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Mercedes-AMG C 63 S E Performance T-Modell im Test: Vier gewinnt!(?)

Wenn das Hybridsystem auf die höchste Stufe eingestellt ist, verfügt der C63 S über eine Gesamtleistung von 500 kW und 1020 Nm. Das sind 125 kW/320 Nm mehr als beim alten V8-C63 W205 und deutlich mehr als ein Audi RS4 (331 kW/600 Nm) oder ein BMW M3 Competition (375 kW/650 Nm). AMG nennt das Setup des C63 einen P3-Hybrid und ergänzt den Benzinmotor mit einer 6,1-kWh-Batterie und einer elektronischen Antriebseinheit, die einen E-Motor mit einem eigenen Zweiganggetriebe und einem elektronisch gesteuerten Sperrdifferenzial über der Hinterachse kombiniert. Doch alles der Reihe nach …

Der Test beginnt..
Unseren Testwagen holen wir an einem sonnigen Mittwochmorgen bei Mercedes in Schlieren ab. Am Standort arbeiten ganze 350 Personen, einer davon ist Silvan. Wenn man in den ersten 2 Minuten des Gesprächs schon über das Design der neuen Lüftungsschlitze diskutieren kann, merkt man eins sofort: Silvan ist Fan, einer von uns. So sehen wir uns auch gleich an den Ort des Geschehens versetzt. Parkplatz im 1. OG. Mit Steckdose.

Der neue C63 (nun neu «S E Performance»), ist als T-Modell bereits von aussen eine Wucht. Optisch bleiben uns, abgesehen von den zu wenig ausgestellten Schwellern an der Hinterachse, keine Wünsche offen. Proportionen in Perfektion, satter Stand, stimmige 20 Zoll Räder und ein Powerdome, das verspricht, man meine es ernst. Auch der Lack (Spektralblau metallic) gefällt uns ausgesprochen gut. Kaum im Wagen Platz genommen, werden wir freundlich begrüsst und man interessiert sich für uns, sehr sogar. MercedesMe möchte sich verbinden, was auch gleich auf Anhieb funktioniert. Die proprietäre App gezückt, und schon ist man am Start. Überhaupt ist das Interieur das, was wir uns vorstellen. Tolle Linien ohne verkünstelt zu wirken, minimalistisch genug um nicht als überladen zu gelten und noch immer eines der schönsten Lenkräder aller Hersteller, Punkt.

Mercedes hat wie gewohnt vieles richtig gemacht, dort weiterentwickelt, wo es sinnvoll ist und nur weniges verschlimmbessert. Zwar erschliessen sich uns die Vorteile einer graduellen Touchregelung (beispielsweise für den Tempomat oder die Lautstärke) nicht wirklich, war der ehemalige Hebel oder zumindest der Button doch funktional 1A zu bedienen. Aber dafür wurde erneut bei der Sprachsteuerung deutlich zugelegt. Hat sich mein C43 (s205) in seiner Ignoranz noch lediglich durch fixe Einzelbegriffe zu Aktionen motivieren lassen, so ist es hier wirklich eine andere Welt. Egal wie Sätze formuliert werden, die Intention wird erstaunlich zuverlässig verstanden und notfalls sinnvoll nachgefragt. So dürfen wir alle beruhigen, die wie wir bewährte Bedienkonzepte geliebt und Touch eher hinterfragt haben – Die Sprachmodelle funktionieren und werden wohl die Zukunft sein. Ganz ohne Fettflecken, auch mal schön.

Fahreindrücke aus normaler und sportlicher Fahrt
Wir starten den Motor. Nichts passiert. Gar nichts? Nun, das Display leuchtet schon mal und MercedesMe ruft verzweifelt nach einer Anmeldung, die wir selbstverständlich ignorieren. Keine Zeit für Schabernack, es ist OneMoreLap-Time. Spätestens beim zweiten Anlauf weiss man dann: wir sind startklar, der Motor läuft, Batterie liefert. Zwar lautlos, aber durchaus dynamisch setzen wir uns in Bewegung. Wir cruisen aus der Stadt, verlassen den Trubel und geniessen den graduellen Übergang von viel zu wenig Mensch.

Alles elektrisch, geräuschlos und ehrlich gesagt ziemlich entspannt. Kaum am Ortsausgang vorbei, schalten wir auf Race. Modi gibt es viele, in Summe acht, aber warum zuerst einen Haferkeks essen, wenn die Schwarzwälder Torte schon da steht? Also fix über den gut platzierten Drehregler am Lenkrad eingestellt und ab dafür. Das Display wird böse, das Fahrwerk straff und das Verbrennungsaggregat zum Leben erweckt. Weltuntergangsstimmung entsteht zwar nicht, auch springen keine Katzen auf die Bäume, aber man merkt Präsenz. Spätestens beim Druck aufs Gas ist klar: Der C63 macht performanceseitig keine Gefangenen. Längsdynamisch vom Zusatzgewicht keine Spur und auch bei den Kategorien Ansprechverhalten (E-Turbo, Liebe auf den ersten Kick) und Durchzug besteht kein Zweifel – die neue C-Klasse ist seinem Vorgänger deutlich überlegen.

