Ein sonniger Samstag im Februar, das Thermometer zeigt knapp zweistellige Celsius-Werte, erste Motorradfahrer wagen sich auf die Strassen und wir fahren ein oranges Ungetüm aus dem Jahre 2004. Made in Hethel, kompromisslos und puristisch..
Bewaffnet mit einem nachträglich eingebauten Bemani-Kompressorkit mit 0.5 bar Ladedruck, holen wir aus dem Toyota 1,8 Liter-Motörchen nun 263 PS und 262 Newtonmeter, statt 192 PS. Diese Leistungsdaten sind auf dem Papier relativ harmlos, doch in einem Fahrzeug, welches so spartanisch konzipiert wurde, dass es auch mit Kompressorkit näher bei 900 kg, als bei einer Tonne liegt, bekommt das eine ganz andere Note im Abgang.
Genug des technischen Geplänkels, wir verbiegen uns einmal dynamisch und finden uns hinter dem, überraschend kleinen, Lenkrad wieder. Für mich (1.84 m), ist es gerade ergonomisch noch so erträglich, da das Lenkrad nicht verstellbar ist, aber die Pedalerie für Langbeiner relativ schnell zu nahe ist und sich die Knie dann links und rechts vom Lenkrad wiederfinden. Die Vierpunkt-Gurte brauchen erst etwas Geduld aber belohnen mit ultimativem Rennfeeling.
Doch all das ist vergessen, wenn man die Echse über den Schlüssel startet und die Sinterkupplung einkuppeln lässt. Sie macht das ruckelfreie Anfahren zur Gewöhnungssache. Warum? Starre Sinterscheiben verzichten auf die Torsionsfederung – bei Ein- und Auskuppelvorgängen bedarf es extra viel Feingefühl durch den schmalen Bereich zwischen Leerlauf und Einkuppeln.
Sobald man fährt, lenkt es sich dank servofreier Lenkung absolut natürlich und die Vorderachse gibt ungefiltert alles an den Fahrer weiter. Die ersten Kurven sind am Horizont, die optimale Motortemperatur ist erreicht, das Tempo kann erhöht werden.
Die Exige verlangt eine kräftige Hand am Volant, gleichzeitig viel Feingefühl beim leicht unpräzisen Getriebe, aber belohnt mit feinstem Kompressorsound, unglaublich ungefiltertem Fahrerlebnis und kräftigem Vorwärtsdrang. Der Vorwärtsdrang war ohne Kompressor bis 6’000 Umdrehungen eher dürftig, nun geht ab 3’000 Umdrehungen die Luzi und ab 7’500 Umdrehungen kommt nochmals gut eine Schippe Wahnsinn dazu.
Dank Toyo Proxes R888R kommt die gefahrene Exige mit viel Grip aus und sorgt zusammen mit dem Kompressor-Kreischen für jede Menge Spektakel. Die sehr tiefe Sitzposition, das knochentrockene Fahrwerk, die gefesselte Sitzposition mit Renngurten, engen Schalensitzen und die ungefilterten Fahrgeräusche, die jeden Kieselstein im Radkasten lautstark mitteilen, tun ihr übriges, dass man in der Exige sehr schnell in die berühmte «Phase» eintaucht.
Anbremsen, Zwischengas, Runterschalten, Einlenken, langsam den Druck aufs Gaspedal erhöhen und unter tosendem Gekreische schiesst die kleine Flunder aus der Kurve. Aus der Fahrerperspektive könnte man glatt jeder Ameise auf dem Asphalt die Frisur mit dem Auspuff durchföhnen, derart tief und verschmolzen fühlt sich das an. Ein Wahnsinn diese Kiste.
Das niedrige Gewicht war schon 2004 beachtlich und bei heutigen Neuwagen absolut undenkbar. Eine neue Alpine mit über 1’050 kg wird als ultimatives Leichtgewicht gefeiert, ein 718 Cayman bringt über 1’400 kg auf die Waage, aber letzterer ist im Vergleich zur Exige in vielen Belangen ein absoluter Weichspüler. Allgemein fehlt heute oft diese absolut kompromisslose Auslegung.
Hier ein Doppelkupplungsgetriebe, da eine Sitzheizung, dort etwas Dämmmaterial, hier ein grosser Infotainmentscreen. Puristischer Verzicht wie in der Exige sieht man nur noch äusserst selten. Von weiteren emotionenraubenden Lärm- und Ottopartikel-Regularien beginnen wir nun erst gar nicht.
Innen hat man dank «Touring-Paket» sogar elektrische Fensterheber, viel Alcantara, ein Radio, aber keinerlei Teppiche und viel blankes Aluminium. Purismus.
Was bleibt also?
Wir wünschen uns wieder mehr echten Purismus für die Strasse, der ähnlich viel Emotionen auslöst wie diese nachgewürzte Exige mit Bemani Kompressor. Definitiv kein Fahrzeug für Geniesser, aber für puristische Leichtbaufans, die auf ehrliche Performance stehen. Für Verbrauchswerte sind wir die Exige nicht lange genug gefahren.
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