Eine Landstrasse irgendwo in Südspanien. Ich sitze im neuen Renault Mégane RS, Modelljahr 2018 und schiesse von Kurvenausgang zum nächsten Anbremspunkt, hart auf die Bremse, über das Schaltpaddle runterschalten, das Heck zuckt kurz, einlenken, weiter zum Scheitelpunkt und je länger sich die Kurve öffnet, desto mehr wird aus Halbgas auch wieder Vollgas.
Wie ihr merkt, erlebe ich einen schönen OneMoreLap-Moment mit dem neuen Mégane RS. Leider ist am neuen RS aber nicht alles positiv. Doch dazu später mehr.
Nach 15 Jahren und in seiner vierten Generation folgt der Mégane RS einer Taktik, die schon bei vielen anderen Modellen einige Puristen im Stich liess, aber die Kassen klingeln liess. Der neue Mégane RS soll weniger Hardcore-Sportgerät sein, aber dafür den Spagat zwischen Sportlichkeit und Komfort / Alltagstauglichkeit besser schaffen.
Meistens ziehe ich bei solchen Aussagen einmal meine Augenbrauen hoch und weiss, dass ich weniger Spass haben werde als im Vorgänger. Damit das allerdings nicht passiert, haben die Ingenieure von Renault Sport den Megane mit einige Gimmicks ausgestattet.
So bringt Renault die Allradlenkung serienmässig zum Einsatz, was eine Weltpremiere im Segment der kompakten Sportfahrzeuge darstellt. Bekannt ist dieses Feature zum Beispiel aus den 991 GT3 und 991 GT3 RS, die bekanntlich die Speerspitze der Rennfahrzeuge mit Strassenzulassung darstellen.
Im Mégane lenken die Hinterräder bis 60km/h, im Racemodus bis 100 km/h, bis zu 2,7 Grad in Gegenrichtung der Vorderräder ein. In Realität wirkt so das Fahrzeug deutlich agiler und bei Spitzkehren oder sportlich-gefahrenen 90-Grad-Kurven hat man das Gefühl, wie in einem heckangetriebenen Fahrzeug, dessen Hinterräder kurz vor dem Verlust der Haftung sind.
Mir ist es allerdings passiert, dass ich beim Verlassen eines Kreisels durch Unebenheiten kurz Grip verloren habe, somit in Untersteuern gefallen bin und das Gegenlenken der Hinterachse hat dann für ein spontanes Übersteuer-Gefühl beim Zurückgewinn der Haftung gesorgt. Am Anfang ist dieses Verhalten sehr gewöhnungsbedürftig, da ein weiteres, bisher unbekanntes Element das Fahrverhalten beeinflusst und eingreifen kann.
Bei hohen Geschwindigkeiten lenken die Hinterräder (bis zu 1 Grad) in die gleiche Richtung ein und stabilisieren das Fahrzeug. Ein Test über mehrere Tage mit verschiedenen Bedingungen muss zeigen, ob mir dieses System zusagt. Bisher hat mich nur die stabilisierende Wirkung überzeugt und nicht das „Gegenlenken“ der Hinterachse.
Der 1,8-l-Turbomotor mit Benzin-Direkteinspritzung ersetzt den 2,0-l-Turbomotor aus dem Vorgänger. Er leistet 280 PS bei 6’000 Umdrehungen und hat 390 Nm zwischen 2‘400 und 4’800 Umdrehungen verfügbar. Er spricht direkter und kräftiger an als sein Vorgänger, hat mehr Drehmoment in tiefen Drehzahlen, aber enttäuscht leider im oberen Drehzahlfeld.
Der Motor liesse sich bis 6’500 drehen, erreicht aber bereits bei 6’000 sein Maximum und die letzten 500 Umdrehungen kann man sich sparen. Im Vergleich zum Trophy aus der Vorgängerreihe hat er auch keinen harten Begrenzer mehr und es geht leider etwas Spass verloren, lohnt es sich doch kaum, überhaupt das Triebwerk in die Nähe des Begrenzers zu treiben. Der Sound ist basslastig, aber kein Schreihals, bollert nach aber nie störend oder überpräsent.
Gekoppelt ist der Motor an eine 6-Gang-Handschaltung oder ein 6-Gang-Doppelkupplungsgetriebe „EDC“. Die Kupplung in der Version mit der Handschaltung ist etwas leichtgängiger als in der Version zuvor. Beide Versionen funktionieren mechanisch ausgezeichnet und man mag ihnen nichts ankreiden, wäre nur die Haptik besser. Der Schaltknauf der Handschaltung wirkt durch grossflächigen Einsatz von Hartplastik überhaupt nicht wertig. Vergleicht man den Schaltknauf mit einem Pendant aus dem Leon Cupra, Type R oder dem ikonischen Golfball im Golf GTI, würde man sich am liebsten bei seiner rechten Hand entschuldigen.
Beim Doppelkuppler ist dafür das Feedback der feststehenden Schaltpaddles sehr teigig, schade sind doch beide Getriebe eigentlich fahrdynamisch in Ordnung. Das EDC punktet zusätzlich mit Funktionen wie einer Launch Control oder der Möglichkeit, Gänge durch halten des Runterschalt-Paddles zu überspringen, also zum Beispiel direkt von 6 auf 2.
