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Toyota Yaris GR (Circuit-Paket)

100 nach Kreuzung voll, 50 links vier, nicht schneiden. 60 rechts zwei macht zu, Schotter. 80 links zwei, nicht schneiden, Steine innen. Obwohl kein Beifahrer neben mir sitzt, sage ich mir die Ansagen an, mental. Der Schotter trommelt in die Radhäuser, in Kurven kann ich früh beschleunigen, der Yaris schickt 70% der Kraft an die Hinterachse und fliegt mit leichtem Powerslide über die Schotterstrasse. Doch beenden wir die Wertungsprüfung und starten in den Fahrbericht.

Wir fahren den Toyota GR Yaris. Ein Homologationsmodell für die Rallye-Meisterschaft, entwickelt zusammen mit dem TOYOTA GAZOO Racing World Rally Team. Obwohl der GR Yaris prinzipiell auf dem aktuellen Schrägheckmodell basiert, teilt er sich mit dem Fünftürer kaum mehr als die Scheinwerfer, die Rückleuchten, die Aussenspiegel und die Haifischflossen-Antenne auf dem Dach. Im Vergleich zu einem normalen Yaris ist der GR Yaris 55mm länger, 60mm breiter und auch die Dachlinie wurde am hintersten Punkt um 95mm abgesenkt.

Der Yaris GR ist das erste Serienmodell von Toyota mit einem Dach aus Carbon. Gegenüber einer konventionellen Stahlkomponente spart dieser C-SMC-Werkstoff (Carbon Sheet Moulding Compound) 3,5 kg an einer Stelle ein, die für den Schwerpunkt des Autos besonders ausschlaggebend ist. Dazu sind Motorhaube, Heckklappe und Türen aus Aluminium, was zu einer weiteren Gewichtsreduzierung von 24 kg führt.

Sowohl den beiden Türen als auch der Heckklappe des GR Yaris kommt eine spezielle Bedeutung zu: Sie müssen für das World Rally Car, das auf dem neuen Dreitürer basieren muss, in ihrer grundlegenden Konstruktion übernommen werden. Daher bestehen sie aus besonders leichtem Aluminium und verfügen über rahmenlos geführte Seitenscheiben. In unserem Falle fuhren wir das Fahrzeug mit optionalem Circuit-Paket, wobei dann auch noch geschmiedete Leichtmetallräder mit extra stabilen Speichen hinzukommen.

Zurück zu unserer WP. Die Reise geht weiter auf einer kurvigen Landstrasse. Hier wirkt der Yaris souverän. Das Setting mit der heckbetonten Auslegung kommt unter dem Grenzbereich kaum zu Geltung und der Grenzbereich liegt sehr hoch. Die spielerische Fahrweise, die beispielsweise ein Focus RS im Sportmodus gezeigt hat, vermissen wir hier. Nichtsdestotrotz sind wir sehr schnell und sehr präzise unterwegs. Wer sich wagt, kann vor der Kurve einmal zügig am Handbremshebel ziehen und damit einen Drift einleiten. Denn: Wie auch bei Rallye-Fahrzeugen üblich, besitzt der GR Yaris einen konventionellen Handbremshebel. Wird er gezogen, entkoppelt eine spezielle Funktion der GR-FOUR-Differenziale den Hinterachsantrieb. Dazu fällt auf, welch schöne Härte und Präzision die Bremse an den Tag legt. Auch diese ist gross dimensioniert, tatsächlich  genau so gross wie jene des Sportwagenmodells GR Supra – die vorderen Bremsscheiben weisen sogar einen noch grösseren Querschnitt auf (356mm vorne, 297mm hinten).

Kritisieren muss man wenig. Die Lenkung ist nicht die gefühlsreichste Lenkung, die Visibilität ist durch die abgesenkte Dachlinie eingeschränkt, da nun Infotainmentdisplay und Innenspiegel befremdlich nahe zusammen liegen. Dazu ein Soundaktuator, der den raspligen Dreizylinderklang, besonders im höheren Drehzahlbereich, etwas übereifrig übertönen will. Der Sound aussen ist zu dezent, immerhin hört man so das Turbozischen besser. Last but not least, die Sitzposition, viel zu hoch.

Ansonsten gibt es keine Punkte, die man dem kleinen Rallyeknirps ankreuzen könnte. Jede Fahrt war ein absolutes Highlight und eine willkommene Abwechslung im heutigen eintönigen Neuwagendschungel. Die Handschaltung gehört zum oberen Drittel der Angebote, der Motor ist eine kleine Granate mit nur drei Zylindern, 1,6 Litern Hubraum, 261 PS und 360 Nm Drehmoment. Beim Gangwechsel ist zwar ein kurzes Turboloch zu spüren, doch dann stürmt der kleine Rallyefloh direkt wieder weiter, als gäbe es keinen zweiten Platz.

