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Audi RS Q8

Mit dem Audi RS Q8 wagen sich die Ingolstädter in neues Territorium vor. Ein grosses Sports-Utility-Vehicle (SUV) mit RS-Logo gab es bisher noch nie. Schauen wir uns an, was das RS 6 Triebwerk und viele RS-spezifische Tricks und Kniffe aus dem SUV-Coupé Q8 machen können. Wird daraus, Achtung flacher Wortwitz, eine Renn-Kuh?

Im Herbst 2019 hat der RS Q8, noch als Entwicklungsfahrzeug getarnt, den Rekord für ein Serien-SUV auf der Nürburgring-Nordschleife geknackt. Frank Stippler hat eine Zeit von 7:42 Minuten auf den 20,832 Kilometern in den Asphalt gebrannt, die den Koloss in der ewigen Rangliste vor namhaften Fahrzeugen wie einem Porsche 997.1 GT3 RS (7.43 Min.) oder einem Lamborghini Gallardo Superleggera (7.46 Min.) auftauchen lässt. In anderen Worten: Ein Honda Civic Type R (7:43 Min.) ist langsamer und nur der aktuelle Rekordhalter für Serienwagen mit Frontantrieb, der Renault Megane RS Trophy-R ist mit 7:40 Min. noch etwas schneller. Zwei Jahre nach dem Rekord des RS Q8 kam übrigens der Porsche Cayenne Turbo GT, ebenfalls noch als Prototyp und konnte den Rekord mit 7.38 Min. an sich reissen.

Doch was sagen uns Nordschleifen-Zeiten? Die sehr anspruchsvolle Nordschleife verlangt nicht nur dem Fahrer viel ab, sondern besonders auch dem Fahrzeug. Gegenüber anderen Rennstrecken ist sie deutlich länger, geprägt von blinden Kuppen, Senken, Bodenwellen und garniert mit geringfügigen Auslaufzonen. Sie erinnert viel mehr an eine Landstrasse, als an die „typische“ Rennstrecke, wie man sie beispielsweise aus Monza, Hockenheim oder dem Circuit Paul Ricard kennt. Das Fahrwerk muss weicher abgestimmt werden, das Temperaturmanagement der Komponenten muss für fast 8 Minuten maximale Belastung ausgerichtet sein. Zum Vergleich: Eine Runde in Hockenheim dauert ungefährt 1.30 min. Die Belastbarkeit der Komponenten im Grenzbereich wird lebenswichtig.

Wechsel in den RS Q8. Spürt man die Nordschleife auf der normalen Landstrasse? Ja. Die Fahrwerksabstimmung ist eine Wohltat. Ein schöner Restkomfort begleitet das Feedback des Asphalts. In Kurven unterdrückt die aktive Wankstabilisierung die Wankneigung sehr effektiv. Beim Geradeauslauf werden die elektromechanischen Stabilisatoren – anders als Stahl-Stabilisatoren – entkoppelt, so dass das SUV-typische links-rechts-Wanken komplett verschwindet. Nur bei tiefen Geschwindigkeiten sind die optionalen 23-Zoll-Räder (!) unangenehm bei Unebenheiten spürbar. Was spürt man noch? Das RS 6 Triebwerk, ein 4,0-Liter-V8-TFSI-Motor mit 600 PS und 800 Nm Drehmoment zwischen 2.200 und 4.500 U/min, drückt wuchtig nach vorne. In Zahlen heisst das: Der RS Q8 braucht lediglich 3,8 Sekunden von null auf 100 km/h und fliegt in 13,7 Sekunden von null auf 200 km/h. Serienmässig wird bei 250 km/h elektronisch abgeregelt, mit dem optionalen „RS-Dynamikpaket plus“ liegt die Höchstgeschwindigkeit bei 305 km/h. Das „RS-Dynamikpaket plus“ war bei uns leider nicht an Bord, so können wir zur optionalen RS-Sportabgasanlage oder den Keramikbremsen nicht berichten. Aus dem „RS-Dynamikpaket plus“ war lediglich die Wankstabilisierung mit Sportdifferenzial in unserem Testwagen verbaut. Letzteres macht sich in sportlich gefahrenen Kurven mit besonders heckbetonter Auslegung sehr positiv bemerkbar.

