Der Honda Civic Type R ist keine wirkliche Neuheit mehr. Ich muss auch zugeben, dass mich die Optik lange davon ferngehalten hat, bis er mich nun doch über zwei Wochen begleitet hat. Oh boy, war es das wert!
Doch beginnen wir von vorne und einige Stunden nach der Abholung des Testwagens. Die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings erwärmen den Asphalt und der rote Type R der Baureihe FK8 dankt das mit frischen Sommerreifen, die schon weit vor Ostern aufgezogen wurden.
Wunderbar mitgedacht Honda Schweiz!
Zur Auswahl stehen drei Fahrmodi, einmal «Comfort», dann «Sport», der übrigens bei jedem Motorstart als Basis vorgegeben ist, dazu «+R», einen rennstreckentauglichen Modus. Wie üblich werden adaptives Dämpfersystem, Lenkkraft, Gangwechsel und Ansprechverhalten des Motors bedarfsgerecht angepasst.
Wir wählen «+R» aus und langsam steigt die Vorfreude auf die Kurvenkombination vor uns. Nach einigen Kurven zur Angewöhnung steigt das Tempo und der Civic spielt mit, als wäre sein Limit noch sehr weit entfernt. Die Lenkung ist direkt mit viel Rückmeldung. Die Schaltung will mit Bestimmtheit bedient werden, die Schaltwege am kleinen Schaltknauf aus Metall sind wunderbar kurz und knackig, fantastisch. Für mich die beste Handschaltung in einem Fahrzeug unter CHF 100’000.
Die Dämpfer sind im «+R» Modus noch immer tauglich für vernünftige Landstrassen und schon das ist heute eine Seltenheit. Noch viel besser: Im relaxten «Comfort» Modus, sind sie sogar komfortabler als bei Konkurrenten wie dem i30 N oder dem Focus RS, obwohl der Civic grosse 20-Zoll-Felgen in seinen noch grösseren Radhäusern verbirgt.
Das Auto schafft etwas, was heute nicht mehr viele Fahrzeuge können. Fahrfreude bei tiefen Geschwindigkeiten und gleichermassen grosses Vertrauen bei zügigeren Tempi. Es fährt unspektakulär schnell. Ist das nun gut oder schlecht? Nun, der Sound, der glücklicherweise ohne Soundgenerator auskommt, erinnert mit seinem Staubsauger-Luftverdrängungs-Klang etwas an den Nissan GT-R.
Die Dämpfer machen einen hervorragenden Job, die Gewichtsverteilung ist perfekt, die innenbelüfteten 350 mm Scheibenbremsen von Brembo verzögern kraftvoll und Honda schenkt dem Type R einen harten Begrenzer. All das und auch die restlichen Komponenten schnüren das Fahrzeug zu einem sehr umsetzungsstarken Gesamtpaket.
Einige Worte zum Motor. Die Spitzenleistung des Turbomotors mit Direkteinspritzung beträgt nun 320 PS bei 6.500 Umdrehungen und das maximale Drehmoment liegt bei 400 Nm. Der Civic Type R benötigt für die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h 5,7 Sekunden und erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von 272 km/h.
Vermisst man den «richtigen» VTEC? Also eine sprichwörtliche Drehzahlsau ohne Turbo? Jein. Man vermisst ab und an etwas Drama, möge es vom Auspuff kommen oder von einem Motor, der zwar bitte auch so effektiv ist wie dieser hier, aber noch etwas mehr Charakter hat.
Der Civic ist jedoch, mal abgesehen von seinem dramatischen Kleid, in Sachen Motor und Fahrverhalten auf pure Effektivität abgestimmt. Klar lässt sich ein Übersteuern vor der Kurve provozieren, aber der Civic will nicht primär den Fahrspass-Clown spielen, wie beispielsweise ein Focus RS mit seinem unterhaltsamen Allrad.
Interessant: Durch die Verlagerung verschiedener Elemente, einschliesslich des Kraftstofftanks, über die gesamte Länge des Fahrzeugs hinweg wurde eine verbesserte Gewichtsverteilung auf den Achsen erzielt. Diese Neuverteilung bringt, im Vergleich zum Vorgänger des Type R, eine 3-prozentige Reduktion des Gewichtsanteils über der Vorderachse ein. Resultat: 61.8% vorne zu 38.2% hinten, was somit ein weiterer Faktor für die Optimierung von Dynamik und Stabilität ist.