Erstaunlicherweise macht der Wagen auch in den Kurven eine erschreckend gute Figur. Zwar sind die zusätzlichen Kilos spürbar, aber keinesfalls so stark wie erwartet. Und speziell in den engen Bögen fällt auf: Die Hinterachslenkung ist gold! Sie ist der Quell direkter, gefühlter Dynamik und vermittelt den Eindruck, dass man die Rückbank im Kombi eingespart hätte. Die kräftig zupackende 6-Kolben Hochleistungsbremsanlage tut ihr Übriges, sodass sich in Summe einmal mehr zeigt, wie gut es die Ingenieure aus Stuttgart verstehen, mit immensem technischem Aufwand unsere Sinne zu täuschen.

Das Ergebnis ist nicht die reine Materialschlacht an hochwertigen Teilen, sondern auch ein hochkomplexes System zur Harmonisierung beider Antriebswelten, dessen Existenz man dem Fahrer möglichst zu verheimlichen versucht. Klappt auch sehr gut, bis auf eine kurze Phase: Bei Volllast und ca. 135 km/h ist ein deutlicher Unterbruch der Schubkraft wahrnehmbar. Wir vermuten, verursacht durch den Gangwechsel des Elektromotors. Ein wenig befremdlich, einen Verbrenner würde man bei einem solchen Verhalten wohl recht schnell zum Check in die Werkstatt bringen.

Technik und Antrieb
Sowohl die Batterie als auch die Antriebseinheit werden von AMG selbst entwickelt und gebaut und die Art und Weise, wie sie ihre Leistung entfalten, ist recht clever. Der Akku selbst wiegt nur 89 kg und das wahre Geniale liegt in der Art und Weise, wie er gekühlt wird. Jede der 560 Zellen wird einzeln von einer neuen, nicht leitenden Kühlflüssigkeit umströmt, die dafür sorgt, dass der Akku eine konstante Temperatur behält und seine Energie entfalten und anschliessend superschnell wieder aufladen kann. Genau wie beim neuen C43 wird die Turbine im Turbo des C63 sowohl durch Strom als auch durch Abgas angetrieben, um Verzögerungen zu reduzieren und das Ansprechverhalten zu verbessern, aber das Verdichterrad selbst ist von 63 mm auf 71 mm gewachsen.

Die Breite ist um beträchtliche 76 mm gestiegen, aber die zusätzlichen 83 mm in der Gesamtlänge sind noch bedeutsamer. Der Radstand ist um 10 mm gewachsen, aber der grösste Teil der zusätzlichen Länge des C63 wurde vor der Vorderachse angebracht, um die Leistung des neuen 2,0-Liter-Vierkolbenmotors und seiner unterstützenden elektrischen Kühlaggregate hinsichtlich Verpackung und Kühlung zu verbessern. Der Antriebsstrang selbst ist ein herausragendes Stück Ingenieurskunst. Der Kernblock ist derselbe 2,0-Liter-M139-Motor, der auch den A45 antreibt, aber im C63 ist er längs eingebaut und die Grösse des Turbos wurde vergrössert.

Motor: 2,0-Liter-4-Zylinder-DOHC-Motor mit 16 V, Turbo und Elektromotor
Kompression: 9,0:1
Leistung und Drehmoment: 500 kW / 1020 Nm (kombiniert)
Batterie: 6,1 kWh
Der Verbrennungsantrieb allein leistet: 350 kW/545 Nm

Laut den AMG-Ingenieuren liegt das genau an der Grenze dessen, was der 2,0-Liter-Motor leisten kann. Wenn man das Hybridsystem mit einbezieht, beginnen die Zahlen enorm zu werden. So viel zur Technik!

Komfort und Platz im Innenraum
Wie sieht dieser völlig andere C63 aus und wie fühlt er sich an, wenn man sich ihm mit dem Schlüssel in der Hand nähert? Auf den ersten Blick wirkt er tatsächlich beruhigend vertraut. Optisch erfüllt der C63 genau das, was man erwartet. Es ist breit, wütend und muskulös. In der Lackierung unseres Testers ist er ein echter Hingucker. Der Innenraum ist gemütlich und reichhaltig ausgestattet und legt dank seiner digitalen Instrumente und des grossen 11,9-Zoll-Hochformat-Zentralbildschirms auch Wert auf Technik und Glamour.

