Keine Historie, keine ikonische Form und trotzdem: Der AMG GT kam, sah und siegte bei seiner Markteinführung. Wir fahren nun den Mercedes-AMG GT C Roadster als Facelift und schauen uns an, ob er noch immer auf der Siegerstrasse unterwegs ist.
Einsteigen, Sonnenbrille auf und los.
Rückblende in das Jahr 2015. Wir fahren den Mercedes-AMG GT S als Vorfacelift. Ein wunderbarer Sportwagen. Schnell, emotional, nicht unkomfortabel und gleichermassen ein Infotainment aus der Mercedes-Benz-Grossserie. Doch der Druck war hoch, der AMG GT sollte ein Erfolg werden. Dazu wurden viele Fahrzeuge in den Markt gepresst, sei es über günstige Leasingangebote oder Barkauf-Rabatte. Die Quittung: Ein überdimensionaler Wertverlust im Vergleich zum Hauptkonkurrenten aus Zuffenhausen.
Etwas später kamen bereits der AMG GT R und der AMG GT C. Der AMG GT R hatte es auf das 911 GT3 Klientel abgesehen, während das C in «AMG GT C» nicht etwa für «Convertible» stand, sondern, vereinfacht gesagt, die breite Karosserieform des GT R mit etwas weniger Leistung und strassentauglicherer Dämpferabstimmung verschmelzen liess. Zudem gab es ab sofort auch eine offene Version des AMG GT, kurzfristig sogar auch als Mercedes-AMG GT R Roadster. 2019 kam dann das Facelift und ein verschärfter AMG GT R Pro.
Doch zurück zum GT C Roadster. Drücken wir den Startknopf. Der 4,0-Liter-V8-Biturbomotor mit Trockensumpfschmierung meldet sich stimmgewaltig zu Wort. Wir rollen aus der Tiefgarage. Es ist ein sonniger Herbsttag im September. Das Stoffverdeck senkt sich innert 11 Sekunden und bei Geschwindigkeiten von bis zu 50 km/h.
Das 7-Gang-Doppelkupplungsgetriebe lässt beim Anfahren einen Ruckler durchs Auto gehen. So soll das sein, wir wollen ja nicht den Gedanken aufkommen lassen, dass hier ein seidenweicher Wandler arbeitet. Der interaktive Drehschalter am Lenkrad zeigt den violetten Individual-Modus. Die Dämpfer in Komfort, die Auspuffklappen geöffnet, der Heckspoiler eingefahren und das Getriebe im Automatikmodus. Das perfekte Cruiser-Setup um etwas Temperatur in die Michelin Pilot Sport CUP2 zu bringen. Kalt sind diese sehr tückisch.
Die Sonne erwärmt die Wangen und die Stirn. Der Wind streift leicht über die Oberseite des Kopfes. Der Achtzylinder summt seine Melodie präsent und brabbelig. Jeder leichte Gasstoss wird mit einer sonoren, bassigen Note belohnt. Im Marketingbereich würde man nun von einer «USP» (Unique Selling Proposition), also einem Alleinstellungsmerkmal der AMG-Modelle sprechen. Zwar kennen wir den Motor auch aus dem C 63 S AMG Convertible, aber hier ist er als Frontmittelmotor angeordnet und mit dem hinten sitzenden Doppelkupplungsgetriebe in Transaxle-Anordnung verbunden.
Die Landstrassen werden verwinkelter, kurviger und anspruchsvoller. Drehen wir kurz am Lenkradschalter und wechseln von Individual auf Sport+. Die Dämpfer werden etwas zu straff, sodass wir diese auf «Sport» zurückstellen. Nun ist das Setup für eine sehr zügige Landstrassenhatz perfekt. Zurückschalten. Die AMG Performance Abgasanlage lässt einige Salven ab. Abbremsen. Die AMG Keramik Hochleistungs-Verbundbremsanlage schmeisst einen Anker an den nächsten Baum und verzögert radikal.
Einlenken und das Gaspedal fein streicheln. Der GT C Roadster schickt Kraft auf die Hinterachse und wirkt durch die Allradlenkung noch direkter, als die nach-hinten-gezogene-Sitzposition, sonst schon vermittelt. Vollgas braucht es so gut wie nie. Das Datenblatt verrät: 557 PS bei 5750- 6750/min und 680 Nm bei 2100- 5500/min. Besonders der tiefanliegende Berg an Drehmoment ist auf der Landstrasse zwar nützlich, doch gleichermassen kann man im Rahmen des Strassenverkehrsgesetzes die Gänge nie wirklich hoch- oder ausdrehen.
Dazu kommt die Breite des GT C Roadsters. Er ist durch die GT R Verbreiterungen ungefähr 7 cm breiter als ein normaler AMG GT (1935 mm zu 2007 mm) und somit knapp über 2 Meter breit (ohne Aussenspiegel gemessen). Das ist leider arg limitierend auf dynamisch geformten Landstrassen. Ein 992 Turbo ist trotz Allrad fast 10cm schmaler. Schade.
