Ich habe den neuen MINI John Cooper Works F56 auf einem spektakulären Road Trip durch die Schweizer Alpen nach Ascona entführt und getestet was der kleine Rabauke mit dem 231 PS starken 2,0-Liter-Vierzylinder-Motor und Twin-Power-Turbolader so alles kann.
Für mich gibt es eigentlich zwei ideale Möglichkeiten einem Testwagen, der sich als Sportwagen schmückt, auf den Zahn zu fühlen. Entweder eine Rennstrecke (meistens ausser Reichweite) oder dann „meine“ Heimstrecke die mit besonders vielen Kurven, Buckeln und Kuppen dem Fahrwerk alles abverlangt und Ungereimtheiten bei der Balance sofort aufdeckt. Doch MINI hat sich entschlossen meine normale Testroutine zu unterbrechen und etwas nach ihrem Kampagnenmotto „NOT NORMAL“ zu machen. Ganz nach meinem Geschmack!
Doch wie will MINI einem eingefleischten Fan der Vorgängerversion R56 John Cooper Works den neuen F56 John Cooper Works schmackhaft machen? Das Rezept war einfach und genial: Lass ihn fahren, ohne technisches blabla nur mit dem ersten grossen Etappenziel im Navigationssystem, dem Gotthardpass. Also los von Dielsdorf in Richtung Luzern, über den Grimsel- und Furkapass. Doch stopp, auf die beiden Pässe möchte ich etwas genauer eingehen.
Der Grimselpass, 2156 Meter über Meer im Kanton Wallis, verfügt über eine gut ausgebaute, breite Fahrbahn und bietet ein herrliches Panorama. Leider ist die Kehrseite von diesem herrlichen Panorama, dass genau darum viele Autofahrer weit unter dem Tempolimit fahren. Vermischt mit den z.T. rücksichtslosen Motorradfahrern, den schwitzende Rennradfahrern und einigen Autoreisebussen wird das dann schnell zur Geduldsprobe. Allerdings entschädigt der Grimselstausee (befahrbar) dafür und bietet eine gute Gelegenheit für spektakuläre Photos.
Kurz vor der Passhöhe fährt man an einigen grossen Stauseen vorbei und oben auf dem Grimselpass liegt ein weiterer: der tiefblaue Totensee. Laut Wikipedia taufte man den See vor rund 800 Jahren Totensee, weil Soldaten des Herzog Berchtold V. von Zähringen durch Walliser Truppen in den See getrieben wurden und starben. Der Furkapass anschliessend überrascht, weil er nochmals deutlich mehr von Mensch und Material abfordert durch sein enges Kurvengeschlängel mit 24 Spitzkehren auf 2’436 Metern über Meer. Auf der Passhöhe angekommen, eröffnet sich schlagartig eine wunderbare Aussicht auf den Kanton Uri.
Soweit so gut, allerdings haben wir ja noch gar nicht über unser Fortbewegungsmittel, den neuen MINI John Cooper Works F56 gesprochen. Der wird nun von einem 231 PS starken 2,0 Liter Motor mit „MINI TwinPower Turbo Technologie“ befeuert. Was der MINI TwinPower Turbo Motor genau kann, woher er kommt und in welchen anderen Fahrzeugen er auch noch eingesetzt wird, könnt ihr im Artikel „MINI TwinPower Turbomotor – So funktionierts!“ nachlesen. Das maximale Drehmoment liegt bei 320 Nm (1‘250 – 4‘800 U/min) und beschleunigt so den kleinen Sportler in 6,1 Sekunden (6,3 Sekunden mit Handschaltung) auf Tempo 100. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 246 km/h.
Kurzer Aussencheck: Unser Testwagen in Babyblau, ähm, natürlich Electric Blue Metallic kommt mit einer noch aggressiveren Frontschürze die mich unten zwar eher an eine Staubsaugerleiste erinnert, aber für viel Frischluft sorgt. Zusätzlich hat er eigenständige Seitenschweller und eine etwas aggressivere Heckschürzen-Gestaltung sowie den John Cooper Works Heckspoiler. John Cooper Works Logos an der Seite am „Side Scuttle“ und am Heck kennzeichnen das Topmodell. Die weissen John Cooper Works Motorhaubenstreifen gehören irgendwie einfach zu einem MINI, egal ob in weiss oder schwarz.
Geschaltet wird leider über ein 6-Gang Steptronic Getriebe mit Schaltwippen am Lenkrad was sehr kontraproduktiv zum sportlichen Flair des Fahrzeugs beiträgt. Vor allem wenn man weiss, dass das bald verfügbare 6-Gang Handschaltgetriebe mit Drehzahlanpassung (bekannt bei Nissan unter Synchro Rev Control) herrliche kurze Schaltwege hat und sogar automatisch Zwischengas geben kann. Ich habe es bei der Neuvorstellung schon kritisiert und muss es jetzt wieder tun: Das verbaute Electronic Differential Lock Control (EDLC) wirkt unnatürlich und macht das Auto nicht schneller. Insgesamt weit weg von einem mechanischen Sperrdifferential. Schade MINI.
