Der Genesis GV80 soll Europa erobern. Gross, opulent, interessantes Rundum-Service-Paket und ein kompetitiver Preis. Reicht das, um ein Stück des Kuchens der bewährten Europäer zu beanspruchen? Schauen wir uns das an.
Der GV80 wurde angeliefert. Normalerweise holen wir Testwagen beim Importeur ab. Doch hier ist es anders. Warum? Genesis will seine Fahrzeuge über das Internet verkaufen. Für ein Touch&Feel Erlebnis gibt es einen Showroom in Zürich (Bahnhofstrasse), aber kein Netz an Direkthändlern. Ein persönlicher Genesis-Ansprechpartner ist der direkte Kontakt zur Marke. Bei der Auslieferung wird das Fahrzeug, wie in unserem Falle, bis an die Haustüre geliefert. Wenn eine Inspektion fällig ist oder ein Problem auftaucht, auch da wieder abgeholt.
Noch am selben Tag wird das grosse SUV beladen und es geht auf einen Kurztrip. Grössentechnisch ordnen wir uns in der Kategorie von Volvo XC90, Audi Q7 und BMW X5 ein. Die dritte Sitzreihe (optional) verschwindet auf Knopfdruck und alles ist bereit zur Abfahrt. Es geht über die deutsche Autobahn in Richtung Nord-Westen. Was fällt zuerst auf? Der Vierzylinder ist nun keine Wucht. 304 PS bei 5800 Umdrehungen und 422 Nm Drehmoment zwischen 1650 – 4000 Umdrehungen treten 2190 kg gegenüber. Doch die 0-100 Zeit mit 7.7 Sekunden sagt mehr aus. Nehmen wir als Vergleich den Volvo XC90 B6, auch als Vierzylinder, selbe Fahrzeugklasse, selbe Anzahl Sitzreihen und ebenfalls 300 PS & 420 Nm. Er schafft den Spurt in nur 6.5 Sekunden. Das visualisiert auch auf dem Papier, was mein Fahreindruck vermittelt hat. Auf die 304 Pferdchen des GV80 sollte man auf der Pferderennbahn nicht wetten.
Obwohl Genesis mit ständiger Rück-Umleitung auf die jeweilige Länderseite europäische Besucher sehr bemüht von der amerikanischen Genesis-Seite weghalten will, wissen wir natürlich, dass in den Staaten in vielen Genesis-Modellen ein 3.5 Liter Turbo-Sechszylinder mit 380 PS und 530 Nm Drehmoment (5.5 Sekunden von 0-100 km/h) schlummert. Im Segment der Luxus-SUV fehlt mir das und wohl auch den PS-verliebten Herrn und Frau Schweizer. Es fehlt mir nicht nur auf der Strasse, sondern es mir auch noch Wochen danach wirklich unbegreiflich, wie man die deutsche Premium-Konkurrenz wie BMW X5, Audi Q7 oder Mercedes GLE angreifen will, aber nicht bemerkt, dass keiner dieser Hersteller für sein Premium-SUV auf Vierzylinder-Benziner zurückgreift. Selbst Mercedes-Benz hat für die Schweiz den Vierzylinder-Ottomotor beim GLE aus dem Sortiment genommen. Einzig Volvo fährt die Vierzylinder-only Strategie, mit mässigem Erfolg. Der Sechszylinder-Diesel von Genesis hat übrigens, laut Datenblatt, ähnliche Fahrleistungen wie der Benziner.
Doch der Fahreindruck endet noch nicht, auch wenn wir den Sportmodus wieder verlassen und in den Komfortmodus wechseln. Die Lenkung wird etwas entspannter, das Fahrwerk verarbeitet Wellen etwas komfortabler, doch die optionalen 22-Zoll-Felgen sorgen dafür, dass jeder Autobahnbelagswechsel poltert. Fährt man langsamer, haben die adaptiven Dämpfer mit Vorausschaufunktion noch weniger Möglichkeiten die Unebenheiten wegzufedern, so dass das Problem intensiviert wird. Wahrscheinlich löst man das Problem, in dem man sich mit den 20-Zoll-Felgen zufrieden gibt.
Soviel zu den Negativpunkten. Auf der langen Reise haben mich die Fahrassistenten wunderbar unterstützt, die intelligente Geschwindigkeitsregelung sieht nicht nur Fahrzeuge vor mir, sondern auch Tempolimitänderungen im Voraus und passt die Geschwindigkeit entsprechend an, der Spurfolgeassistent funktioniert meistens flüssig, weiter sind auch ein aktiver Totwinkelassistent, ein Frontkollisionsassistent mit Fussgänger-/Radfahrererkennung und ein Abbiegeassistent an Bord. Wer übrigens einen Abstecher abseits der asphaltierten Strassen unternehmen möchte, findet verschiedene Offroad-Modi und auf der Aufpreisliste eine e-LSD, also eine elektronische Differenzialsperre an der Hinterachse. Der Nebeneffekt dieser e-LSD ist übrigens, dass sich der GV80 spürbar heckbetont fahren lässt, das jedoch nur unter sichtlichen Anstrengungen und unter leichtem Zwang..