Doch nichtsdestotrotz, der AMG ist ein Prachts-Roadster. Wir beschleunigen an einer Felswand entlang und schalten die Gänge durch. Das Trommelfell bebt vor Freude und das Herz rast vor Glück. Der AMG macht so viel richtig, ist teuflisch schnell und trotzdem leicht verspielt mit einem Hauch eines geschärften Muscle-Cars. Gefällt! Weiter bietet er den Warmluftbläser «Airscarf» in den AMG Performance Sitzen, dazu aber auch Sitzkühlung, falls die Gemüter erhitzen.
Wie sieht es eigentlich mit Konkurrenz aus? Da gibt es den erwähnten Elfer, obwohl es diesen nur mit Allrad gibt oder den Aston Martin Vantage V8 Roadster mit demselben Motor, aber 8-Gang-Wandler. Aus Deutschland gäbe es noch den R8 RWS Spider mit Heckantrieb und Sauger-V10, allerdings deutlich weniger Drehmoment oder den Ferrari Portofino aus Maranello. Der AMG GT C ist also definitiv nicht alleine in seinem Segment.
Pause. Verschnaufen. Aussencheck. Neu sind beim Facelift die veränderten Frontscheinwerfer. Die neue Lichtsignatur weist jetzt Parallelen zum AMG GT 4-Türer auf. Dazu leicht abgedunkelte Heckscheinwerfer. Hinten fällt dazu der neue Look der Heckschürze auf, deren Diffusoreinsatz umgestaltet wurde. Dabei wurden die Endrohrblenden an die Formgebung des AMG GT 4-Türer Coupés angeglichen. Der AMG GT verfügt nun über zwei runde Endrohrblenden und AMG GT S / GT C über trapezförmige Blenden.
Der AMG GT C Roadster gefällt. Er wirkt aggressiv, aber immer als typischer Mercedes erkennbar. Ob er eine Ikonisierung dieser Form schaffen wird, ähnlich wie der Elfer? Das werden die nächsten 60 Jahre zeigen müssen. 5 Jahre hat er schon mal..
Innen ist sehr viel passiert. Einerseits hat das fantastische Infotainement mit volldigitalem Instrumenten-Display, mit 12,3 Zoll grossem Tachoinstrument und 10,25 Zoll grossem Multimediadisplay Einzug gefunden, allerdings noch ohne neueste Generation MBUX. Aber das ist auch so vollkommen führend im Luxus-Roadster-Segment. Anderseits wurden viele Schaltflächen digital. Die Displaytasten im V8-Design auf dem Mitteltunnel integrieren den Status und die Steuerung von Getriebemodus, Fahrwerk, ESP, Abgasanlage, Heckspoiler und Start-Stopp-Funktion.
Im AMG GT C ist das Lenkrad serienmässig mit einem Kranz in Leder Nappa und Alcantara ausgestattet. Dazu gibt es in unserem Falle optionale Elemente in Carbon. Die Bedienung mit den integrierten Touch Control Buttons ist vorzüglich und wurde von uns schon mehrfach hochgelobt. So auch hier. Weiter gibt es den runden interaktiven Drehregler mit integriertem Display unterhalb der rechten Lenkradspeiche sowie zwei vertikal positionierten, farbigen Display-Tasten mit Schaltern unterhalb der linken Lenkradspeiche. Das kennen und mögen wir schon aus anderen AMG-Modellen.
In Sachen Assistenten trumpft der AMG GT C Roadster mit einer bunten Vielfalt. Von Toter-Winkel-Assistent, über Brems-Assistent, Spurhalte-Assistent, adaptiver Fernlicht-Assistent und schlussendlich auch den aktiven Abstands-Assistent «DISTRONIC».
Was bleibt also?
Dem AMG GT C fehlt eigentlich nur etwas: Er ist (noch) keine Ikone wie der Hauptkonkurrent 911. Dafür ist er rabattbereinigt aber wohl ein gutes Stück günstiger als ein 992 Turbo Cabrio. Der GT C punktet dazu mit reinem Heckantrieb und seiner Mischung aus Achtzylinder-Spektakel, einem Hauch Muscle-Car und als High-Performance-Luxuscruiser. Mit dem Komfortmodus lässt es sich gut im Alltag leben, die Assistenten helfen dabei und Passanten sehen auf den ersten Blick «nur einen Mercedes» und halt eben keinen Ferrari, Aston Martin oder Porsche 911 Turbo. Understatement auf einem sehr hohen Level.
Preis & Verbrauch
Der Verbrauch lag im Schnitt bei 13,2 Liter pro 100 km. Der Testwagen, der von Mercedes-Benz Schweiz zur Verfügung gestellt wurde, war in der Farbe Magnetitschwarz lackiert und lag preislich bei CHF 251’463.-. Die Konfiguration für den Mercedes-AMG GT C Roadster startet bei CHF 208’700.-.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Hightechsilver Metallic, 48,3 cm (19″) / 50,8 cm (20″) AMG Schmiederäder im Kreuzspeichen-Design, Stoffverdeck schwarz, AMG Carbon-Paket Exterieur, Windschott, AMG Performance Lenkrad in Carbon / Mikrofaser DINAMICA
Mehr Impressionen:
Lieber Andreas
Was für ein fantastisches Review von einem tollen Fahrzeug. Wünsche dir einen guten Start ins 2021 und freue mich auf weitere OneMoreLap Erlebnisse über die du schreiben kannst.
Freundliche Grüsse
Oliver