Es gibt auch jede Menge C63-spezifische Details. Das Design des mit Alcantara bezogenen Lenkrads ist einzigartig und mit so vielen Tasten, Wählscheiben und Touchpads ausgestattet, dass es sich wie eine Mini-Kommandozentrale anfühlt. Die stark gepolsterten vorderen Schalensitze sind ebenfalls ein neues Design mit ausgehöhlten Abschnitten hinter den Nieren. Auch die Sitzposition ist super. Insgesamt fühlt sich der Innenraum ausgesprochen sportlich und luxuriös an, und da er auf einer normalen W206-C-Klasse basiert, lässt er auch bei den Grundlagen nicht nach. Der zentrale Stauraum ist praktisch gross, die Türtaschen sind grosszügig, es gibt vier USB-C-Ladeanschlüsse und der Rücksitz ist geräumig und bequem genug für Erwachsene auf langen Reisen. Lediglich einige minderwertige Kunststoffteile an Teilen des Armaturenbretts und billig wirkende Blinkerhebel trüben das allgemeine Ambiente ein wenig.

Alltagsfahrt & Komfort
Wenn man beginnt, den W206 C63 zu fahren, fühlt er sich ein wenig fremd an. Auf den Pin treten und man springt nicht mit dem üblichen V8-Bollern nach vorne. Stattdessen gleitet man lautlos und mühelos vorwärts. In einem so schweren Auto – das Leergewicht ist um 420 kg auf über 2,1 Tonnen gestiegen – könnte man meinen, dass sich der C63 im „elektrischen“ Modus angesichts seiner maximalen Leistung von 150 kW etwas lethargisch anfühlen könnte, aber im Schnitt- und Schubbetrieb … Die Beschleunigung des Stadtverkehrs erfolgt schnell und unmittelbar.

Erst wenn wir den Fahrmodus-Regler auf „Komfort“ drehen und weiter aufs Gaspedal treten, erwacht der Verbrennungsmotor. Dies geschieht mit einem hörbaren Husten, der Übergang vom Elektro- zum Hybridantrieb verläuft jedoch bemerkenswert reibungslos. Genau, es ist Zeit zu sehen, wie sich 500 kW/1020 Nm tatsächlich anfühlen. Da der Verkehr auf dem Weg durch den Schwarzwald langsam dünner wird, warte ich auf ein gerades Stück, schalte den Sport+-Modus (Electric, Comfort, Battery Hold, Sport, Sport+, Race, Glätte und Individual) ein und schaffe es. Der C63 schlingert eifrig vorwärts, aber er ist nicht ganz so wild, wie ich erwartet hatte. Bei so viel Grunzen beim Tippen dachte ich, dass sich der C63 bei Vollgas wie ein knurrendes, zappelndes Tier anfühlen würde – aber seltsamerweise fühlen sich die ersten paar Schläge bei Vollgas nicht wirklich unverschämt schnell an.

Was man sofort bemerkt und schätzt, ist der verbesserte Fahrkomfort. AMG hat den neuen C63 mit dem gleichen hochentwickelten Zweirohr-Dämpfungssystem wie das Flaggschiff AMG GT Black Series ausgestattet und dieses neue Auto verfügt über eine Finesse, Kontrolle und Geschmeidigkeit, die der stahläugige und spröde W205 nie bieten konnte. Es gibt drei Einstellungen für die Dämpfer – Comfort, Sport und Sport+ – und es ist sofort klar, dass Comfort die beste Einstellung für Strassenfahrten ist. Sport und Sport+ sind sicherlich nicht nervig, aber auf holprigen Schwarzwaldrouten gibt es spürbar mehr vertikale Bewegung und Federung, mit denen man zu kämpfen hat.

Der Klang
Was ist das, worüber sich die meisten Menschen Sorgen machen? Der Lärm. Der nasse, gurgelnde Leerlauf- und tonnenschwere Soundtrack des alten 4,0-Liter-Motors war so zentral für die Attraktivität und Identität des C63, dass es für AMG von entscheidender Bedeutung ist, dem neuen Vierzylinder einen aufregenden Soundtrack zu entlocken. Und der erste Eindruck ist etwas enttäuschend. Da der C63 seinen Block mit dem A45 S teilt, hatte ich erwartet, dass er wie eine noch wütendere Version von AMGs Hyperhatch klingen würde – aber der C63 ist leiser und kultivierter. AMG sagt, das sei sehr bewusst. Die Änderung der Ausrichtung des Motors und der Einbau eines grösseren Turbos haben zu einigen mechanischen Unterschieden im Geräusch des C63 im Vergleich zum A45 geführt, aber die Abgasabstimmung selbst soll hochwertiger und raffinierter sein.

