Wir haben die Presseabteilung von Tesla nach einem Model Y gefragt und den neuesten Spross zum Test bekommen: Das Tesla Model Y RWD Long Range – schauen wir uns also nun an, was uns gefallen hat, warum es für unser elektrisches Magazin „Elektrosportwagen.ch“ nicht gereicht hat und ob das ein guter Kandidat für eine OneMoreLap ist.
Kleine Rückblende: Unser letzter Tesla im Fuhrpark war ein Model X P100 D im Jahre 2017. Seitdem ist viel passiert. Tesla hat sich in den letzten Jahren als Pionier der Elektromobilität einen Namen gemacht und das Model Y war in der Schweiz 2022 und 2023 das meistverkaufte Fahrzeug. Doch nicht nur hier, auch global war das Tesla Model Y 2023 das meistverkaufte Auto der Welt – diese Zahlen sind unter Einbezug aller Antriebsarten, nicht nur bei Elektrofahrzeugen. Beeindruckend!
Ich hole das Fahrzeug ab und schon vorab werden mir Zugangsdaten zur App zugesendet, interessant. App-Konnektivität ist normalerweise schwer zu „testen“, da wir die Pressefahrzeuge nicht aktivieren oder in unserem Herstelleraccount hinzufügen dürfen. Bei Tesla wird das ganz pro-aktiv gemacht, dazu während der Übergabe auch gleich erklärt, dass ich die Schlüsselkarte (wie im Hotel) auch in der Wohnung lassen könne, das Telefon mit verbundener Tesla-App sei nun ausreichend. Wow.
Also einige Tage später die Karte in der Wohnung gelassen, am Türgriff gezogen, das Auto entriegelt sofort, einsteigen, starten, losfahren. Ohne Schlüssel, ohne Karte, nur mit dem Telefon. Fantastisch! Doch damit nicht genug, die App ist eines meiner Highlights an diesem Auto. Egal was ich tue, sie ist blitzschnell, vorklimatisieren, Kofferraum auf, Licht an. Es passiert sofort. Nicht warten, kein „Verbindung zum Fahrzeug wird hergestellt“ – sofort!
Doch fährt es sich auch so gut, wie es sich per App steuert? Die Lenkung ist dreistufig einstellbar, aber bei tiefen Geschwindigkeiten überdurchschnittlich schwergängig, bei höheren Geschwindigkeiten normalisiert sich dieses Gefühl. Der Vorwärtsdrang ist dank 347 PS und 5,9 Sekunden auf Tempo 100 und einer Höchstgeschwindigkeit von 217 km/h in Ordnung, aber verschiebt keine Dimensionen. Dafür hat Tesla ja andere Kaliber im Regal. Das Fahrwerk ist sehr sportlich. Straff und stramm wird gehoppelt, gepoltert und ungehobelt abgerollt. Je schneller man fährt, desto besser wird es. Auch sportlich kann es dann punkten – aber in einer Long Range RWD Version, die keine Sportversion ist, ist das Fahrwerk der grösste Kritikpunkt.
Fährt man in Kurven, erfreut man sich an wenig Seitenneigung, durch das super-sportliche Fahrwerk suggeriert der Tesla sportwagen-mässiges Fahrverhalten während man gleichermassen Feedback von der Vorderachse vermisst, die Sitze an Seitenhalt vermissen lassen, die Bremsen nach wenigen und harten Anbremsmannövern Fading zeigen werden – diese Messlatte wäre weit tiefer, wenn das Fahrwerk nicht den Supersportler raushängen lassen würde, während der Rest doch nur Familienauto sein will. Wer übrigens beim Hecktriebler auf nette Heckschwenks und Powerslides pokert, liegt falsch. Das ESP lässt sich nicht deaktivieren und regelt früh und rigoros jede Tendenz von „wegrutschender“ Hinterachse weg.
Familienauto sein – das kann er gut. Der Komfort (abgesehen von den erwähnten Punkten) ist sehr gut. Wenig Luftgeräusche, tolles luftiges Cockpit dank der grossen Windschutzscheibe, sowie dem Glasdach bis weit zu den Rücksitzen und der vielfältigen Musikanlage. Aus Fahrerperspektive fehlt mir ein Head-Up-Display, auf den Bildschirm hinter dem Lenkrad lässt sich gut verzichten, allerdings die Geschwindigkeit oder auch die anstehenden Kurven (wenn man sportlich fährt) im Hauptbildschirm abzulesen ist ergonomisch schlecht, da ich dann die Augen vom Verkehr nehmen muss.
