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Audi Q8 e-tron 55 Quattro (2023 / GE)

Vor einigen Wochen haben wir euch über den Neuzugang in meinem privaten Fuhrpark erzählt, einem Audi e-tron 55 Quattro Vorfacelift – nun fuhren wir das Facelift, der sich unterdessen mit dem Beinamen Q8 schmückt. Wir schauen uns also den direkten Vergleich an, was ist gleich, was ist besser und gibt es auch „Verschlimmbesserungen“?

In den Audi Q8 e-tron oder früher nur „e-tron“ hat Audi zwei Milliarden Euro an Entwicklungskosten gesteckt. Natürlich werden solche Entwicklungsinvestitionen auch von anderen Modellen und Marken im Konzern weitergetragen, aber ursprünglich war der erste Audi e-tron der ausschlaggebende Grund und somit wohl eines der teuersten Fahrzeuge der Marke Audi.

Ob sich das finanziell gelohnt hat, bezweifle ich, aber vergleicht man die Schweizer Verkaufszahlen von 2019 – 2022, hat der e-tron mit über 3’500 zugelassenen Exemplaren seine Konkurrenten von damals, den Jaguar I-Pace (über 1000) und den Mercedes-Benz EQC (über 1400) deutlich hinter sich gelassen und deren Entwicklungskosten waren wohl kaum geringer..

Nur logisch also, dass man die Lebensdauer noch etwas verlängert und das Fahrzeug mit einem „Mid-Cycle-Refresh“, also einem Facelift nach 3 Jahren aufhübscht, so dass man dem Leasingkunden nach 3 Jahren eine verbesserte Version unter die Nase reiben kann. Was ist also neu? Nun, beim e-tron gab es Jahr für Jahr kleine Optimierungen an Soft- und Hardware, so dass beispielsweise die WLTP Reichweiten von 411 km (State-of-Production ab Woche 36 / 2018) über 436 km (SOP Woche 49 / 2019) bis auf 446 km (SOP Woche 04 / 2020, Sportback-Modell) angewachsen sind. Die Optimierungen umfassten eine erhöhte Nutzbarkeit der State-of-Charge-Kapazität, elektrische Achsentkopplung, Optimierung des Restbremsmoments und Reduzierung des Kühlmittelvolumenstroms. Das war aber kein offizielles Facelift und wurde auch kaum bis gar nicht kommuniziert. Auf der tollen Website „https://electrichasgoneaudi.net/models/e-tron/mychanges/“ findet man sehr viele umfangreiche Informationen zum Audi e-tron und alle seinen Detailänderungen pro Modelljahr.

2022 kam allerdings die Ankündigung für ein grösseres Facelift, neuer Beinamen Q8 mit dem Hintergrund, dass bald alle elektrischen Audi-Modelle eine gerade Zahl beinhalten und die ungeraden Zahlen zu Verbrennermodellen werden. Der kommende Audi S4 wird also S5 heissen, auch als Kombi. Zurück zum e-tron, ähh Entschuldigung Q8 e-tron. Macht eigentlich wenig Sinn, da Q7 oder auch Q8 nochmals deutlich grösser sind als der e-tron, aber Q6 halt bereits vom verspäteten Q6 e-tron besetzt wird.

Was ist also neu? In die Basisversion Q8 e-tron 50 kommt der bisherige 55er Akku mit netto 89 kWh, während in den neuen Q8 e-tron 55 (und SQ8 e-tron) eine grössere Batterie mit netto 106 kWh kommt. Dazu steigt beim 55er und S die Ladeleistung von 150 kW auf 170 kW. Optional bietet Audi nun auch eine AC-Ladeleistung von 22 kW an. Die Reichweite hat sich beim e-tron 55 von 436 km auf 582 km erhöht und beim Sportback-Modell sollen sogar 600 km möglich sein. Soweit die Theorie. Die Praxiswerte folgen später.

