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Vorstellung BMW R18: Schwergewichts-Boxer

Mit dickem Boxer-Motor und Customizing-Freundlichkeit will BMW den US-Markt erobern.

Was Ducati die desmodromische Ventilsteuerung und Harley-Davidson der 45-Grad-V2-Motor ist BMW der Boxermotor: eine markendefinierende Spezialität, im Falle des modernen Motorradbaus schlicht ein Alleinstellungsmerkmal. Ausser BMW setzt kein Töffhersteller auf diese Zylinderanordnung. Porsche hält ebenso hartnäckig an dieser Tradition fest, nur einfach weniger auffällig, schliesslich stecken die Autoaggregate unter einer Motorhaube, während sich der Boxer im Motorrad mit den in den Wind gestreckten Zylindern richtig auffällig in Szene setzt.

Aus seinen bescheidenen Anfängen hat sich der Boxer mächtig entwickelt. Heute befeuert ein flüssigkeitsgekühlter 1250er mit sportiven 135 PS Bikes wie den Bestseller R1250GS. Damit ist der Boxermotor ebenso sehr Aushängeschild wie Cashcow.

Und nun setzt BMW einen obendrauf. Nicht in Sachen Spitzenleistung, dafür aber in den Abteilungen Hubraum und Inszenierung. Mit 1802 ccm ist der luft-/ölgekühle R18 – natürlich – der grösste Töffboxer aller Zeiten, das Drehmoment liegt im relevanten Drehzahlbereich (2000 bis 4000/min) stets bei mindestens 150 Nm, während die Spitzenleistung bei vergleichsweise bescheidenen 91 PS steht. Man befindet sich da ziemlich exakt auf Augenhöhe mit den neuesten Big Twins amerikanischer Provenienz. Einzig Indian leistet sich neuerdings mit dem wassergekühlten V2 fürs Touringmodell Challenger einen leistungsmässig deutlichen Ausreisser nach oben (122 PS)

Cruiser-Feeling made in Germany. Was halt nicht geht: Beine strecken.

Doch für den Erfolg von BMW’s erneuten Vorstoss (vor gut 20 Jahren gab es da mal einige R1200C, vergesssen wir’s) in die Cruiser-Klasse entscheidender als die Eckwerte dürften der Look sein. Und der ist natürlich schon echt fett. Die dicken 900er Pötte sind ein Augenschmaus für Freunde sichtbarer Motorentechnik. Die schiere Grösse, die Kühlrippen, die Stösselstangen des Ventiltriebs… Im Leerlauf «dieselt» der Vierventiler mit 950/min vor sich hin. Gespannt darf man zudem sein, wie der Big Boxer klingt. Wieviel er wiegt, wissen wir schon: inklusive Getriebe 110,8 kg.

Vintage und Moderne: Tropfentank mit Doppellinierung, LED-Licht.

Mit dem modernen, leistungsorientierten, vertikal durchströmten Boxer der GS und anderer 1250er Modelle hat der neue Motor im übrigen nicht viel gemein, vielmehr bedient sich BMW für das drehmomentorientierte Aggregat in der Schatzkiste der Historie.

Auch sonst spielen die Bayern das Vintage-Lied, mit zahlreichen Anleihen an die eigene Geschichte. Stilistisch finden sich viele Zitate aus der R5 (ab 1936 gebaut), und auch technisch ähneln diverse Lösungen dem vor wie auch nach dem Zweiten Weltkrieg gebauten Vorbild, etwa die Trennung von Motor und Getriebe. Wie damals steuern zwei Nockenwellen pro Zylinder über Stösselstangen (und Gabelkipphebel) die Ventile, hier vier pro Brennraum. Zur Logik dahinter zitieren wir ausnahmsweise eins-zu-eins aus dem Pressetext:

Der Mega-Boxer, mit Stösselstangen wie einst, mit horizontal durchströmten Zylindern wie bis 2012 und einem Motorgehäuse, das den Namen «Heldenbrust» verdient

«Wie beim historischen Vorbild sind die beiden Nockenwellen auch beim „Big Boxer“ links und rechts oberhalb der Kurbelwelle angeordnet. Vorteile dieses „Zweinockenwellen-Boxers“ sind kürzere Stösselstangen. Diese Anordnung reduziert die bewegten Massen, verringert die Durchbiegung und minimiert die Längenausdehnungen der Stösselstangen. Ein insgesamt steiferer Ventiltrieb mit verbesserter Steuerpräzision und höherer Drehzahlfestigkeit ist die Konsequenz dieser aufwendigeren Konstruktion.» Der Journalist, wenngleich ohne Ingenieursdiplom, fragt da höchstens: wen interessiert in einem solchen Drehmoment- und Schwungmassenmonster die Drehzahlfestigkeit?

