Der Roadster auf Knubbel-Gummis überwindet mit Leichtigkeit den vielfach beklagten Stadt-Land-Graben. Der schwarze Pfeil der schwedischen Marke Husqvarna hat sich für die City schick angezogen, wedelt aber ebenso gerne über schmalste Strässchen draussen im Land.
Wozu ist dieses Motorrad gut? Und, ist es gut? Das sind die wohl wichtigsten Fragen an einen Töfftester. Frage eins beantwortet die schwedische Marke in österreichischem Besitz (KTM) erstaunlich ehrlich. Man könne zwar lange über Design und Daseinszweck dieses vom Flat-Track-Sport inspirierten Einzylinder-Roadsters philosophieren, doch eigentlich habe die Svartpilen keine Kategorie oder Schublade nötig, man solle sie doch einfach fahren, heisst es sinngemäss im Pressetext.
Dieser No-Bullshit-Ansatz ist angesichts manch hochpoetischer PR-Schreibe willkommen, zumal sie zum Motorrad wirklich gut passt, das für einen reinen, puristischen Spass am Fahren gut sein soll.
Deshalb schwinge ich mich verzögerungsfrei auf die dünnst gepolsterte Sitzbank, damit umgehend auch die eingangs gestellte Frage zwei beantworten zu können. Die Antwort in Kürze: ja, die Svartpilen ist gut, nicht im Sinn von höchster Perfektion, sondern von höchstem Vergnügen.
Svartpilen, so nennt der Schwede einen schwarzen Pfeil. Ganz so schwarz ist diese Svartpilen aber nicht, denn nicht das tatsächlich sehr dunkel gehaltene Basismodell steht für meinen Proberitt zur Verfügung, sondern die Variante «Style», die mit Fr. 12’990 um 600 mehr zu Buche schlägt als die Standardausführung. Dafür kriegt man als Grundfarbe Bronze, schönere Fussrasten und einen Satz Speichenräder, die bestimmt mehr wiegen als die Alugussräder der Standardversion, aber stilistisch fraglos mehr hermachen.
Die erste OneMoreLap führt mich durch die Hügel rund um meinen Heimatort. Glaubt mir, dort ist wirklich «Land», hier sagen sich Fuchs, Hase und ein paar wenige Mensch gute Nacht, und die Strässchen sind dafür ausgelegt, dass gerade ein Auto durchpasst, mehr nicht. Rauf, runter, links, rechts, das geht am hohen Lenker der Husqvarna ganz wunderbar und mit so gut wie null Einarbeitungszeit.
Die Svartpilen positioniert dich fahraktiv, aber nicht aggressiv, gelassener als beispielsweise die technische Organspenderin, die KTM 690 Duke.
Zwei Eigenschaftswörter, die dir beim Reiten des schwarzen Pfeils nie in den Sinn kommen sind ultrapräzis und bockstabil. Die Svartpilen tanzt leichtfüssig durch die Kurven, und stets ist dabei Leben im Gerät. Wenn das straff gedämpfte Heck in Schräglage auf eine Kante trifft, zuckt es vernehmlich im Lenker und dem Fahrer geht ein halb erschrecktes, halb belustigtes «Hoppala» durch den Kopf. Die Unruhe bleibt aber stets beherrschbar, wie mir scheint. Und auch unter hartem Beschleunigen wünscht man sich keinen Lenkungsdämpfer.
Vor allem die Gabel ist beim forschen Ritt stets in Wallung, da fand ich auch mit dem einen oder anderen Dreh an den praktischen Dämpferschräubchen keine perfekte Einstellung. Wer aber stoische Ruhe in allen Lebenslagen fordert, sollte nicht bei der Svartpilen suchen – da bietet schon die Husqvarna Vitpilen 701, dank mehr Last auf der Front und weniger Hebelwirkung durch den schmaleren Lenker, deutlich mehr Stabilität. Die Bewegungen in der Front der Svartpilen hingegen halten dich wach und tragen paradoxerweise zum Fahrspass bei.
Ein- und Auswärtsdämpfung (im Bild) lassen sich von Hand, getrennt nach Gabelholmen einstellen.
Inwiefern die leicht knubbligen Reifen zum leicht unruhigen Charakter beitragen, liesse sich nur mit einer Umbereifung testen. Die Reifenwahl (Pirelli MT60) fiel aus stylistischen Gründen, ein Ansatz, den ich verstehen kann aber nicht gutheissen muss… An Grip-Armut leidet die Husky auch dermassen modisch besohlt nicht, nur am äusseren Rand meiner mentalen Schräglagenreserve fühlte sie sich zuweilen etwas undefiniert an. Noch schräger will man dann nicht mehr ausprobieren.
Sowohl das Design wie das technische Konzept mit dem Einyzlinder-Motor spricht die Sprache der Einfachheit, und die spricht die Svartpilen auch in Fahrt. Das schlanke und ranke (vollgetankt 167 kg leichte) Bike wirft man gerne in die engste Ecke, und trotz aufkommendem Übermut behält man das Gerät stets sicher unter Kontrolle. Zudem wachen selbst in der puristischen Husqvarna ABS und Traktionskontrolle über das Schicksal des Fahrers.
