Wir fahren das Porsche Panamera «Facelift» in der 4S Version. Was sich als Brot- und Butter Version anhört, ist tatsächlich gespickt mit Zutaten, die wir bestens aus anderen Fahrzeugen kennen und schätzen gelernt haben. Wie wird das hier im Porsche harmonieren?
Die Abholung ist Porsche-typisch im Kanton Zug, genauer in Risch-Rotkreuz. Die ersten Minuten nach der Übergabe sind wichtig. Wie gut lässt sich die Sitzposition einstellen, passt die Ergonomie? Wie zügig kann man sein Smartphone mit dem Fahrzeug verbinden, gibt es kabelloses Apple Carplay? Dann startet die Fahrt zurück an den nördlichsten Teil der Schweiz. Die Rückfahrt dient oftmals auch gleich als Verbrauchsfahrt. Wie ist der Komfort? Wie sparsam kann der Testwagen bewegt werden? Funktionieren die Fahrassistenten auf der Autobahn zuverlässig?
Ihr seht, wir fahren die Testwagen nicht einfach nur von A über eine OneMoreLap nach B und weiter nach C, sondern versuchen jeden Moment im Auto zu nutzen, um Erkenntnisse zu sammeln und diese in einer sinnvollen Bewertungsskala, sowie auch gegenüber deren Konkurrenten, einzuordnen. Ich muss mich jeweils ganz fest zusammenreissen, um nicht in fremden Autos, bei Freunden oder anderen Mitfahrgelegenheiten, die Mittelkonsole versuche zu bewegen, sämtliche Dreh- und Drückschalter anfasse, um deren Haptik zu erfühlen oder die Schnelligkeit des Infotainmentdisplays mir unter die Lupe nehme.
Doch wir sind beim Porsche Panamera 4S. Die Schwaben interpretieren die Limousine etwas anders als ihre Konkurrenten und spendieren ihr beispielsweise das Porsche Doppelkupplungsgetriebe, den Audi RS 4 Motor und auf Wunsch auch eine sehr ähnliche Dämpferkonstruktion wie im Bentley Continental. Während wir serienmässig die adaptive Luftfederung mit «Porsche Active Suspension Management» bekommen, gäbe es optional noch die Bentley-artige «Porsche Dynamic Chassis Control Sport (Wankstabilisierung) mit Porsche Torque Vectoring Plus (PTV Plus)». Dafür kommt im 4S der uns bekannte V6-Biturbo aus dem Audi-Regal (RS 4, RS 5) mit 440 PS und 550 Nm zum Einsatz. Im Gegensatz zum Audi kommt hier jedoch das 8-Gang Porsche Doppelkupplungsgetriebe (PDK) zum Einsatz.
Treffen sich zwei – wird’s lustig? Nicht hier. Der Panamera hat einen mysteriösen Charakter und auch nach einer Woche bin ich nicht dahintergekommen, ob er nun Fisch oder Vogel sein will. Das PDK ist im normalen Fahrbetrieb sehr weich, gibt sich entspannt. Die Eingriffe werden deutlich schneller ausgeführt als bei einem Wandler, soviel für die Pro-Seite. Beim Rangieren und der Feinarbeit in Parklücken nervt das ständige Giermoment und die fehlende Möglichkeit des «Kriechens» deutlich stärker als in anderen (kleineren) Autos mit zwei Kupplungen. Dazu kommt, dass sich das PDK auf Gasbefehle urplötzlich entschliesst den übermotivierten Sportler rauszulassen, zwar blitzschnell runterschaltet, der Motor aufheult und dann die Physik die beiden Parteien aber doch daran erinnert, dass wir hier im Pendant zu einem Audi A7 sitzen und gut und gerne zwei Tonnen mitschleppen. Schlussendlich wirkt es so «bemüht». Dieselbe Doppelkupplungstechnik im Bentley war deutlich entspannter und harmonischer. Suggerierte Sportlichkeit für die Premium-Limousine. Ich fand das befremdlich, vielleicht suchen andere Käufer genau dieses Alleinstellungsmerkmal und finden es dann im Panamera.
Genug der Kritik, den ansonsten war der Panamera ein wirklich gelungenes Fahrzeug. Die optionale Sportauspuffanlage gibt einen schönen und facettenreichen Sechszylinder-Klang von sich, die Lenkung ist für die Fahrzeugklasse sehr zielgenau mit einer schönen Rückmeldung garniert, die Fahrmodi bieten eine deutliche Spreizung, der Motor zieht schön an und kann gleichermassen sparsam wie auch sportlich bewegt werden. Die Luftfederung macht dabei keine Ausnahme, federt kaum nach, dämpft trotzdem alle Unebenheiten weg und ist so zwar angenehm, aber auch hier bemüht, nicht zu viel Komfort zuzulassen. Wo der Bentley immer leicht «schwebend» fuhr, fühlt man hier stets die Verbindung zur Strasse.
