Viele Sportwagen-Enthusiasten mögen keine SUVs. Ich gehöre eigentlich auch dazu, teste aber ab und an mal wieder verschiedene Modelle, weil ich dabei oft überrascht werde. So auch hier.
Der Macan GTS oder auch der Range Rover Sport SVR haben in der Vergangenheit gezeigt, dass ein SUV nicht nur schnell sein, sondern auch ordentlich Spass machen kann. Porsche hat die dritte Generation des Cayenne kräftig überarbeitet und in Sachen Sportlichkeit nochmal nachgewürzt.
Hört sich nach Marketing-Blabla an? Ja, das dachte ich mir auch, als ich die Cayenne-Produktseite besucht habe. Aber die Tage im grossen SUV haben das Gegenteil bewiesen.
Also einsteigen und los. Die Sitzposition ist wie in jedem Porsche absolut fantastisch. Ich kann tief sitzen und die optionalen adaptiven Sportsitze sind 18-fach verstellbar. Dreht man an einer Art Schlüssel, der aber fest im ehemaligen Zündschloss sitzt, startet der Motor.
Der 3,0-Liter-V6-Turbo-Motor im Cayenne ist mit einem Twin-Scroll Turbolader ausgestattet und leistet 340 PS. Das maximale Drehmoment von 450 Nm wird bei 1.340–5.300 U/min erreicht. Zum Vergleich: der neue Cayenne S sorgt mit 2,9-Liter-V6-Biturbo-Motor für 440 PS 550 Nm bei 1.800–5.500 U/min.
Ohne Direktvergleich lässt sich sagen, dass die 340 PS ausreichen. Die Sprintzeit aus dem Stand auf Tempo 100 km/h vergehen in gerade mal 6,2 Sekunden, die Höchstgeschwindigkeit wird mit 245 km/h angegeben.
Viel wichtiger ist die optionale Porsche Dynamic Chassis Control (PDCC) in Verbindung mit der Luftfederung. Dank elektromechanischen Stabilisatoren an Vorder- und Hinterachse vermindert PDCC aktiv die Seitenneigung in Kurven. Gefahren heisst das: Du kannst Kurven in Tempi durchfahren, bei dem du mit vielen anderen SUV schon lange im Gebüsch gelandet wärst.
Eine kurvige Passage ist vor mir, ich kann per Drehschalter am Lenkrad „Sport+“ anwählen und alle Systeme werden schärfer. Schon beim Anbremsen auf eine Kurve neigt sich das Fahrzeug kein Stück und lenkt direkt und sehr dynamisch ein. So kann man sich Kurve für Kurve mit einer stoischen Sicherheit an einen «Hothatch» ranfahren, obwohl sich dieser sehr bemüht, seinen vermeintlich «sportlichen» Kleinwagen dynamisch durchs Geschlängel zu bewegen.
Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass man ein knapp fünf Meter langes und zwei Tonnen schweres Ungetüm lenkt. PDCC hin oder her, schon nach wenigen sportlichen Bremsmanövern zeigt sich dann aber, dass für solche Eskapaden die Basisversion mit zu kleinen Bremsen ausgestattet wurde.
Wer es also gerne sportlich angeht, dem raten wir auf die sogenannte PSCB-Bremse zurückzugreifen. Die Abkürzung steht für „Porsche Surface Coated Brake“. Bei dieser Neuentwicklung handelt es sich um Gragussscheiben mit Wolframcarbid-Beschichtung. Die Vorteile: mehr Performance bei weniger Verschleiss und Bremsstaub. Darüber rangiert weiterhin die sehr teure Carbon-Keramik-Bremse (PCCB).
Ebenfalls nicht an Bord bei unserem Testwagen, aber erstmals im Cayenne verfügbar, ist die Hinterachslenkung. Die durften wir bisher nur im Panamera und im Elfer fahren, da hat sie aber bestens funktioniert.
Ebenso perfekt funktioniert auch die 8-Gang-Doppelkupplung «PDK», die den üblichen Wandlern nochmals um einige Prozent überlegen ist. Vorausschauend, schnell und je nach Fahrprogramm hart oder sanft sortiert sie die verschiedenen Gänge zuverlässig vor.
Wechsel in den Innenraum. Materialauswahl und Verarbeitung sind auf höchstem Niveau. Hauptattraktion ist das neue Porsche Advanced Cockpit mit 12,3-Zoll Touchscreen. Das Display ist sehr gross, reagiert extrem schnell und lässt eigentlich keine Wünsche offen. Nun, leider sind aber auch die Schaltflächen für weitere Unterfunktionen meistens ganz oben am Display und sehr klein geraten. Klar, braucht man nicht jeden Tag die Feinabstimmung seiner Audioanlage zu verändern, aber das Display ist riesig und diese Schaltfläche nun wirklich sehr klein.