Doch wie funktioniert das? Bisher hat Audi auf Lithium-Nickel-Kobalt-Mangan (NCM) gesetzt, nun wurde auf Lithium-Nickel-Kobalt-Aluminium-Oxide (NCA) umgestellt. Somit lässt sich mehr Aktivmaterial in den Zellen unterbringen und entsprechend eine höhere Kapazität erzielen. Ebenfalls neu: Serienmässig bietet der Audi Q8 e-tron die Funktion Plug & Charge. An kompatiblen Ladesäulen autorisiert sich das Fahrzeug beim Einstecken des Ladekabels selbst und schaltet die Säule frei. Die Abrechnung erfolgt vollautomatisch, sofern man beim „richtigen“ Anbieter registriert ist.

Leistungstechnisch sind wir weiterhin bei 405 PS / 300 kW und bis zu 664 Nm Drehmoment im Boostmodus. Nun, was merkt man? Ich habe meinen frühen 2019er e-tron 55 mit WLTP 411 km Reichweite gegen den neuen Q8 e-tron getauscht und im direkten Vergleich (selbe Strecke, 7-Grad Aussentemperatur, selbe Geschwindigkeit, 1 Zoll grössere Felgen beim 2023er) etwas mehr verbraucht (23.2 kWh/100km beim 2023er ggü. 22,4 kWh beim 2019er), aber durch die grössere Batterie 50 km mehr Restreichweite zur Verfügung gehabt. Hochgerechnet auf 100% statt 365 km nun knapp über 400 km. WLTP und Realität sind halt, besonders im Winter, weit auseinander. Realistisch ist die 30% grössere Reichweite allerdings, nur ist 30% von X nicht gleich viel, wie von Y.

Auf unseren Teststrecken – was bemerken wir? Eine deutlich dynamischere und direktere Lenkung. Audi hat die Progressivlenkung überarbeitet, so dass der Totraum um die Mittellage kleiner wird und dazu ein steiferes Fahrwerkslager an der Vorderachse eingesetzt, so dass die Lenkbewegungen unmittelbarer auf die Räder ankommen und mehr Rückmeldung an den Fahrer zurückkommt. Weitere Optimierungen liegen versteckt. Zum Beispiel an der Hinterachse: Dort wurde das Motorenkonzept der Asynchronmaschinen modifiziert. Statt zwölf erzeugen nun 14 Wicklungen das elektrische Magnetfeld. Bei gleichem Stromeinsatz generiert der Motor so ein stärkeres Magnetfeld, das wiederum für ein höheres Motordrehmoment sorgt. Wird dieses nicht abgerufen, benötigt der Elektromotor weniger Strom, um Drehmoment aufzubauen.

Spürbar ist die sportlichere Ausrichtung der S-Line Luftfederung, die zusammen mit der optimierten Lenkung und Vorderachslager den Q8 e-tron schon deutlich sportlicher positioniert als noch mein 2019er Modell. Weg ist das gemütliche Nachwippen über Unebenheiten, das an einen fliegenden Teppich (oder einen Range Rover) erinnert, diese werden nun zügig geschluckt und auf kurze Stösse könnte man, in Verbindung mit den 21-Zoll grossen Leichtmetallfelgen, fast vergessen, dass man hier in einem Fahrzeug mit Luftfederung sitzt. Positiv: Das Einnicken in Kurven und beim Bremsen wurde dem Q8 e-tron S-Line praktisch komplett ausgetrieben.

Aussencheck: An leichten Änderungen an der Front und im Heck erkennt man das Facelift-Modell. Im Bereich des nun beleuchteten Kühlergrills ergänzt erstmals in einem Fahrzeugmodell von Audi ein selbstabdichtendes System die elektrischen Jalousien, die den Kühler automatisch verschliessen. Dieses System optimiert den Luftstrom am Vorderwagen weiter und verhindert unerwünschte Verluste. Neu ist auch die Modellkennzeichnung mit einem Audi-Schriftzug auf der B-Säule. Beim Testwagen waren die virtuellen Aussenspiegel (optional für CHF 1’690) verbaut, die einige Zeit an Eingewöhnung brauchen, aber nach dem Testzeitdrum keinen „Will-haben“ Reflex ausgelöst haben, obwohl ich erstaunt war, dass trotz vielem Regen und auch bei Dunkelheit die Spiegel gut funktioniert haben – schlussendlich ist es vor allem das Abschätzen von Geschwindigkeit und Distanz, was über einen Monitor deutlich schwieriger funktioniert als mit einem handelsüblichen Spiegel.

