Bigger is better? Nicht immer, aber manchmal schon. Der neue BMW X7 M60i xDrive (G07) möchte sich hierzulande mit dem Range Rover und Mercedes-Benz GLS messen. Ob ihm das gelingt? 530 PS und 750 Nm stehen bereit. Einsteigen und los.
In den USA fahren viele Fahrzeuge auf den Strassen, deren Namen wir hier noch nie gehört haben. Die meisten gehören der „Full-Size-SUV“ Kategorie an und verfügen über drei Sitzreihen. Beispiele gefällig? Chevrolet Tahoe, GMC Yukon, Chevrolet Suburban, Jeep Wagoneer, Ford Expedition, Nissan Armada, Toyota Sequoia. Keiner davon wird hier offiziell verkauft. Doch der X7 ist zu klein für deren Liga. Er spielt eine Klasse darunter und wird vom US Magazin „Car and Driver“ mit folgendem Fazit abgestempelt „A tight third row and compromised cargo space mean the 2024 BMW X7 isn’t the best family hauler, but it’s by far the fanciest and the best to drive.“ (Quelle) – Zu klein für die USA, zu gross für Europa?
Nicht wirklich. Der aktuelle BMW X5 ist breiter als unser Testkandidat (X7: 200,0cm ohne Spiegel, X5: 200,4cm ohne Spiegel), dafür ist der X7 um 24,6 cm länger. Die Länge stört im Fahrbetrieb deutlich weniger als die Breite, denkt man da an Einfahrten von Parkhäusern oder das Kreuzen auf schmalen Landstrassen. Natürlich braucht der Fahrer von einem X7 oder auch X5 schmale Innenstadtparkplätze nicht mal anschauen, aber da ist die +2 Überlänge auch nicht schuld. Diese sind leider einfach nicht mitgewachsen über die letzten Jahrzehnte.
Der X7 hat in unserer Konfiguration 3 Sitzreihen à je 2 Sitze. Die Rücksitze sind mit Kopfkissen und individuellen Armauflagen auf Luxuslimousinen-Level und haben dazwischen einen schmalen Gang zur dritten Sitzreihe. Doch wir sitzen lieber vorn. Genauer, vorne links.
Da gibt es viele gute Nachrichten. Im Fahrbetrieb ist der BMW X7 M60i xDrive eine Wohltat, schnell, übermässig Drehmoment, sehr komfortabel und jegliches Wanken hat man ihm ausgetrieben. Schon nach wenigen Metern ist klar, warum BMW die rollende Provokation „BMW XM“ auf dieser Basis gebaut hat. Die aktive Wankstabilisierung hat dank 48-Volt-Mild-Hybrid-Technik richtig viel Kraft die Karosse in Kurven zu stabilisieren und hilft gleichzeitig auch dem Motor.
Der 4,4 Liter grosse V8-Benzinmotor leistet 530 PS und ein maximales Drehmoment von 750 Nm. Der Mildhybrid, also ein in das Getriebe integrierter Kurbelwellen-Startergenerator, steuert eine Zusatzleistung von 12 PS sowie ein zusätzliches Drehmoment von 200 Nm, welches dafür sorgt, dass das Gewicht bei Zwischensprints kaum mehr auffällt und der Motor erfrischend dynamisch losstürmt, trotz der halben Fussballmannschaft im X7. Die „Tschutter“ würden frühestens bei der ersten Kurve, die der Stürmer auf dem Fahrersitz deutlich zu sportiv für einen solchen Koloss durchfährt, ihr Wunder von München erleben.
Ohne grosse Erwartungen bin ich mit dem X7 über die Sportwagen-Benchmark-Strecke gefahren und mit Erstaunen und Verwunderung über die Dynamik wieder zurückgekehrt. Egal ob Kuppe, Senke, Kurve in der Senke oder Welle vor dem Kurveneingang, der X7 hat mit seinem langen Radstand, der imposanten Walzen (315/30 R23) und der starken Wankstabilisierung die Strasse in beeindruckender Art und Weise gemeistert.
Trotz der 23-Zöller von den wir natürlich, dem Komfort zuliebe, abraten würden, rollt der X7 als M60i softer ab, als der kürzlich getestete Range Rover und hat gleichzeitig sportlich die Nase weit vorn. Die Integral-Aktivlenkung passt ihre Rückmeldung adaptiv an Geschwindigkeit, Fahrprogramm und weiteren Parametern an, so dass nie ein Gefühl aufkommt, als könnte man den X7 mit dem kleinen Finger um eine Kurve dirigieren. Wirkliche Rückmeldung zur Asphaltbeschaffenheit kann sie jedoch auch nicht liefern, ist jedoch immer schön direkt.