So treten wir den Heimweg an, 45 Minuten im alltäglichen Mix aus Autobahn, Landstrasse mit ein bisschen Innenstadt, und der Wagen macht es prima. Die Displayauflösung, gepaart mit der grossen Anzahl möglicher individueller Darstellungen, begeistert und auch das Soundsystem (Burmester 3D-Surround) lässt unser Spotify-Streaming im besten Licht erscheinen. Die Sportsitze sind bequemer als das Schalenmodell seines Vorgängers, packen aber wie gewohnt genug zu, um einen in keiner Situation zweifeln zu lassen, dass man auch auf der Rennstrecke nicht wie ein Schluck Wasser in der Kurve hängen würde. Alles fühlt sich harmonisch an, state-of-the-art und so, wie wir es uns erhofft und ehrlich gesagt auch erwartet haben.

Aber was ist mit den inneren Werten? Wir wollen an dieser Stelle nicht zu sehr ins Katalog zitieren abdriften. Dafür gibt es andere Magazine, das Internet und ganz ehrlich, Freunde: Es ist 2024 – fragt doch einfach ChatGPT. Wir wollen erfahren, was zwischen den Zeilen zu finden ist, das Feeling vermitteln, das entsteht, wenn man nach einem strengen Tag im Office den grösstmöglichen Umweg nach Hause wählt und es einen über die kleineren Hügel der Sonne entgegenzieht. Wie viel Dynamik steckt in diesem T-Modell, das über die Generationen hinweg stetig an Aussenmassen und Gewicht zugelegt und in dieser Ausbaustufe sein vorläufiges Maximum erreicht hat? Ist das noch sportlich, noch dynamisch, noch AMG?

Fazit
Performance in Reinkultur. Und so finden wir uns nach einem rational betrachtet wunderbar unnötigen 60-Minuten-Trip in der heimischen Garage wieder. Geflasht vom Kontrastprogramm dieses Wagens. Zum einen technisch begeistert ab der Erkenntnis, welch grosse Spreizung den Jungs aus Stuttgart gelungen ist. Den Spagat zwischen Ballkönigin und Football-Linebacker meistert der neue C63 so gut wie keiner seiner Vorfahren. Zum anderen aber auch etwas wehmütig, wenn man am nächsten Morgen im vom Kollegen (rein zu Testzwecken versteht sich…) geliehenen C63 S204 den Knopf drückt und der Kaltstart gefühlt ein Loch in die Wand reisst. Prädikat: historisch wertvoll.

Über den Sound unseres Testwagens lohnt es sich nicht gross zu sinnieren. Der 4-Zylinder ist technisch ein Meisterwerk, zumindest soundmässig aber im Vergleich zu radikaleren Ansätzen, wie sie u.a. von Lotus oder Alfa Romeo zelebriert wurden, ein zahmes Lamm. Angereichert durch Soundaufnahmen (innen und aussen) hat man versucht zu retten, was zu retten ist, geholfen hat es nicht viel.

Was hätten wir uns also gewünscht? Etwas Mut. Etwas Mut, eine härtere Entscheidung zu treffen. Etwas Mut, den antriebstechnisch fragwürdigen Zwischenschritt auszulassen und den C63 gleich als vollelektrisches Fahrzeug zu bringen. Viel Diskussionspotential hätte sich in Luft aufgelöst, wenn man nicht versucht hätte, etwas zu sein, das man nicht ist. Die Elektromobilität als aktuelle Stossrichtung zu betrachten und klar zu kommunizieren, dass es ist, wie es ist: Mercedes wird elektrisch. Oder aber: Etwas Mut anzuerkennen, dass die politische Meinung zumindest aktuell wenig Deckungsgleichheit aufweist mit der der Kunden, und nochmals ein V8-Feuerwerk zu zünden. Wohlwissend, dass es das letzte sein wird. Ein Abgang mit Knall, der in Erinnerung bleibt und in der nächsten Generation das bringt, was sich die Politik wünscht und die breite Masse akzeptieren muss: Fahren mit Strom. Leise, aber sauschnell.

Der Verbrauch lag im sportlichen Schnitt bei 11,4 l / 100 km. Der Basispreis für den Mercedes-AMG C 63 S E Performance T-Modell liegt bei CHF 145’000.-. Unser Testwagen mit Aussenfarbe “Spektralblau Metallic” liegt bei CHF 172’952.-.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Spektralblau Metallic, AMG Night-Paket II, AMG Aerodynamik-Paket, 50,8 cm (20″) AMG Leichtmetallräder im Kreuzspeichen-Design, AMG Performance Sitz-Paket High-End

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