Die Mittelkonsole aus dem Panamera mit Glasscheibe und darin integrierter Touchfläche ist kein Glanzpunkt in der Porsche Geschichte. Erstens ist sie schon nach wenigen Stunden übersäht mit Fingerabdrücken und zweitens zeigt sie bei Sonneneinstrahlung auch Tasten an, die ausstattungsbedingt gar nicht verfügbar sind. Um ein Beispiel zu nennen: E-Power bei unserem Basis-Cayenne.
Zahle ich einen sechsstelligen Betrag für meinen Cayenne, möchte ich wirklich, dass mein Auto eine individuelle Glasscheibe bekommt, auf der nur die Tasten hinterlegt sind, die ich auch anwählen kann und mich nicht permanent an die z.B. nicht-vorhandene Sportabgasanlage oder den E-Power Modus erinnert. Loben hingegen muss man den halb digitalen Tacho, der auch im Jahre 2018 noch auf einen mittigen und «realen» Drehzahlmesser zurückgreifen darf. Dieser wird von zwei 7,0 Zoll grossen Displays umgeben, die alle weiteren relevanten Fahrdaten darstellen.
Aussencheck: Wählt man 21-Zoll großen Alufelgen (Serie sind 19-Zoll), bekommt man automatisch Radhausverbreiterungen in Wagenfarbe, welche die geschärfte, nach hinten flacher werdende Linienführung unterstützen und das Fahrzeug noch breiter wirken lassen.
Das Heck wurde komplett überarbeitet. Ähnlich wie im Panamera dominiert das Leuchtenband, das sich über den ganzen Kofferraum zieht. Darin verborgen sind Rückleuchten mit LED-Technik, die allerdings nicht dreidimensional ausgeformt sind wie beim 911er. Zwar sind die einzelnen Leuchtelemente als dreidimensionale Körper erkennbar, aber eben nicht hervorgehoben / eingelassen.
Abgeschlossen wird das Heck beim Basis-Cayenne mit rechteckigen Auspuffendrohren. Gönnt man sich den Cayenne S, kriegt man eine viel hübschere 4-Rohr-Auspuffanlage, die auch den sportiveren Charakter besser unterstreicht.
Ihr wollt ein Fazit? Sehr gerne. Ich glaube, irgendwann werde ich einen Cayenne besitzen. Ich mag seinen Charakter, sein Auftreten, seine Präsenz. Er gibt mir das Gefühl, dass ich auch in einigen Jahren etwas Sportwagenflair mit unglaublich viel Komfort, ausgezeichneter Langstreckentauglichkeit, gutem Raumangebot und Geländegängigkeit vermischen kann.
Wenn also aus der schmalen, kurvigen Landstrasse irgendwann nur noch Autobahnen, Waldwege und Wiesen werden, weil ich statt des Scheitelpunktes einer Kurve, nur noch die Hundeleine suche oder neue Wanderwege entdecken will, erinnert mich der Cayenne auf Knopfdruck an frühere Zeiten. So mag ich das!
Allerdings würde ich wohl auf den Cayenne S zurückgreifen, dessen Aufpreis verbunden mit deutlicher Mehrleistung, netteren Endrohren und der besseren länderspezifischen Ausstattung (Luftfederung mit Niveauregulierung und Höhenverstellung umsonst) wie ein sehr gutes Angebot wirkt.
Egal ob Cayenne oder Cayenne S: Schweizer Kunden profitieren von einer Garantieverlängerung (2 + 2 Jahre) sowie von den Inhalten des Porsche Swiss Packages, in dem folgende Ausstattungsoptionen ohne Aufpreis enthalten sind: Porsche Active Suspension Management (PASM), ParkAssistent vorne und hinten inkl. Rückfahrkamera, LED Hauptscheinwerfer inkl. Porsche Dynamic Light System (PDLS), Servolenkung Plus, Sitzheizung vorne und Digitalradio DAB+. Für den Cayenne S kommt, wie erwähnt, zusätzlich die Luftfederung mit Niveauregulierung und Höhenverstellung hinzu.
Der Cayenne kostet in der Schweiz CHF 99‘300. Die Preise für den Cayenne S beginnen bei CHF 121‘300 – jeweils einschliesslich Mehrwertsteuer und länderspezifischer Ausstattung. Unser Testwagen lag mit Sonderausstattung bei CHF 135’220. Der Durchschnittsverbrauch hat sich bei gemischter Fahrweise bei 10,4 L eingependelt.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Aussenfarbe „Tiefschwarzmetallic“, 21-Zoll Cayenne Turbo Design Räder in Platinum (seidenglanz) inkl. Radhausverbreiterung in Exterieurfarbe, Entfall Modellbezeichnung, Geräusch- und Wärmeschutzverglasung inkl. Privacy-Verglasung, Exterieur-Paket schwarz (hochglanz)
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