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Fahrbericht: Mercedes-Maybach EQS 680 SUV – Elektrifizierter Palast auf Rädern

Der Mercedes-Maybach EQS SUV ist kein Auto. Er ist eine Antwort auf eine Frage, die niemand gestellt hat – aber plötzlich will man sie alle fünf Minuten hören. Zum Beispiel: „Gibt’s eigentlich einen Modus für sanftes Türschliessen nach Stimmungslage?“ Oder: „Weshalb synchronisiert sich mein Sitz nicht automatisch mit meinem Biorhythmus?“ – im Maybach EQS SUV stellt man Fragen, die man sich vorher nicht mal in der First Class zu denken wagte.

Dieser Test ist keine klassische Fahrbericht-Kost mit Null-Hundert-Zahlen und Kurvenwinkeln. Nein, hier geht es um ein Fahrzeug, das einem das Gefühl gibt, man wäre zu schade, um selbst zu fahren. Und genau das macht ihn so faszinierend.

Schon der Einstieg ist eine Show. Komforttüren, die dich bei Annäherung erkennen, sich auf Wunsch selbst öffnen und schliessen, sobald du sitzt. Wenn sich die Tür schliesst, ohne dass du dich dafür strecken musst, ist das einer dieser Momente, in denen du unweigerlich überlegst, ob du dich jemals wieder mit einem normalen Türgriff abgeben willst.

Im Maybach EQS SUV fühlt sich selbst das Einsteigen an wie eine kleine Zeremonie. Du näherst dich, die Griffe fahren aus wie höflich grüssende Butler, dann schliesst sich die Tür wie von Zauberhand – und das alles mit einer nonchalanten Eleganz, als wäre es das Selbstverständlichste der Welt.

Drinnen wird’s dann endgültig absurd schön. Der Hyperscreen zieht sich über das gesamte Armaturenbrett. Die Zeiger des digitalen Kombiinstruments bewegen sich geschmeidig, fast schon überambitioniert elegant. Im „MAYBACH“-Modus wird die Anzeige zum animierten Designstück, alles glänzt in Roségold, die Typografie wechselt je nach Fahrstil. Navigation, Ambientelicht und Duftvernebelung? Natürlich direkt von hier aus steuerbar.

Der Duft hört auf den Namen „No.12 MOOD ebony“ – klingt nach Kunstinstallation, riecht aber wie eine Mischung aus gepflegtem alten Ledersessel, Polieröl für Mahagonitische und dem Selbstbewusstsein eines Mannes, der bei Linkedin „Privatier“ in seinen Jobtitel schreibt, aber nie reinschaut. Die Hochfloor-Teppiche und die Pedalerie könnten auch in einer Yacht liegen – so edel, dass man sich fast entschuldigen möchte, wenn man mit Strassenstaub eintritt. Die Pedale glänzen wie poliertes Chrombesteck aus Saint-Tropez.

Hinten ist vorn: Willkommen in der elektrischen First Class
Natürlich sitzt man im Maybach hinten. Vorn ist der Fahrer – und falls du selber fährst, hast du es halt eben noch nicht geschafft. Die Rücksitze sind Executive-Sessel mit Heizung, Kühlung, Wadenmassage, Schultermassage, Nackenwärme und mehr Verstellmöglichkeiten als das Bett deiner Oma im Pflegeheim. Natürlich gibt’s ein Fond-Tablet, auf dem du die Temperatur, die Lichtfarbe, die Massageart, das Entertainment, die Duftintensität und sogar die Fensterrollos steuern kannst.

Klapptische? Vorhanden. Kühlfach für grosse Champagnerflaschen? Natürlich. Silberne Champagnerkelche? Klaro (Preis nur 2 Kelche: CHF 700.-) – und ja, auch die hat Mercedes-Maybach durchdesignt. Die samtweichen Maybach-Kissen an den Kopfstützen sind nicht einfach Deko – sie sind eine Einladung zum luxuriösen Nichtstun. Und wer einmal darin versunken ist, stellt fest: Nackenkomfort ist eine unterschätzte Kunstform.

Und dann wäre da noch das Soundsystem: Burmester 4D-Surround mit Dolby Atmos®. 15 Lautsprecher, zwei Subwoofer, Körperschallwandler in den Sitzen – und das alles abgestimmt auf ein Interieur, das besser gedämmt ist als so manches Tonstudio. Der Effekt? Musik klingt nicht einfach gut – sie steht im Raum. Man hört nicht nur eine Bühne voller Instrumente, man fühlt sie. Der Bass pulsiert, Stimmen werden greifbar, und selbst altbekannte Lieblingssongs bekommen plötzlich neue Zwischentöne. Herrlich.

Fahrverhalten: Schweben statt fahren – mit 950 Nm
Du erwartest von so einem SUV wahrscheinlich nicht, dass er dich an die Sitzlehne presst. Du erwartest souveränes Gleiten, ein wenig Trägheit, vielleicht einen sanften Schubs beim Beschleunigen. Tja, falsch gedacht.

Denn was der Mercedes-Maybach EQS 680 SUV macht, ist nicht einfach „anrollen“ – es ist ein elektrisches Losfliegen. Die zwei permanenterregten Synchronmaschinen liefern zusammen 658 PS und 950 Nm Drehmoment. Von 0 auf 100 km/h in 4,4 Sekunden, völlig lautlos, ohne Drama, ohne Aufheulen, mit feinem künstlichen Soundtrack, aber mit der Wucht einer stillen Entschlossenheit.

