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BMW R1250R – Die “GS” für den kleinen Mann

Roadster statt Reiseenduro? Auf den ersten Blick vielleicht ein merkwürdiger Vorschlag. Doch die BMW R1250R kann das meiste so gut wie der Bestseller GS und passt zu Menschen unter Gardemass besser.

Ab und zu tut man etwas guten Glaubens, wenn auch wider besseres Wissen. Ich hier zum Beispiel, wenn ich Euch erzähle, dass im BMW-Modellprogramm eine ausgesprochen interessante Alternative zur Legende GS steht, nämlich der Roadster namens R1250R. Dieser Roadster wäre für viele, die weder die Wüste Gobi durchqueren wollen noch über 185 cm messen, vermutlich das «bessere», weil geeignetere Motorrad. Gekauft wird dennoch, etwas im Verhältnis 10:1, die unvergleichliche, die unvermeidliche R1250GS, von OneMoreLap in ihrer aktuellen Version schon gefahren. An diesem Fakt wird auch der Text hier nichts ändern. Aber für den einen oder anderen Töfffahrer könnte die Alternative eben doch eine Offenbarung sein.

Die so formulierte Hypothese überprüfte ich auf einer Mehrpässe-Fahrt durch die Schweizer Alpen. Eine klassische Mehrtages-Tour mit kleinem Gepäck. Da reicht eine Tasche auf dem Gepäckträger, im Rucksack wohnte ausschliesslich meine Fotoausrüstung.

Der Roadster verfügt über viele Gleichteile mit der Reiseenduro. Derselbe Motor, ähnlich konstruiertes Chassis, weitgehend die gleichen Elektronikassistenz, identisches Display etc. Was sie nicht braucht, sind die langen Federwege und die Bodenfreiheit der Abenteuermaschine, und auch den breiten Endurolenker oder Stollenpneu nicht.


Damit passt die R für einen wie mich (168 cm) ergonomisch besser: der Boden ist nicht zu weit entfernt, die Arme werden nicht zu weit gespannt. Dazu kommen etwa 10 kg Gewichtsersparnis im Vergleich zur GS. Immerhin. Rangieren jedenfalls lässt sich die R1250R deutlich entspannter.

Insgesamt ergibt sich eine etwas kompaktere und stärker der Front zugeneigte, aktivere Sitzposition, die dennoch für lange Tage im Sattel angenehm bleibt.

Der Roadster mag weniger hoch und damit weniger imposant daherkommen als die GS. Ein kleines Motorrad aber ist auch die R nicht. Der Radstand der R ist nur minimal kürzer und damit lang – okay, dass BMW generell lange Bikes baut, ist ja auch kein Geheimnis. Schon eher geheimnisvoll mutet an, weshalb sie sich dennoch so leichtfüssig und beweglich dirigieren lassen.

Dennoch sind die Unterschiede zwischen R und GS im Bereich Fahrverhalten/Fahrgefühl am grössten. Weniger Federweg bedeutet tendenziell weniger Bewegung in den Federelementen. Damit wird die R präziser und transparenter. Man fühlt wirklich was, vom Vorderrad nämlich. Die R, wie auch der Sporttourer RS, steht auf einer konventionellen Telegabel, stützt sich nicht über die aufwändige Telelever-Vorderradführung ab, welche das Feedback vernebelt, der GS aber auch ihr unvergleichlich sicheres Gefühl beim Umlegen verleiht.

Diese Souveränität am Kurveneingang geht der R1250R zuweilen ab. Während sich eine GS gerade im Schrittempo sehr locker und gefühlt fast unstürzbar dirigieren lässt, wirkt die R ein klein bisschen taumelig, und lässt sich in Schräglage eher von Bodenwellen eher aus der Ruhe bringen als die «grosse Schwester». Ähnlich souverän gibt sich die R hingegen in der Bremszone – der lange Radstand hilft auch ihr.

Die Nickbewegung der Telegabel ist zwar grösser als beim Telelever, aber gut gedämpft, selbst in den touristischeren Bereichen der semiaktiven Aufhängung, ESA genannt. Die Bremsanlage bietet eine wunderbare Kombination von Bissigkeit und Dosierbarkeit, ABS ist seit Generationen schon erstklassig.


Allen aktuellen Boxer-Modellen von BMW gemeinsam ist ihr… Boxer-Motor. Die neueste Ausbaustufe, seit 2019, setzt erstmals auf mehr als 1200 ccm Hubraum und auf variable Ventilöffnung. Nicht stufenlos variabel wie bei den Autos, vielmehr genügt hier die axiale Verstellung der Nockenwelle um zwei unterschiedlich geformte Nocken in Stellung zu rücken, was BMW als «shift cam» zusammenfasst.

