eine Preisspanne kommuniziert noch bestätigt, wann und in welchen Märkten das Modell homologiert oder bestellbar sein wird. Auch für die Schweiz liegen aktuell keine Informationen vor. Fest steht nur, dass der GR GT frühestens gegen Ende der Entwicklungsphase, also näher am geplanten Marktstart 2027, konkretisiert wird.
Toyota GR GT – technische Daten (vorläufige Entwicklungsziele)
| Kategorie | Angabe |
|---|---|
| Länge | 4.820 mm |
| Breite | 2.000 mm |
| Höhe | 1.195 mm |
| Radstand | 2.725 mm |
| Karosseriestruktur | Vollaluminium-Rahmen |
| Karosserieteile | Aluminium + CFK |
| Sitzplätze | 2 |
| Fahrzeuggewicht | 1.750 kg oder weniger |
| Gewichtsverteilung | 45 % vorne / 55 % hinten |
| Motorbauart | 4.0-Liter V8 Twin-Turbo |
| Hubraum | 3.998 ccm |
| Bohrung x Hub | 87,5 × 83,1 mm |
| Schmierung | Trockensumpf |
| Hybridsystem | Transaxle-integrierter Single-Motor-Hybrid |
| Getriebe | Neu entwickelte 8-Gang-Automatik mit Nassstartkupplung |
| Antrieb | Frontmotor, Hinterradantrieb |
| Max. Systemleistung (Ziel) | 650 PS oder mehr |
| Max. Systemdrehmoment (Ziel) | 850 Nm oder mehr |
| Höchstgeschwindigkeit (Ziel) | 320 km/h oder höher |
| Vorderachse | Doppelquerlenker mit Schraubenfeder |
| Hinterachse | Doppelquerlenker mit Schraubenfeder |
| Bremsen vorne | Karbon-Keramik-Scheibenbremse |
| Bremsen hinten | Karbon-Keramik-Scheibenbremse |
| Reifengrösse vorne | 265/35 ZR20 |
| Reifengrösse hinten | 325/30 ZR20 |