Aussencheck. Vorne ist das Facelift besonders markant und ein echter „Head-turner“. Erstmals werden im neuen BMW X7 zweigeteilte Scheinwerfereinheiten eingesetzt, ganz wie im Limousinen-Bruder 7er. Ausgelagerte horizontale LED-Lichtelemente im oberen Bereich der Front sind für das Positions- und Tagfahrlicht sowie die Fahrtrichtungsanzeiger zuständig. Die darunter angeordneten LED-Einheiten für Abblend- und Fernlicht rücken mit ihrem dunklen Gehäuse und der tief in die Frontschürze eingebetteten Position optisch in den Hintergrund und treten erst in aktiviertem Zustand in Erscheinung. Die neuen adaptiven Matrix-LED-Scheinwerfer mit blendfreiem Fernlicht und adaptiver Lichtverteilung übernehmen mit ihrem automatischen Schlechtwetterlicht jetzt auch die Funktion der Nebelscheinwerfer.
Die riesige Niere ist „natürlich“, dank „Iconic Glow“ bei der Fahrt und im Start beleuchtet. Hinten und seitlich ist nicht viel passiert. Neu sind am Heck dreidimensional modellierte und besonders flache Leuchteneinheiten mit einem interessanten Muster. Besonders bei meiner Fotorunde fand ich immer wieder spannende Details am Fahrzeug, die das vermeintlich biedere kastenförmige Design von der Seite und dem Heck deutlich aufpeppen.
Innen wird der Reisekomfort erneut unterstrichen. Ein grosses, beleuchtetes Panoramadach das bis über die Mitte vom Fahrzeug geht, reicht nicht aus, selbst die dritte Sitzreihe hat ihr eigenes kleines Panoramadach. Hochfloor-Fussmatten erinnern erneut an Luxuslimousinen, die BMW Individual Volllederausstattung in Elfenbeinweiss & Atlasgrau wäre nicht mein Fall, aber macht ihrem Namen alle Ehre. Leder wohin das Auge reicht, wunderschön verarbeitet. Sucht man einen Kritkpunkt, könnte man sich an gewissen Tasten stören. Die Lenkradtasten, die Tasten für das Sitzmemory oder die Verstellhebelchen für die Klimadüsen sind in der Liga von diesem Fahrzeug mit CHF 196’510 Kaufpreis etwas unterdurchschnittlich.
Das optionale Bowers & Wilkins Diamond Surround Sound System mit zwei Diamant-Hochtönern bietet absolut hervorragende Klangqualität, die in diesem grossen Fahrzeug auch wunderbar zur Geltung kommt. 20 gezielt positionierte Lautsprecher sorgen mit einer Gesamtleistung von 1475 Watt für ein faszinierendes Hörerlebnis.
Fahrassistenten sind erwartungsgemäss alle Gängigen an Bord und bieten auch fortschrittliche Details, wie eine zweistufige Toleranz bei der prädikativen Geschwindigkeitsanpassung des Tempomats. Das BMW Operating System 8 mit dem neuen BMW Curved Display sind in der Bedienung weiterhin führend und kombinieren iDrive Bedienung über die Mittelkonsole mit Touchscreen – ganz wie es der Fahrer möchte oder der Verkehrssituation angepasst nutzen kann – perfekt.
Fazit:
Zu gross für Europa oder zu klein für woanders, das ist reisserische Schubladisierung. Der X7 ist der praktischere X5 wenn die Hebamme zum Hattrick oder Quattrick gerufen wurde. Als M60i wunderbar über-engineered, so dass man Lust auf den daraus resultierenden XM bekommt.
Der Verbrauch lag im sportlichen Schnitt bei 13,5 Liter Benzin / 100 km. Auf der Schweizer Autobahn bei gemässigter Fahrweise sind auch <9.5 Liter Benzin / 100 km möglich. Der Basispreis für den BMW X7 M60i liegt bei CHF 158’300.-. Unser Testwagen mit optionaler Aussenfarbe „BMW Individual Ametrin Metallic“ liegt bei CHF 196’510.-.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
BMW Individual Tansanitblau Metallic, 22″ M LM-Räder Doppelspeiche 913 M Bicolor/MB und NLE, Edelholz Fineline schwarz mit Metalleffekt hochglänzend, M Hochglanz Shadow Line mit erweiterten Umfängen, Entfall Modellschriftzug
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