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Toyota GR86 – Puristischer Sportwagen im Testbericht

Grosse Nachfrage nach Testwagen und unser Wunsch, den GR86 nicht auf Winterreifen testen zu müssen, waren ausschlaggebend für das verhältnisweise späte Testdatum. Hat der GR86 uns enttäuscht oder konnte er dem Hype gerecht werden? Das und mehr schauen wir uns jetzt an.

Um den Toyota GR86 ist ein regelrechter Hype ausgebrochen. Im Netz als der letzte erschwingliche puristische Sportwagen gefeiert, hat er für Schlagzeilen gesorgt, weil beispielsweise die gesamte geplante Produktion für England innert 90 Minuten ausverkauft war und auch in Deutschland die Auftragsbücher für 2022 zügig gefüllt waren. Der Grund: GR86 wird nur für zwei Jahre verkauft und die Prognose war, etwas über 4’000 Einheiten nach Europa zu bringen. Nun, in der Schweiz war das etwas anders. Zeitenweise waren über 60 Neufahrzeuge bei Autoscout24.ch gelistet, momentan sind es noch knapp 20. Von Ausverkauft also keine Spur und trotzdem auch hier eine Erfolgsgeschichte?

Ich denke schon. Schauen wir uns die Zulassungszahlen an: 2022 wurden in der Schweiz 147 neue GR86 zugelassen. Andere Sportwagen sind etwa im selben Bereich unterwegs mit 136 Mazda MX-5 oder 123 Alpine A110. Nur der Allzeit-Klassiker Porsche 911 ist mit 1094 Exemplaren deutlich darüber. Für 2023 sieht es sogar noch besser aus, mit Zulassungszahlen von Januar – März von 25 GR86, 24 MX-5, 11 A110. 

Kann man sagen, dass der Schweizer mal wieder etwas länger gebraucht hat, um auf den «Geschmack» zu kommen? Jein. Die positive Berichterstattung und das neu gewonnene Ansehen in Puristenkreisen helfen bestimmt, aber Toyota hat auch mit der Nachfrage zu kämpfen, so dass lange Wartezeiten auf Bestellungen die Zulassungen weit hinauszögern. 

Wartezeiten hin oder her, wir haben ein Fahrzeug hier. Wie ist also der Fahreindruck? Nun, der GR86 liefert. Setzt da an, wo sein Vorgänger GT86 etwas schwach war – Leistungsentfaltung, nutzbares Drehmoment im Alltag und Ansprechverhalten. Es bleibt beim Boxermotor, der Hubraum steigt aber auf 2,4 Liter (+0,4 Liter), die Leistung auf 235 PS (+35 PS) bei 7.000 U/min und 250 Nm (+45 Nm) bei 3’700 U/min. – dazu gefällt die veränderte Leistungsentfaltung über das Drehzahlband, welches nun genug Drehmoment für ein tieftouriges «Mitschwimmen» im Stadtverkehr ermöglicht und trotzdem oben-raus nicht zugeschnürrt wirkt. Der Grund dafür: Die Entwickler haben den Durchmesser und die Länge des Ansaugkrümmers optimiert. Dies führt zu einer lineareren Drehmomententwicklung ohne Einbruch im mittleren Tourenbereich und zu einer elastischeren Beschleunigung in hohen Drehzahlbereichen. 

Dazu gab es weitreichende Änderungen an Einlassventile, Wasserpumpe, Benzinpumpe, Ölkühler, Luftkühler, Abgasanlage und den Motorhaltern. Durch die Änderungen konnte auch die Lichtmaschine um 10mm nach unten versetzt werden. Das Resultat im gesamten Paket ist positiv. Packt man den kleinen Toyota bei den Hörnern, begeistert er. Der Motor durchläuft alle möglichen Tonstufen, vom sonoren Boxerknurren bis zur kreischenden Waschmaschine im Endstufen-Schleuderprogramm. Leider wird letzteres übertönt durch den Soundaktuator, der für den 18-jährigen Probefahrt-Touristen abgestimmt wurde und mir nach einer Stunde in sportlicher Gangart Kopfschmerzen beschert hat. Es gibt wohl Wege und Methoden diesem unnötigen Teil den Garaus zu machen, jedoch leider nicht über ein Kippschalter oder den Touchscreen – da braucht es schon einen Eingriff in die Hardware mit Schraubendreher und co.

Das ist aber der allereinzige Kritikpunkt, den wir in Puncto «Fahrvergnügen» haben. Knackige Schaltung, tolles Chassis und eine puristische Dämpferabstimmung, die vorzüglich zum Rest des Autos passt. An der Vorderachse kommen neuerdings Zugfedern und eine Motorhalterung aus Aluminium zum Einsatz, zudem ist das Lenkgetriebe steifer aufgehängt. Um dem erhöhten Drehmoment des 2,4-Liter-Motors gerecht zu werden, haben die Fahrwerksspezialisten von Toyota die Hinterradaufhängung zusätzlich verstärkt und den Stabilisator direkt mit dem Rahmen verbunden. Das fährt sich erstaunlich komfortabel in der Stadt bei tieferen Geschwindigkeiten, sehr direkt, transparent und verspielt auf der Landstrasse, nur auf der Autobahn kommen Schläge und Übergänge knochentrocken ins Cockpit.