Innen sind wir weiterhin von vielen recycelten Materialien umhüllt, sportliche rote Ziernähte bringen den S-Line Charakter in den Innenraum, die Verarbeitung ist gut, die Materialwahl ebenfalls. Beim Testwagen wurde allerdings an einigen Orten gespart. Nur Teilleder, keine Beduftung, kein B&O Sound. Eine Frage der Priorität, aber ich für mich möchte auf keine der drei Optionen verzichten. Der digitale Tacho bietet nun weitere Darstellungslayouts und mehr Detailoptionen. Das MMI ist weiterhin gleich gross, wirkt aber etwas schneller und detailstärker in z.B. der Kartendarstellung. Neu für den e-tron ist der Remote Parkassistent plus, mit dem man den Einparkvorgang über die myAudi App auf dem Smartphone steuern kann. Andere Marken können das seit 2017, aber wir wollen da mal nicht zu streng sein. Ebenfalls neu seit diesem Jahr: Audi bringt einen App-Store ins Fahrzeug mit dem man beliebige Apps wie Spotify individuell herunterladen kann.

Bevor wir zu den Fahrassistenten kommen, müssen wir allerdings über den LIDAR sprechen. Der wird nämlich seit 2020 still und heimlich eingespart. Funktioniert so: LIDAR steht für Light Detection and Ranging und ist unterhalb des Nummernschildes im vorderen Stossfänger montiert. Er setzt auf eine optische Fernerkundungstechnik, bei der Laserlicht für ein dichtes Abtasten von Umgebungselementen verwendet wird. Beim 2023er Modell ohne solchen Sensor hatte ich zwei Phantombremsungen, bei der über den Distanzhalter, mit Sensoren in den nun flachen Audi-Ringen, das Tempo reduziert wurde, ohne dass vor mir ein Fahrzeug war (dafür aufgewirbelte Regengischt) und gleich mehrmals sind die Fahrassistenten komplett ausgefallen, da sie über schlechte Sicht geklagt haben. Hätte man also nicht besser den LIDAR verbaut lassen? Die Antwort geben wir uns gleich selbst, in dem wir gehört haben, dass im Q6 erneut LIDAR zum Einsatz kommen soll.. Sind die Fahrassistenten aber gerade mit freier Sicht versorgt, funktionieren sie prima und vorausschauend, genau wie sie es tun sollten.

Was bleibt also?
Kaum mehr Effizienz, dafür eine grössere Batterie. Ich hätte lieber mehr Fokus auf deutlich bessere Effizienz bei gleicher oder im besten Fall grösserer Batterie gesehen. Besonders, wenn man sieht, wie sehr die Konkurrenz seit 2019 aufgeholt hat und mit deutlich kleineren Batterien grössere Distanzen schafft. Das lässt den Q8 e-tron nicht mehr wirklich taufrisch wirken, obwohl er weiterhin mit seinem Luxus und Komfort punkten kann. Mit den weiteren Optimierungen wird der Q8 e-tron einen Hauch fahrdynamischer – das kann nicht schaden. Und die Konkurrenz? Die sehen wir am ehesten von den nun sehr günstigen gebrauchten Vor-Facelift-Modellen..

Der Verbrauch lag im sportlichen Schnitt bei 26,1 kWh / 100 km. Der Basispreis für den Audi e-Tron 55 S-line liegt bei CHF 99’000.-. Unser Testwagen mit Aussenfarbe “Chronosgrau Metallic” liegt bei CHF 134’920.-.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Nachtblau Perleffekt, Stossfänger advanced in Volllackierung, Räder 15-Speichen, graphitgrau, glanzgedreht, 9,5Jx21, Reifen 265/45 R21, Optikpaket schwarz, Akustikverglasung für Tür- und Seitenscheiben mit Sonnenschutzverglasung abgedunkelt

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