Das Fahrwerk ist ein Traum. Verfügbar in zwei Versionen als „Sport“ und „Cup“. Der Unterschied liegt in der spezifischen Fahrwerksabstimmung, mit unterschiedlicher Auslegung von Federung, Stossdämpfern, Anschlagpunkten und Querstabilisatoren. Für Freunde von sehr sportlichem Fahrverhalten empfehle ich die „Cup“ Version, die wir leider nur auf der Rennstrecke fahren durften.
Da hat sie mich aber sehr überzeugt und das Chassis „Sport“, was wir auf den spanischen Holperpisten fuhren, dürfte auch noch 10% mehr Härte vertragen. Also bucht das dazu! Es verfügt über 10% straffere Stossdämpfer und ein neues Torsen-Sperrdifferential mit begrenztem Schlupf.
Auch die Bremsen, die ich während einigen Runden auf der Rennstrecke richtig gefordert habe, sind sehr gut. Die vorderen Bremsscheiben mit 355 mm Durchmesser sind um +15 mm gegenüber dem Vorgängermodell angewachsen. Das Cup-Fahrwerk lässt sich optional mit Bi-Werkstoff-Bremsscheiben aus Gusseisen und Aluminium ausstatten, was sich in einer Gewichtsreduktion von 1,8 kg pro Rad (geringere ungefederte Masse) und in einer optimierten Kühlung bei starker Beanspruchung auswirkt.
Die Verstellung des Bremswegs ermöglicht eine präzise Dosierung der Bremskraft und eine dementsprechend perfekte Kontrolle der Bremswirkung – insbesondere auf der Rennstrecke. Alles richtig gemacht Renault!
Optisch ist der Mégane RS sehr gelungen. Runde Formen, Kotflügelverbreiterungen und sportliche Details wie das Tagfahrlicht in der Form einer Zielflagge lassen den RS dezent sportlich wirken, ohne wie ein Type R sich vollends dem Thema „Form follows Function“ hinzugeben. Eine Farbe namens „Orange Tonic“ bereichert die Palette der Farben und wurde wie schon „Jaune Sirius“ eigens für die RS-Produkte entwickelt.
Die Bilder zwischen dem Text hier im Artikel sind von einem Modell in „Orange Tonic“, während die Bilder unten in der Galerie von einem gelben Exemplar sind.
Leider verändern sich die Details innen nicht passend zur Wahl der Aussenfarbe. Rote Stickereien in den Sitzen, ein roter Ring auf dem Lenkrad in der 12-Uhr-Stellung und ein rot-hinterlegtes RS-Signet im Lenkrad bleiben leider rot, auch wenn man z.B. die Orange Aussenfarbe wählt. Die Sportsitze geben guten Seitenhalt, das Head-Up Display ist nützlich aber kein Muss, die verschiedenen Layouts des digitalen Tachos fallen auch unter die Kategorie „gewöhnungsbedürftig“.
Der RS Monitor hat mir sehr gut gefallen, egal ob Motortemperatur, Reifentemperatur, Reifendrücke kann man sich über 40 Parameter beliebig zu einem Dashboard zusammenstellen und beobachten.
In Sachen Alltagstauglichkeit punktet der Mégane mit neuen voll-LED Scheinwerfern, einem adaptiven Tempomat, einem System zur aktiven Notbremsung (AEBS), einer Distanz-Warnanzeige, Toter-Winkel-Assistenten, Verkehrszeichenerkennung, Park-Assistenten und verschiedenen Fahrmodi, von Komfort über Normal zu Sport und Race.
Das Fahrwerk ist nicht adaptiv, somit ändern sich die Dämpferkennlinie nicht, aber dafür das Verhalten der Lenkung, ESP, Allradlenkung, Soundgenerator und mehr. Im Modus „Perso“, kann man diese Einstellung auch individuell anpassen.
Der neue Megane RS ist nun besser als jemals zuvor? Nein. Der Motor hat an Charakter verloren, die Vierradlenkung ist für mich zu undurchsichtig und die Getriebewahl eine Wahl mit fadem Beigeschmack. Dafür ist er nun endlich ein Alltagsauto fast ohne Einschränkungen mit perfektem Fahrwerk und spassigem Fahrverhalten. Der Renault Megane RS mit 280 PS gibt es ab CHF 37’900.- Freuen wir uns also mal auf den Trophy, der bald nachkommen wird.
8 Fakten zum kommenden RS Trophy:
- Kommt Ende 2018 in den Markt
- Leistet 300 PS
- Etwa 400 Nm
- Kommt nur mit Cup-Fahrwerk
- Rollt auf 19-Zoll-Rädern
- Modifizierter Auspuff (wohl wieder von Akrapovic) sorgt für mehr Sound
- Neuer Rekordversuch für die schnellste Runde eines Fronttrieblers auf der Nürburgring-Nordschleife wird angedacht
- Bi-Werkstoff-Bremsen kommen in Serie
Weitere Impressionen von meinem Kurztest in Spanien mit dem neuen Renault Mégane RS:
Dankeschööön! 🙂 Liebe Grüße Volker