Da guckscht du hin: Gelenkwelle und Kreuzgelenk voll im Freien.

Anyway, derselbe Schreiber freut sich, gemeinsam mit allen Freunden sichtbar gemachter Technik, auch am Sekundärtrieb. Die Kardanwelle, ein anderes traditionelles Feature der Boxer-BMWs, dreht offen, von den Unbillen der Umwelt glanzvernickelt geschützt, wie auch das Kreuzgelenk an der Hinterachse.

Die R18 kann auch Achselbelüftung, sprich Apehanger. Ohne Abdeckung wirkt die Gabel schon fast zerbrechlich, dabei gehen 49 mm Durchmesser durchaus in Ordnung.

Die aus Stahlrohren und Guss- beziehungsweise Schmiedeteilen gefertigte Hinterradschwinge nimmt die Starrrahmen-Optik der R5 auf, ohne von Fahrer und Chassis die Entbehrungen von damals einzufordern. Statt nur auf einen gefederten Sattel zu vertrauen, kommt bei der R18 ein horizontal im Doppelschleifenrohrrahmen versteckt montiertes Federbein für Komfort und konstantem Reifen-/Strassenkontakt.

Um ein Kapitel kommt man nicht herum: der Ergonomie. Sollten die Fahrfotos nicht täuschen, sitzt man durchaus relaxed am breiten, nach hinten gezogenen Lenker. Nur etwas passt nicht ins Bild US-amerikanischer Highway-Träume, und das sind die Beine. Die sind nämlich nicht gestreckt, sondern angewinkelt. Logisch, dafür lassen diese Querulanten von Zylinder keinen Platz. Das könnte (nicht nur) auf dem amerikanischen Markt ein Problem sein; wenn sich das Asphalband vor dir hundert Meilen lang gerade abwickelt, willst du einfach die Haxen strecken, jedenfalls in der Kategorie >1.80m. Und sei es auch nur, weil es sich extralässig anfühlt. Auf dieses Handicap angesprochen, zuckten BMW-Manager anlässlich einer internationalen Medienkonferenz leicht säuerlich die Schultern: «A boxer is a boxer»… Schaun mer mal!

BMW, ansonsten Vorreiter in Sachen Elektronik im Motorrad, konzentriert sich bei der R18 aufs Wesentliche: ABS natürlich, Traktionskontrolle, drei Fahrmodi, viel mehr ist da nicht und muss auch nicht sein. Als Anzeige muss ein Rundinstrument, wenn auch ein elektronisch unterfüttertes, genügen. Elektrisch, nämlich per Anlassermotor, verschiebt sich die R18 rückwärts. Das ist schon bei den 345 kg des Cruisers nicht falsch, und falls auf der Basis einst ein Fulldresser entstehen sollte, wird der aufpreispflichtige Rückwärtsgang als eine Art Lebensversicherung für ungünstig parkierte Boxer-Brocken wirken.

Wandel in einen Bobber, mit fetten Pneus und freischwebendem Sattel.

Anerkennung im Markt erhoffen sich die Bayern auch dadurch, dass die R18 von Grund auf «Customizer freundlich» gedacht wurde. Das jedenfalls sagt BMW und nennt konkrete Beispiele: «Durchdacht angelegte Schnittstellen für die Hydraulikleitungen von Bremse und Kupplung sowie den Kabelbaum erlauben zudem die völlig problemlose Montage höherer oder niedrigerer Lenker in Verbindung mit kürzeren oder längeren Hydraulikleitungen und Kabelsträngen.» Ausserdem sei der Heckrahmen einfach abnehmbar. Auch Ventildeckel und Motorgehäuse (die sogenannte Heldenbrust) können leicht getauscht werden.

Zur Markteinführung, voraussichtlich im Herbst dieses Jahres, wird es nebst der Basisversion auch eine First Edtion geben, mit Doppellinierung des schicken, aber kleinen Tanks, Chromteilen und einer speziellen Plakette. Der Basis-Preis für den künftigen Schwergewichts-Boxer beträgt 23’650 Franken.

R18 mal vier: die Basis (zweite von rechts) und erste Varianten.

Damit ist natürlich nicht Ende der Customizing-Fahnenstange. Schon liegen diverse Teile, von Mustang Seats über einen Auspuff von Vance & Hines bis zum Apehanger-Lenker im Zubehörsortiment. Ausserdem kann man sich in zwei Design-Kollektionen bedienen, entstanden in der Zusammenarbeit mit der Umbau-Ikone Roland Sands. Es gibt viel zu tun, Schrauber aller Nationen, legt das Besteck parat!

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