Fährt man den Porsche zügiger, kommt er in sein Element. Die Verbindung zwischen Fahrwerk, Lenkung und Ergonomie (u.A. mit sehr tiefer Sitzposition) harmoniert und auch das Getriebe kann dann punkten. Der Motor leidet etwas unter dem schweren Rucksack, denn er zu tragen hat, doch er bemüht sich lautstark, den 1.93m breiten, 5.05m langen und 1.42m hohen Spross aus Zuffenhausen über die Landstrasse zu schieben. Der Allrad ist hecklastig, was man beim Herausbeschleunigen aus engen Kehren spüren und im digitalen Tacho mit analogem Drehzahlmesser (sehr schönes Detail!) auch über die Kraftverteilung beobachten kann. Grundsätzlich fehlt nichts, doch da wir schon den Panamera Turbo S (Vorfacelift) fahren durften, fühlt sich das Chassis hier halt leicht unterfordert an. Positiv aufgefallen ist der optionale 90-Liter-Tank, der sehr hohe Reichweiten ermöglichst.
Optisch lässt sich das Panamera Facelift durch das durchgehende und neuerdings nahtlose Leuchtenband, sowie die neuen LED-Heckleuchten erkennen. Weiter wurde das Heckunterteil umgestaltet, sowie das vom Vorgänger bekannte Sport Design-Bugteil serienmässig in die 4S Variante übernommen.
Im perfekt verarbeiteten Innenraum mit sehr schönen Materialien kommt ein neues Multifunktions-Lenkrad zum Einsatz. Es hat optisch-schwebende Multifunktionselemente und erinnert an ältere Rennsportlenkräder. Dazu kommt unten rechts der Fahrmodus-Wählschalter mit Sport-Response-Button. Darüber lässt sich für kurze Zeit, egal aus welchem Fahrmodus, die volle Leistung abrufen. Ideal für Überholmanöver. Wirft man einen kurzen Blick zum Konkurrenten AMG GT 4-Türer, fällt auf, dass Porsche deutlich zurückhaltender agiert in Sachen Lenkräder. Generell mag ich minimalistisches Design in Fahrzeugen und auf Lenkrädern, aber hier bevorzuge ich das Lenkrad aus dem AMG GT, rein aus dem Grund, dass ich den digitalen Tacho und das Infotainment über die interaktiven Touchfelder steuern kann, ohne einen Finger vom Lenkrad nehmen zu müssen.
Im Panamera 4S ist die Bedienung des Infotainments sehr fingerorientiert, zwar gut durchdacht, aber manchmal sind die Schaltflächen etwas gar klein. Das optionale Bose Soundsystem mit 14 Lautsprechern inklusive separatem Subwoofer und einer Gesamtleistung von 710 Watt kann überzeugen, wenn ich auch ohne Zweifel zum Burmester System mit 21 Lautsprechern greifen würde. Die Rückfahrkamera ist auflösungstechnisch nicht mehr ganz State-of-the-Art, dafür können wir den PDK-Wählhebel loben, der nicht nur gut aussieht, sondern sich auch ein mehrfaches wertiger anfühlt, als dieser aus dem 911 (Baureihe 992.1).
Die neuen Panamera-Modelle heben nun serienmässig den Spurhalteassistenten inklusive Verkehrszeichenerkennung an Bord. Optional stehen darüber hinaus die bewährten Licht- und Assistenzsysteme zur Verfügung. Das sind Porsche InnoDrive inklusive Abstandsregeltempostat, der Nachtsichtassistent, der Spurwechselassistent, die LED-Matrix-Hauptscheinwerfer inklusive PDLS Plus, der Park Assistent inklusive Surround View und ein Head-Up-Display. Head-Up-Display und InnoDrive waren bei uns an Bord und konnten restlos überzeugen.
Was bleibt also?
Der Panamera 4S ist ein tolles Fahrzeug. Wir wurden zwar keine besten Freunde über die Testdauer, aber grundsätzlich nur, weil mein Herz schon an den stärkeren Panamera Turbo S vergeben ist. Bestellt man sich einen Panamera, eine der besten Sportlimousinen die es gibt, sollte man definitiv das grosse Kreuz setzen: Grosser Motor (mind. Achtzylinder), PDCC Sport, PTV Plus und Sportabgasanlage. Alles andere ist leider ein Kompromiss, den man bereuen wird, wenn man weiss, was einem verborgen bleibt.
Der Verbrauch lag im Schnitt über die gesamte Testdauer bei 9,4 Liter Benzin / 100 km. Der Basispreis für den Porsche Panamera 4S liegt bei CHF 147’400, unser Testwagen in der Aussenfarbe “Amethyst Metallic” und optionaler Ausstattung lag bei CHF 182’970.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Aussenfarbe Enzianblau Metallic, 21-Zoll Panamera SportDesign Räder, Bi-Color Lederausstattung in Schwarz-Sattelbraun, Glattleder, SportDesign Paket mit SportDesign Schwellerverkleidungen Porsche Exclusive Manufaktur, Sportabgasanlage inkl. Sportendrohren silber
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