Und dann kommt der eigens entwickelte „MAYBACH“-Fahrmodus ins Spiel. Er ersetzt den gewöhnlichen „Comfort“-Modus – was schon viel über den Selbstanspruch dieses SUV sagt. Während sich andere Fahrmodi mit Namen wie „Sport“, „Eco“ oder „Individual“ profilieren, entscheidet man sich hier einfach für: Maybach. Ein Fahrmodus, der sich anfühlt wie ein gut gelaunter Butler – unaufdringlich, vorausschauend, ständig bemüht, deine Fahrt in eine Art Schwebezustand zu überführen.

Die AIRMATIC-Luftfederung mit adaptiver Dämpferregelung arbeitet so feinfühlig, dass man nicht über Bodenwellen fährt, sondern sie diplomatisch übergeht. Selbst gröbere Fahrbahnkanten werden nicht gespürt, sondern maximal bemerkt – wie ein kurzer Blick aus dem Augenwinkel, nicht mehr. Dank Akustikverglasung, Entkopplung der E-Motoren, zusätzlicher Dämmstoffe im Unterboden und im Dachhimmel fährt dieser SUV nicht einfach leise – er schwebt lautlos. Keine Windgeräusche, keine Reifengeräusche. Wenn überhaupt, dann hörst du das eigene Atmen – oder das präzise Ticken einer mechanischen Luxusuhr.

Die Lenkung? Butterweich, aber nicht schwammig. Eher: souverän. Man lenkt nicht, man deutet Richtungen an. Und die Hinterachslenkung mit bis zu 10 Grad Lenkwinkel ist ein absurdes Meisterstück. Trotz 5,12 Metern Aussenlänge wirkt der Wagen in engen Kurven plötzlich wendig wie ein Mittelklassewagen. Ein 2,8-Tonnen-Koloss, der sich auf dem Parkplatz bewegt wie ein C-Klasse-Kombi? Unlogisch. Aber Wirklichkeit.

Du willst es sportlicher? Im „Sport“-Modus wird die Gasannahme direkter, die Dämpfer einen Hauch straffer, doch es bleibt mehr Lord als LeMans.

Und während man vorne denkt: „Oha, das geht aber gut!“, bleibt im Fond alles genau da, wo es hingehört: Die Champagnergläser, die Lesebrille, der innere Frieden. Keine abrupten Nickbewegungen, keine nervösen Aufbauschwingungen. Unterhalb der Fondsitze verläuft ein sogenannter Schwingungsknoten – da, wo die Aufbaubewegungen minimal sind. Wer das so plant, denkt nicht an Fahrspass, sondern an maximalen Luxus im Fond.

Reichweite & Laden: Ja, auch das kann er
Bis zu 600 Kilometer WLTP-Reichweite sind drin. In der Realität? Eher 450. Oder 400, wenn jeder Passagier alle Massage-Modi einmal durchlaufen lässt. DC-Laden geht mit bis zu 200 kW – in 31 Minuten von 10 auf 80 Prozent. Nur schade, dass es noch keine Maybach-Lounges mit Champagnerkühler gibt – stattdessen wartet man mit Honda-Hans und Tesla-Thomas am Schnelllader. Gesprächsthemen? Begrenzt.

Kritik? Natürlich – aber auf hohem Niveau
Klar, auch dieser Maybach ist nicht perfekt. Die digitale Bedienung erschlägt dich fast, wenn du kein Digital Native bist. Die Menüführung im Fond ist verschachtelt. Und obwohl alles nach Hochglanz und High-End aussieht, gibt es auch Momente, in denen der Schein ein wenig bröckelt – etwa, wenn sich die Dachkonsole bei leichtem Druck bewegt und dabei ein Geräusch von sich gibt, das eher nach Hartplastik als nach Handwerkskunst klingt. Der Kofferraum? 440 Liter, schön verkleidet, aber durch die fest verbaute Hutablage leider nicht tierfreundlich – der Luxus-Dackel muss vorne sitzen.

Ausserdem stellt sich die Frage: Wer braucht das alles? Die ehrliche Antwort: Niemand – zumindest nicht im funktionalen Sinne. Aber Luxus beginnt genau da, wo das „Brauchen“ aufhört und das „Wollen“ anfängt. Und manchmal geht es nicht darum, was nötig ist, sondern darum, was möglich ist.

Was bleibt also?
Der Mercedes-Maybach EQS SUV ist mehr Konzept als Fortbewegungsmittel. Er ist für die, die morgens aus einem Infinitypool steigen und sich fragen, ob der Cappuccino-Milchschaum heute vielleicht nicht die perfekte Herzform hatte.

Und trotzdem – oder gerade deshalb – ist dieses Auto faszinierend. Er zeigt, was technisch möglich ist, wenn Geld keine Rolle spielt. Er kombiniert Elektromobilität mit Überfluss, Materialanmutung, Luxus im Fond, Geräusch- und Fahrkomfort der Seinesgleichen sucht und unser neuer Massstab dafür ist.

Der Verbrauch lag während unserer Testdauer im Schnitt bei 23,8 kWh auf 100 km. Der Preis für den Mercedes-Maybach EQS 680 SUV startet ab CHF 218’600. Mit Sonderausstattung lag unser Testwagen bei CHF 265’680.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Aussenfarbe: Maybach Zweifarbenlackierung obsidianschwarz / mojavesilber, 53,3 cm (21″) Maybach Leichtmetallräder im 7-Speichen-Design

Weitere Impressionen:

5 Kommentar

  1. Grossartiger Schreibstil und eine wundervolle Lektüre für den Start in den Sonntag! Danke 🙏
    Wäre schön zu erfahren, wer den Text jeweils verfasst hat…

    1. Hey Muck, unterhalb vom Text ist jeweils eine Box mit dem Autorennamen und kurzer Beschreibung – beim Maybach war ich selbst am Werk 🙂

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