Die 0-100 Zeit ist zwar bei einem solchen Auto ultra unwichtig, aber wir sagen sie euch trotzdem: 5,5 Sekunden. Die Höchstgeschwindigkeit wird elektronisch auf 230 km/h begrenzt. Der Yaris gehört aber in eine ähnliche Kategorie wie der i30 N, der mit Fahrfreude, Emotionalität und der Verbindung zwischen Fahrer, Auto, Schaltung und Pedalen punktet. Interessanterweise, scheint auch das Circuit-Paket eine Auswirkung auf die Position der Pedalen zu haben, denn da liegen sie weiter beisammen, so dass Fahrtechniken, wie das „Spitze-Hacke“-Bremsen – wenn der rechte Fuss beim Verzögern mit der Ferse noch Zwischengas gibt, während der linke Fuss das Kupplungspedal zum Herunterschalten tritt, noch besser funktioniert. Hierfür müssen der Abstand und der Neigungswinkel zwischen Brems- und Gaspedal genau stimmen und auch die Pedalwege zueinander passen. 

So entsteht dieses Gefühl, dass man die seltene Chance hat, ein Homologationsmodell zu bewegen, welches auch wirklich gut gelungen ist. Vielleicht sind ein Audi Sport Quattro «der Kurze», Lancia Rallye 037 Stradale, Peugeot 205 Turbo 16 oder Lancia Delta Integrale EVO1, die wohl begehrteren und selteneren Homologationsmodelle, doch dieses hier ist der Delta Integrale der aktuellen Zeit, wird in grossen Stückzahlen produziert und kommt zu einem (für Homologationsmodelle) Schnäppchenpreis.

Gibt es im Innenraum gute Gründe, keinen Yaris zu kaufen? Nein, abgesehen von der zu hohen Sitzposition passt hier fast alles. Ein konventionelles Tacho ist eine willkommene Abwechslung und immer noch ungeschlagen in Sachen Ablesbarkeit. Dazwischen gibt es ein 4,2 Zoll grosses TFT-Multiinformations-Display mit GR-spezifischen Ansichten wie Ladedruck oder der Allradverteilung. Der Schalthebel wurde um 5cm angehoben, so liegt er näher am Lenkrad. Das „GR“-Logo schmückt die Kopfstützen ebenso wie das Dreispeichen-Sport-Lederlenkrad und die Fussmatten. Ein Multimediasystem mit sechs Lautsprechern verfügt serienmässig über einen acht Zoll grossen Touchscreen, mit DAB, Apple CarPlay und Android Auto. Ein Navigationssystem ist nicht serienmässig, aber durch die die nahtlose Verbindung zum Smartphone sowieso nicht nötig. Navigiert wird perfekt über Apple’s Karten oder Google Maps. Die Materialwahl ist weit weg von Premium, doch alles was angefasst wird, wie Sitze, Lenkrad, Schaltknauf ist überdurchschnittlich wertig, im Vergleich zu den Basis-Yaris-Überbleibseln.

Weiter gibt es eine Zweizonen-Klimaanlage, ebenso wie eine schlüssellose Smart-Entry-Funktion, ein automatisch abblendender Rückspiegel und ein Regensensor für die Scheibenwischer. Auch serienmässig ist ein Sicherheitspaket mit Notbremsassistent mit Fussgängererkennung und Abbiegewarnung. Dazu gibt es sogar eines meiner Lieblingsfeatures im Yaris GR: den adaptiven Tempomaten (ACC), der automatisch die Distanz zum Vordermann aufrechterhält. Der Spurverlassungswarner piept nur nervig und kann getrost ausgeschaltet werden.

Optional gibt es zwei Pakete. Diese können nur einzeln angewählt werden und nicht in Kombination. In der Schweiz werden tatsächlich 50% mehr Fahrzeuge mit «Premiumpaket» bestellt, als mit «Circuit-Paket». Das Premiumpaket umfasst ein JBL-Soundsystem, Navigationskarten, Ambientebeleuchtung, Head-up-Display und Parksensoren vorne & hinten. Warum man das in seinem Homologations-Spassflitzer will, ist mir fremd, wir haben spezifisch nach dem Circuit-Paket gefragt.

Hier bekommt man die deutlich attraktiveren Features, wie ein speziell abgestimmtes GR-Sportfahrwerk mit entsprechend angepasster Servolenkung, Torsen-Differenzialsperren an der Vorder- und Hinterachse, näher beisammenstehende Pedalerie sowie geschmiedete 18-Zoll-Leichtmetallräder mit Michelin Pilot Sport 4S-Reifen. Rote Bremszangen mit „TOYOTA GAZOO Racing GR“-Logo sowie eine untere Motorabdeckung.

Was bleibt also?
Deutlicher kann eine Kaufempfehlung kaum sein. Als Erstwagen, Zweit- Dritt-, oder in einer grösseren Sammlung ist der GR Yaris ein «Must-have». Puristisch, schnell und mit der typischen «Hothatch»-Fahrfreude in seiner wildesten Form. Entführt man ihn auf eine Strasse mit Schnee oder Schotter, dauert es keine fünf Sekunden, bis man sich wie Jari-Matti Latvala, Rallyefahrer im Toyota-Werksteam, fühlt. Fantastisch!

Verbrauch & Preis
Der Verbrauch lag im Schnitt bei 7,3 Liter pro 100 km. Der Testwagen, der von Toyota Schweiz zur Verfügung gestellt wurde, war in der Farbe «Pure White» lackiert und lag preislich bei CHF 42’800.-. Die Konfiguration für den GR Yaris startet bei CHF 37’900.-.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Aussenfarbe in Platinum White, Circuit Pack

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