Auch beim Motor bin ich nicht begeistert. Das bissige Ansprechverhalten vom R56 JCW ist nicht mehr da und die Mehrleistung ist nicht spürbar. Das kann entweder an der geringen Laufleistung vom Testwagen liegen (erst 1‘000 km) oder der Motor ist wirklich nicht mehr so spritzig wie früher. Das Fahrwerk hingegen ist ein echter Fortschritt gegenüber der R56 Generation. Es bietet eine gute Mitte zwischen verspieltem Einlenken mit dem Heck und Komfort für längere Strecken. Ebenfalls loben muss man die elektromechanische Servolenkung mit Servotronic, die im Sportmodus angenehm viel Rückmeldung bietet und zum Beispiel im Eco-Modus deutlich weniger Kraftaufwand benötigt und so lange Autobahnfahrten erleichtert.
Die neu entwickelte Brembo Sportbremsanlage hat an der Abfahrt vom Furkapass schon nach drei sportlich-angebremsten Haarnadelkurven fahrlässig viel Fading gezeigt und hatte nach einem weiteren bewussten und kontrolliertem Notbremsmannöver eine starke blaue Verfärbung. Entweder liegt das auch wieder am verbauten Material im getesteten Fahrzeug oder die Bremsen taugen wirklich nur für die Fahrt zum Supermarkt. Da muss MINI nochmals ran.
Ich möchte jedoch klarstellen, dass das MINI-typische sehr dynamische Kurveneinlenkverhalten noch immer vorhanden ist und das Fahrzeug mit den sehr guten Elastizitätswerten (80 – 120 km/h in 5,6 Sekunden) stets für ein Grinsen im Gesicht vom Fahrer gesorgt hat. Doch man spürt, dass MINI den John Cooper Works für ein breiteres Zielpublikum aufstellen möchte. So hat die Marke nun sogar bei der Präsentation vom neuen MINI Clubman bekanntgegeben, dass sie den Anteil der John Cooper Works Modelle auf fünf Prozent der gesamten Modellpalette steigern möchten und somit fast verdoppeln wollen. Das wird mit dem neuen F56 JCW wohl auch gelingen, aber gleichzeitig lassen sie einige Enthusiasten (wie mich), die ihr Auto liebend gerne auch mal auf der Strecke bewegen, mit der Entwicklung der F-Serie weiter weg vom kompromisslosen, bösen Tracktool mehr zum sportlichen Allrounder-Alltagsauto mit viel Leistung, im Regen stehen.
Doch weg vom Regen hin zum Nebel, denn genau den hatten wir bei unserem Lunch-Stop auf dem Gotthardpass. Weil ein Restaurant für diesen Trip etwas zu normal wäre, hat MINI uns mit einem typisch-englischen Barbecue empfangen. Überraschung gelungenen und hat erst noch hervorragend geschmeckt. So muss das sein!
An dieser Stelle auch ein grosses Kompliment für die Detailverliebtheit, mehr Englisch und mehr MINI geht nicht.
Runter vom Gotthard haben wir uns dann für die Tremola, die alte kopfsteingepflasterte Passstrasse entschieden. Hier ratterten und klapperten früher die Postkutschen über die kurvige Strasse. Heute verirren sich nur noch wenige Touristen auf die perfekt instand gehaltene Kopfsteinplaster-Strecke. Tief eingekesselt im Urgestein des Gotthard-Massives zieht einem diese Strasse Kehre um Kehre in den Bann. Ich kann jedem empfehlen einen Umweg über die Tremola einzulegen. Sehr eindrücklich.
Eindrücklich ist auch der Innenraum vom MINI John Cooper Works F56, der wirklich einen deutlichen Sprung nach vorne gemacht hat. Egal ob bei der Verarbeitung, der Materialanmutung oder dem Design, die F56 JCW Generation ist Premium. Im John Cooper Works findet man zudem exklusive John Cooper Works Sportsitze in Dinamica-/Stoff-Ausführung mit integrierten Kopfstützen, ein John Cooper Works Lenkrad mit Multifunktionstasten sowie Schaltpaddles und eine Einfassung (mit OneMoreLap Logo) für das Zentralinstrument. Das HiFi-Lautsprechersystem Harman Kardon gibt wunderbare Klänge von sich und die iPhone-Integration funktioniert perfekt dank dem hervorragenden In-Car-Infotainment System von BMW.
Dank diesen Multimedia-Zückerchen war dann auch die restliche Fahrt von Airolo nach Ascona trotz viel Stau ein Genuss. Angekommen an der wunderschönen Piazza von Ascona am Lago Maggiore liessen wir uns es nicht nehmen, die MINI’s vor dem Hotel in einer Reihe aufzustellen und einige Fotos zu schiessen. Macht man schliesslich nicht jeden Tag.
Den Abend ausklingen liessen wir in der Sea Lounge Seven, gefolgt von einem hervorragenden Nachtessen bei Starkoch Ivo Adam im Restaurant Seven. Die Crème brûlée, eines der vielen verschiedenen Desserts, die MINI uns stilecht in der Seven Enoteca La Cambüsa auf einem Austin Mini präsentierte, war einfach brilliant. Insgesamt ein sehr erfrischendes, junges und schönes Event mit einer Prise „NOT NORMAL“ wie es sich für MINI gehört. Ein grosses Dankeschön an dieser Stelle an Carol von MINI und natürlich Darryl von DnS mit seinen ganzen Helfern!
sehr schön geschrieben… bin gespannt, wie es mir geht, wenn ich den mal unter dem hintern hab 😉
und schaadem haben wir uns nicht gekreuzt, wir waren vor einigen tagen auch in dieser region unterwegs (kurven fressen 😉 ).