A propos Traktionskontrolle: Da hat die Husky ihr kleines, dunkles Geheimnis. Man weiss zwar, dass sie sich abschalten lässt, beispielsweise für die freudvolle Hinterradfahrt. Aber wenn’s dir keiner erklärt wie, musst du experimentierfreudig sein. Die Deaktivierung gelingt nicht etwa in den Tiefen digitaler Untermenus, das gibt es am schwedischen Pfeil nämlich nicht, sondern mit der dritten Drucktaste links vom Display. Die zwei oberen sind mit Mode und Set angeschrieben, jene für die Traktionskontrolle hingegen ist einfach nur schwarz… wohl die schwedische Form politischer Korrektheit, auf das «verbotene» Tun soll nicht auch noch aufmerksam gemacht werden!
Mode, Set und… ? Taster Nummer drei dient zur Deaktivierung der Traktionskontrolle – der Gentleman schweigt und geniesst
Zum spielerischen Umgang tragen der bidirektionale Schaltautomat (entlastet die linke Hand und damit einige Hirnkapazitäten) und eine weitgehend harmonische Gasannahme bei. Man schaltet gern und oft, auch wenn das nutzbare Drehzahlband von etwa 4000/min bis in die Nähe des fünfstelligen Bereichs reicht. Wo immer man die Drehzahl hält, fast ist Leben im Reaktor: bis 3000/min hackt der Einzylinder auf der Kette, zwischen 3000 und 4000/min herrscht kurz Ruhe, darüber wohnt die Leistung, aber eben auch die Vibration – die mit weiter zunehmender Drehzahl aber kaum mehr zunimmt. Ich bin zwar ein grosser Freund vierzylindrigen Rundlaufs, aber diese direkte Verbundenheit mit dem Zustand von Kurbelwelle und Pleuel hat schon was.
Hat sie genügend Pfupf? 75 Pferde auf vollgetankt 167 kg auf kurvigen Landstrassen kombiniert mit einer ausreichend kurzen Übersetzung bedeuten, dass auch beim Herbrennen kaum je Lust auf mehr aufkeimt.
Husqvarna respektive KTM kann man für dieses charakterstarke Hochleistungstriebwerk nicht genug loben, kaum ein Hersteller pflegt dieses Motorkonzept für den Einsatz auf der Strasse noch. Die Literleistung ist beachtlich, die Standfestigkeit scheint gegeben (10’000-km-Serviceintervalle) und das schlanke Aggregat ist wesentlich am flinken Wesen der Svartpilen beteiligt.
Bei aller Fahrfreude sei nicht vergessen, dass die Svartpilen 701 auch optisch viel zu bieten hat. Sie steht gedrungen da wie ein Boxer (der Hund, nicht Rocky), mit gechopptem Heck und flachem LED-Scheinwerfer. Das ist ja ein wesentliches Argument für Naked Bikes: nur das Nötigste dranbauen; für den Fahrer hört der Töff vor dem Tacho/Display auf – kein Plastik, das den Blick nach vorn versperrt. Sicher sind die 701er Schwestern Svartpilen und Vitpilen keine everybody’s darlings, dafür sind sie zu pointiert gestylt.
In den Lenkerenden-Rückspiegel der «Style» sieht man – durch die Vibrationen mit leichter Unschärfe – gut nach hinten, jedenfalls wenn man sie nach oben dreht. In der Werbung zeigen die Spiegel nach unten – supercool, aber unpraktisch.
Ein Mischsalat von Erfreulichem und Kritisierbarem bietet die Husky in Sachen Liebe zum Detail. Die Liebe der Schweden reicht weit, vom kunstvoll gechoppten Heck über das Deko-Element mit der formvollendet applizierten « 701 » bis zum fein gearbeiteten Tankdeckel. Dem stehen Elemente wie die Hebelchen und Schalter gegenüber, die wirken wie aus dem Baumarkt.
Dazu kommt das Display, das von in allen Testberichten zurecht als blässlich und schlecht ablesbar kritisiert, dass man gerne wüsste, wer hiezu vor der Serienfertigung grünes Licht gegeben und wieviel Strafarbeit er inzwischen abgeleistet hat. Dazu kommen die zwei Bedientasten, die so viel Druck benötigen, dass man fürchtet, die Armatur nach vorn abzudrücken und deshalb per Fingerakrobatik an der Gehäuserückseite Gegendruck aufbaut.
Mein persönliches Fazit lässt sich einerseits in einem breiten Grinsen zusammenfassen, anderseits aber auch in der Erkenntnis, dass die auf den ersten Blick «nur» fun-orientierte Svartpilen 701 echt vielseitig ist, wendig als Bike für Agglo-Stadt-Pendler, toll für Tagestouren und damit gleich auch ein alltagstaugliches Einsteiger-Bike.
Also, vergesst den Eindruck, den Werbebotschaften zu dieser schmucken Einzylinder-Husky erwecken mögen: sie ist viel mehr als bloss ein Spielzeug für gestylte Metropolen-Freigeister, sie ist auch ein toller Landstrassen-Hobel für das Kind im Manne oder das bad girl in der Lady.
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