Sogar das Gewicht konnte um 50 kg gesenkt werden. Im neuen GR86 sind Dachverkleidung, vordere Kotflügel und Motorhaube aus Aluminium. Gute Nachrichten in einer Zeit, in der Lotus, früher bekannt für den Werbeslogan «Because light is right», ein Elektro-SUV mit über 2.5 Tonnen, grösser als ein Volvo XC90, verkaufen möchte. Verrückte Welt und Toyota scheint den klassischen Puristen retten zu wollen, bedenkt man deren kürzlichen Schwenker zu detailverliebten und tollen Enthusiasten-Autos.

Besonders auf schmalen, unebenen und kurvigen Landstrassen macht der GR86, wie sein Bruder GR Yaris, am meisten Spass. Mit seinen Dimensionen, die für heutige Verhältnisse sehr kompakt sind (4,265 Meter lang, 1,775 Meter breit und 1,310 Meter hoch, entsprechend sogar noch 2.5 cm schmaler als der erwähnte Yaris), ist er perfekt, um auch bei Gegenverkehr noch sicher, aber mit Schwung kreuzen zu können und auch vor nicht-einsehbaren Kurven braucht es deutlich weniger Mut, als bei den grossen und breiten 1.90m+ Schlachtschiffen. Gefällt!

Ein letztes «Hurrah» für alle Enthusiasten? Zumindest für alle die, die es schätzen, ein verhältnismässig günstiges Sportauto als Neuwagen im Jahr 2023 kaufen zu können. Im Fahrbetrieb gibt es so gut wie keine Assistenten. Fahrassistenten wie Adaptivtempomat oder Spurhalteassistent gibt es nur optional in der Version mit 6-Gang-Automatik, aber den GR86 mit Automatik wird wohl kaum jemand wollen. Trotz Handschaltung kann der GR86 auch sparsam. Auf Schweizer Autobahnen lässt er sich spielend auch unter 7 Liter / 100 km bewegen, 1.275 Kilogramm (18 Kilogramm mehr mit Automatikgetriebe) Leergewicht und sportliche Aerodynamik sei Dank. Wer übrigens die typischen Stammtisch-Angaben wie 0-100 km/h oder Höchstgeschwindigkeit sucht, ist eigentlich bei diesem Auto auf dem falschen Dampfer, aber wir liefern sie der Vollständigkeit halber trotzdem: 6,3 Sekunden auf Tempo 100, somit 1,3 Sekunden schneller als sein Vorgänger. 226 km/h Höchstgeschwindigkeit (mit Automatik nur 216 km/h).

Im Innenraum gibt es eine Zeitreise. Grosse Schalter und Knöpfe, viel Hartplastik, etwas Alcantara und ganz wichtig: Tolle Sitze mit idealer und sehr sportlicher Ergonomie. Dazu ein 8-Zoll-Infotainment-Display mit Touchscreen. Wohl definitiv nicht das neueste, schnellste oder detailstärkste Gerät, aber es kann Apple Carplay und deckt damit den Grundbedarf sehr gut ab. Die Materialwahl und Verarbeitung sind so gewählt, wie man sie auch bei einem Nutzfahrzeug wählen würde. Hält, hält auch 50 Jahre oder mehr, aber ist weder eine Augenweide, noch besonders schön anzufassen. An dem hat der Neuwagenkäufer wohl kaum viel auszusetzen, sonst würde er das Fahrzeug nicht kaufen und den Gebrauchtwagenkäufer kann sich über langlebige und wartungsarme Bauteile freuen.

Was bleibt also? 
Schön hat Toyota seine Mission um den 86er vollendet. Ein T gegen ein R getauscht, sehr viel Entwicklungszeit und einige Neuteile später, ist der GR86 sehr gelungen. Preislich sehr fair positioniert und ein charaktervolles Paket können wir nur eine Kaufempfehlung abgeben. Nicht nur für die Ewiggestrigen, sondern auch für die, die Saugmotoren und Purismus schätzen. GR Yaris & GR86 wären ein Duo – quasi GR² – wie wärs eigentlich mit dem GR Yaris Dreizylinder-Turbo im GR86? Ich frage für einen Freund..

Der Verbrauch lag im sportlichen Schnitt bei 8,6 Liter Benzin / 100 km. Der Basispreis für den Toyota GR86 Sport+ liegt bei CHF 41’400.-. Unser Testwagen mit optionaler Aussenfarbe „Crystal White“ (Aufpreis CHF 1’250) liegt bei CHF 42’650.-.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Crystal White

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