In dieser Konfiguration, ohne Keramikbremsen, ohne RS-Abgasanlage war das Potenzial im Kapitel „Emotionen beim Fahren“ natürlich nicht ausgeschöpft. Die Konfiguration war auf den Käufer ausgerichtet, der aus Imagegründen keinen Cayenne Turbo im Alltag bewegen möchte, vielleicht schon einige RS 6 Modelle hatte, deren Performance mag und nun aber eine andere Karosserieform will. Weil höher sitzen und so. Wir haben uns ja schon genug über die SUV-Kaufargumente lustig gemacht. Dafür ist der RS Q8 perfekt, denn laut meinen Nachbarn, die einen guten Indikator für Aussenwirkung darstellen, ist der RS Q8 „kaum als 600 PS Maschine“ zu erkennen.

Ob er als „Sleeper“, also Wolf im Schafspelz durchgeht, mag ich zwar bezweifeln, denn besonders die optionalen 23-Zoll-Felgen in Verbindung mit den ausgestellten Radhäusern (vorne 10mm, hinten 5mm) und dem Schwellerpaket rundherum sind deutliche Anzeichen, dass hier etwas mehr Power schlummert, als im normalen Diesel-Q8. Jedoch sind die Änderungen an der Karosserie weit zurückhaltender als die Breitbau-Attacke beim aktuellen RS 6. Ein weiteres RS-Erkennungszeichen: Die ovalen Endrohre flankieren einen auffälligen Diffusor am Heck.

Innen gibt es viel Alcantara und Carbon. Auf dem Fahrstufenwählhebel und am Lenkrad schmeichelt das Alcantara ganz besonders, aber auch sonst gefällt die schnelle Kuh mit hervorragender Materialwahl und Verarbeitung. Es gibt spezielle RS-Anzeigen in der digitalen Tachoeinheit und dem MMI Display, die unter anderem über Reifendruck, Drehmoment, Leistung, Temperatur, Rundenzeiten und g-Kräfte informieren können. Die Schaltblitz-Darstellung fordert den Fahrer beim Erreichen der Drehzahlgrenze zum Hochschalten auf. Auch im Head-Up-Display gibt es weitere RS-spezifische Grafikdarstellungen. Zwei RS-Modi sind frei konfigurierbar und einfach über das Lenkrad anwählbar. Besonders gefallen haben mir die optionalen RS-Sportsitze in Leder „Valcona“ mit Wabensteppung und RS-Prägung. Sie kombinieren langstreckentauglichen Komfort mit sehr gutem Seitenhalt, einer Massagefunktion und Sitzheizung- / Belüftung. Was will man mehr?

Durch die optionalen Assistenzpakete kann man auf über 30 Assistenzsysteme zurückgreifen, wie etwa einen adaptiven Fahrassistenten, einen Effizienzassistenten, den Kreuzungsassistenten, den Spurwechselwarner oder auch verschiedene Umgebungskameras.

Was bleibt also?
Der RS Q8 ist in seinem Umfeld der kraftvollen SUV die seriöse Wahl. Quasi unvernünftig vernünftig. Verzichtet man auf die 23-Zoll-Felgen bekommt man noch etwas mehr Understatement, bei besserem Abrollkomfort und hat gleichzeitig einen sehr schnellen Koloss, der sich im Alltag dank Hinterachs-Lenkung, Luftfederung mit Wankstabi, Zylinderabschaltung und Mildhybrid-System (MHEV) verhältnismässig vernünftig bewegen lässt. Mein Geld wäre allerdings beim RS 6 Avant. Warum? Der RS 6 ist eine Audi-Ikone schlechthin, rund 300 kg leichter bei derselben Leistung und das vielleicht wichtigste Argument: Er schafft einen noch grösseren Abstand, optisch wie auch dynamisch, zu seinen zivileren Brüdern..

Der Verbrauch lag im Schnitt bei 12,3 Liter Benzin / 100 km. Der Basispreis für den Audi RS Q8 liegt bei CHF 160’900.-, unser Testwagen mit optionalen Ausstattungen in der Aussenlackierung ”Florettsilber Metallic” liegt bei CHF 198’770.-

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Aussenfarbe «Navarrablau Metallic», Leichtmetallräder, 10-Speichen-Stern, 10,0Jx22, Reifen 295/40 R22, Optikpaket Carbon/schwarz, RS-Stossfänger in Wagenfarbe (Volllackierung), Entfall Modellbezeichnung, Privacy Verglasung (Scheiben abgedunkelt), RS-Keramikbremsanlage mit Bremssätteln in Anthrazitgrau, Fahrwerkspaket advanced, RS-Sportabgasanlage

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