Kurzer Aussencheck. Der Grund warum ich mich lange vor diesem Test gescheut habe. Die Front ist absolut in Ordnung mit ihren grimmigen und scharf gezeichneten Scheinwerfern, den grossen Lufteinlässen und vielen schwarzen Kanten und Details. Unser Testwagen hat ein optionales „Exterieur Carbon-Paket“ für CHF 5’495, daher ist alles, was nach Kohlefaser aussieht, auch wirklich aus diesem Material.
Hinten ist es, meiner Meinung nach, leider nicht ganz so gelungen. Allerdings muss man dafür etwas weiter ausholen. Märkte wie Europa wollen Kompaktwagen in der Form eines Golfs, i30 oder A-Klasse. Die USA, für Honda ebenfalls ein sehr wichtiger Markt, bevorzugt allerdings Limousinen und keine Kompaktwagen.
Somit wurde der Civic eine Mischung aus einem Kompaktwagen und einer Limousine, was bei der Ansicht von der Seite (und den lobenswert-grosszügigen Platzverhältnissen) klar auffällt. Sieht ein normaler Civic ab der Mitte des Fahrzeuges schon irgendwie merkwürdig aus, wurde das beim Type R zwar durch den Flügel noch etwas optimiert, aber immernoch wirken zu viele Linien, Formen und vermeintliche Lufteinlässe etwas übermotiviert.
Die zwei grossen Auspuffrohre umfassen ein weiteres kleinere drittes Auspuffendrohr. Das ist keinesfalls eine Reminiszenz an den Ferrari F40, sondern wirkt als Soundzusatz, respektive als Soundabsorber. Bis 2000 Umdrehungen fungiert es als weiterer Abgasabfluss, was zu einem Anstieg von 2 dB Lautstärke gegenüber dem Vorgängermodell bei gleichen Geschwindigkeiten führt.
Im mittleren Drehzahlbereich (3000 Umdrehungen und aufwärts) wird der Druck im mittleren Auspuffrohr negativ und saugt Umgebungsluft an. Dies verbessert die Geräusch- und Schwingungsdämpfung durch die Beseitigung des Auspuff-Dröhnens, das andernfalls im Innenraum hörbar wäre.
Innen gibt es ebenfalls Licht und Schatten. Der Tacho ist volldigital mit leicht verspielter, aber sehr passender Darstellung, umfasst von einigen Retro-Anzeigen im Knight-Rider-Stil für Tankinhalt und Temperatur. Die Sitze sind fantastisch.
Mit roten und schwarzen Akzenten sorgen sie für optimalen Halt bei sportlicher Fahrweise und sind sogar die bisher leichtesten Type R Sitze. Der bereits gelobte Schaltknauf, die Carbon-Einsätze (optional) im Armaturenbrett und in der Mittelkonsole sind ebenfalls weitere positive Aspekte.
Negativ sind primär zwei Dinge. Einerseits das Infotainment, was in Funktion, Bedienung und Design gefühlt 10 Jahre zurückliegt, aber glücklicherweise Apple Carplay (und Android Auto) bietet und man so die aufgeräumte iOS-Bedienung nutzen kann. Andererseits bin ich nun schon in zwei verschiedenen Type R über verschiedene Tage gesessen und in beiden Fahrzeugen war ein undefinierbarer, aber unangenehmer Geruch wahrzunehmen. Randnotiz: Die Hupe, die mehr fröhlich quiekt als hupt, passt eher zu einem Honda-Rasenmäher.
Äusserst lobenswert ist, dass selbst der sportlichste Civic auf gut funktionierende Assistenzsysteme wie einem aktiven Spurhalteassistenten und einem adaptiven Tempomaten zurückgreifen darf. Weitere Assistenten sind: Kollisionswarnsystem, präventiver Fahrerassistent, präventives Spurhaltesystem mit Bremsunterstützung, Verkehrszeichenerkennung und ein intelligenter Geschwindigkeitsbegrenzer.
Was bleibt also?
Der Honda Civic Type R FK8 ist wohl fahrdynamisch einer der schärfsten Hot-Hatches, die es momentan für Geld zu kaufen gibt. Leider sorgt die gewagte Optik für Abschreckung und vereitelt dem Type R so den ihm eigentlich zustehenden Verkaufserfolg.
Der Basispreis für den Honda Civic Type R liegt bei CHF 42’800, unser Testwagen als Type R GT mit optionalem Carbon-Exterieurpaket, Carbon-Interieurpaket und rotem Beleuchtungspaket bei CHF 56’485. Der Verbrauch lag im sportlichen Schnitt bei 10.4 Liter / 100 km.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Rallye Rot, Carbon-Exterieurpaket
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