Lädt man auf, beispielsweise an einem der vielen Tesla Supercharger, punktet wieder die Software und die Konnektivität. Anstelle von einer Autorisierung über Karte oder App, erkennt der Tesla das Ladekabel, öffnet den Ladeport und Ladestation greift über den Account hinterlegt im Tesla auf die Kontodaten zu und belastet die Ladekosten direkt da – komfortabel! Die Ladeleistung beträgt im Maximum 250 kW. Mit meinem gemischten Verbrauch von 14-18 kWh wäre ich somit mit dem 77 kWh grossen Akku bei etwa 480 km realistischer Reichweite (WLTP mit den 19-Zoll Felgen: 600 km).
Der Innenraum ist ein Thema für sich. Wo beginnen wir? Bei den Sitzen. Kunstleder, wenig Seitenhalt, aber komfortabel. Die Verarbeitung war bei unserem Testwagen auf hohem Level, keine Störgeräusche, alles sitzt fest – gefällt. Der Einlass mit Holz hinter dem Touchscreen über die gesamte Breite des Armaturenbretts war mein Favorit. Passt perfekt zum minimalistischen Stil im Cockpit und bringt einen hauch moderne Landhaus-Atmosphäre. Sehr schön!
Der Touchscreen ist der Dreh- und Angelpunkt für alle Eingaben und das funktioniert hervorragend. Schnell, smart, logisch. Man hat sich in wenigen Minuten eingearbeitet, dazu gibt es Spielereien wie Furzkissen „Abgasskandal“, konfigurierbare Sounds beim Verriegeln oder auch den Wächter-Modus, der die Kamera um das Fahrzeug herum als Überwachungskameras nutzt und so nahe Aktivitäten automatisch aufzeichnet. Was fehlt mir? Nebst den Parksensoren, die durch Kameras ersetzt wurden und noch nicht auf dem Niveau von Ultraschallsensoren sind, fehlt mir eine vollständige 360-Grad-Ansicht
Bitte versteht uns nicht falsch. Wären wir ein Technikmagazin würden wir himmelhoch jauchzen, denn was Tesla in den letzten Jahren „auf die Strasse“ gebracht hat, ist schlicht atemberaubend. Der Fortschritt, die Akzeptanz, die eingeschworene Fangemeinschaft und die kompetitiven Preise sorgen dafür, dass Tesla ein Synonym für „Fortschritt“ geworden ist. Gute Firmen verkaufen ein Gefühl mit ihren Produkten. Während Nike Motivation verkauft, verkauft MINI ewiges-Jungsein und Tesla nun eben das „moderne Auto“. Mit Spielereien sprechen sie gekonnt das Kind im Manne (oder der Frau) an, sorgen dafür, dass man sich in der Freizeit irgendwelche witzige Sounds auf einen USB-Stick zieht und als Klang für die Zentralverriegelung einsetzt. Tuning 3.0. Hut ab vor dieser Leistung. Nur beschlich uns über die Testdauer etwas Wehmut, dass man die Liebe zum Fahrspass dabei etwas vergessen hat.
Was bleibt also?
Das Tesla Model Y RWD Long Range beeindruckt mit seiner innovativen Technologie und App-Konnektivität, die den Alltag erheblich erleichtert. Die Software und Ladeinfrastruktur setzen Massstäbe in der Branche und machen das Model Y zu einem Vorreiter im Bereich Elektromobilität. Auf der anderen Seite zeigt das sportliche Fahrwerk Schwächen im Komfort, und die fehlende Detailverliebtheit im Innenraum könnte anspruchsvolle Fahrer enttäuschen. Auch wenn es sich in Kurven gut verhält, bleiben Bremsen und Seitenhalt der Sitze hinter den Erwartungen zurück. Für Technikbegeisterte und Familien ist das Model Y eine ausgezeichnete Wahl, die durch hohe Reichweite und bequeme Nutzung punktet. Doch für den echten Enthusiasten fehlt es an fein abgestimmter Dynamik.
Der Verbrauch lag im sportlichen Schnitt bei 15,8 kWh / 100 km. Der Basispreis für das Tesla Model Y RWD Long Range liegt bei CHF 46’990.-. Unser Testwagen liegt bei CHF 49’190.-.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik: Aussenfarbe in Midnight Cherry Red, 20-Zoll Induction-Felgen
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