Shift cam bietet zwei Nockenprofile, je eins für niedrige bis mittlere Drehzahlen, eins für hohe. Der Übergang ist nicht zu spüren.

Was resultiert ist Druck aus tiefsten Drehzahlen, Leistungsfreude (136 PS) bis fast zum Drehzahlbegrenzer und ein neues Level an Geschmeidigkeit. Wer die rappeligen und asthmatischen Boxermotoren von vor 20 Jahren kennt und damals glaubte, das sei systemimmanent, kann nur staunen, was BMW aus diesem Triebwerk inzwischen rauskitzelt. Seit je gut, stets angenehm, aber besonders wichtig beim engagierten Kurvenswing: die sanfte Gasannahme.

Nach wie vor bedeutet der Boxermotor in der Töffwelt ein Alleinstellungsmerkmal der Bayern. Ähnliches lässt sich für den Ausstattungs- und Zubehörreichtum von BMW Motorrad sagen. Das heisst eben auch: Ohne Mühe und Verschwendungssucht lässt sich der schon keines Discounts verdächtige Grundpreis um mindestens einen Drittel in die Höhe schrauben.

So geschehen an unserem Testmotorrad, das sich ruckzuck von unter 15’000 auf 20’000 Franken hievt. Massgeblich zum saftigen Aufschlag tragen die Optik (Style HP in blau-weiss-rot, Fr. 650) sowie drei Ausstattungspake bei. Ich möchte, ehrlich gesagt, auf keines verzichten. Das Paket Comfort (Fr. 590) enthält unter anderem die Griffheizung, Touring (Fr. 1920) die fortschrittliche Form des ESA-Fahrwerks mit automatischer Gewichtserkennung, den Hauptständer, Koffer- und GPS-Halterung sowie Tempomat, leider aber kein Windschild (nochmals Fr. 230). Ah ja, die leichte Li-Io-Batterie schlägt zusätzlich mit 350 Franken zu Buch. Am ehesten könnte ich ohne Dynamic (Fr. 1150) leben, mit zusätzlichen Fahrmodi, mehr LED-Licht und den nicht perfekten Schaltassistenten.

Und damit ist preislich längst nicht Ende Gelände. Ein Frästeile-Paket und der Akropovic-Auspuff – beides ebenfalls nicht zu verachten – würden aus der BMW R1250R einen 24’000-Franken-Edelroadster. Aber jammern gilt nicht, ist alles freiwillig.


Gar nichts zu jammern gibt’s in der Bedienung. Der Bordcomputer ist intuitiv und dank Dreh-/Drücksteller am linken Handgriff einigermassen ablenkungsfrei zu bedienen. Erstklassig in Grösse und Ablesbarkeit ist der TFT-Bildschirm.

Die Handgriffe sind etwas geringer im Durchmesser als bei der Konkurrenz, was vorab feingliedrigere Menschen schätzen. Die Handhebel sind perfekt einstellbar. Etwas zu lang geraten (oder nicht ganz richtig angelenkt) scheint mir der Seitenständer: die R1250R steht sehr aufrecht, so dass bei nicht perfektem Untergrund ein Kippen nach rechts nie weit entfernt ist.

A propos schräg: In Fahrt informiert der Bordcomputer auf Wunsch auch über die gefahrene Schräglage. Deshalb weiss ich, dass die Rastennippel etwa ab 45° kratzen.

Unter dem Strich ist die BMW R1250R der Roadster/Naked Bike mit dem breitesten Einsatzspektrum überhaupt. Voll ausgestattet ist sie in Leistung und Preis ein Premium-Produkt, und genau dafür kennt man BMW ja.

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4 Kommentar

  1. Hey

    Besten Dank für den tollen Bericht 🙂
    ich fahre seit Sept. 2019 auch die R1250R HP

    hab damit schon 11`600km abgespult, die riesen Freude bereiten.
    einziges Manko, die Bluetootht Verbindung zwischen TFT und Headset(stänidge Unterbrüche).
    BMW hat schon einiges Versucht(Software). als nächste wird wohl der Austausch des TFT sein. schaun mr mal
    aber ansonsten fährt sich die R1250R super. meine Grösse von 169cm passt da gut drauf

    schöne Grüsse aus der Schweiz
    Martin

    1. Lieber Tom, vielen Dank für deinen Kommentar. Das freut uns sehr zu hören. Wir wünschen dir viel Spass mit deiner schwarzen R1250R. Herzliche Grüsse, deine Team von OneMoreLap

  2. Hoi Tom Dankeschön fürs berichte, habe selber die r1250r Hp habe gedacht dass ich die gegen einGS würde tauschen, aber bin auch klein und schön gewachsen 🤣 und jetzt bin ich definitiv sicher das ich nicht machen werde, das Motorrad ist wirklich ein Kunstwerk .
    Noch mal Dankeschön
    Lg
    Erwin

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