Weiter gibt es schöne Features, die wir so nur aus der deutschen Premiumklasse kennen, sei es der Tacho mit leichter 3D-Tiefenwirkung, der grosse Head-Up Display oder die sehr gute Unterdrückung von Umgebungsgeräuschen, die nicht nur mit guter Geräuschdämmung ferngehalten werden, sondern auch mit Gegenschall im Sinne von «Active Noise Canceling». Dazu gibt es Spielereien wie «Warmer Kamin», also Stimmungen, die über Klänge und Animationen vom Infotainment vermittelt werden. Braucht man oder braucht man nicht, es ist an Bord und das ist, was für den Luxus-affinen Käufer zählt. Ein schönes Detail ist die Toter-Winkel-Kamera beim Abbiegen, so dass ich beim Setzen des Blinkers im digitalen Tacho ein Livebild des toten Winkels bekomme und so nebst den Spiegeln eine zweite Absicherungsmöglichkeit habe, bevor ich die Spur wechsle oder abbiege. Clever!
Allgemein weckt der opulente Genesis die Neugierde der Menschen. Überdurchschnittlich oft wurde ich angesprochen, was denn das nun für ein Auto sei, oftmals mit dem Zusatz: „Das sieht ja teuer aus“. Geraten wurde dann oft Bentley Bentayga, irgendwas von Mercedes oder Range Rover. Verständlich, denn der ehemalige Bentley-Designer Luc Donckerwolke war mitverantwortlich für den GV80 und das sieht man auch. Ausgestellte Kanten, auffälliger Kühlergrill, geflügeltes Genesis-Logo, auffällige LED-Scheinwerfer, Lichtakzente die sich bis fast zur A-Säule weiterziehen und alles angereichert mit reichlich Chrom. Very bri.. ähh -Korean natürlich. Mir gefällt er, der GV80. In «Cardiff Green» sogar sehr.
Innen folgt nun das zweite Highlight. Unser Testwagen kam mit der Kombination «Urban Ground / Vanilla Beige», heisst Armaturentafel, Lenkradumrandung und der obere Bereich der Türverkleidung in Kaffeebraun und alle weiteren Elemente in hellem Beige. Obwohl das nicht meine Wahl wäre, muss man die Materialwahl und die Verarbeitung loben. Das offenporige Echtholz, wie auch das Nappaleder sind wunderschön anzusehen und anzufassen. Dreh- und Drückschalter sind angeraut für extra viel Grip und wirken so auch hochwertiger. Nur die hellblaue Beleuchtung der Schaltflächen erinnern an das Mutterhaus Hyundai.
Mit seinem aufgeräumten, wie auch funktionalen Cockpit und der erwähnten Verarbeitung muss sich der Genesis nicht vor der deutschen und schwedischen Konkurrenz verstecken. Im Gegenteil. Die Klimabedienung mittels Drehrad, sowie die Schnellzugriffe über physische Schaltflächen sind intuitiver zu bedienen als viele der Touchscreen-only Landschaften. Der 14,5-Zoll-Infotainmentbildschirm kann über einen Drehschalter oder Touchscreen bedient werden und punktet mit guter Darstellung. Die Bedienung über Touchscreen ist etwas mühsam, weil der Bildschirm doch sehr weit weg positioniert ist. Der MMI/iDrive-ähnliche Drehkranz mit eingebetteter Touchfläche braucht etwas Eingewöhnung, aber ist dann die bessere Wahl, als das oftmalige Ausstrecken nach dem Touchscreen.
Was bleibt also?
Leider schwächelt der GV80 in den Paradedisziplinen «Motor» und «Fahrwerk», obwohl sich das Kapitel „Fahrwerk“ mit kleineren Felgen wohl beheben liesse. Der ganze Rest und besonders der Innenraum überraschen sehr positiv und gefallen. Wir brauchen also nur noch den grösseren Motor und dann avanciert der Genesis tatsächlich zur interessanten Alternative. Preislich ist er es nämlich schon.
Verbrauch & Preis
Der Basispreis für den Genesis GV80 2.5 AWD mit 7 Sitzen liegt bei CHF 73’500.- unser Testwagen in «Cardiff Green» mit optionaler Ausstattung landet dann bei CHF 90’890.-. Der Verbrauch lag bei zügiger Fahrweise im Schnitt bei 11,6 Liter auf 100 km.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Aussenfarbe in Cardiff Green, Interieur Chestnut Brown / Smoky Green, 20″ Leichtmetallfelgen in Medium Metallic Gray
Weitere Impressionen:
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