Die neue Alpine A110. Nach unserem Kurztest in Frankreich zu Beginn dieses Jahres war es nun Zeit für einen ausgedehnteren Test. Ähnlich wie der Alfa Romeo 4C ist auch die Alpine auf den ersten Blick kein optimales Reiseauto. Genau darum fuhr ich damit nach Belgien.
Warum? Ein Talisman wäre doch dafür viel besser geeignet. Ja, absolut. Aber Erlebnisse die auf einer Basis aufbauen, die mit etwas Wahnsinn geschmückt ist, bleiben oft länger und intensiver in den Erinnerungen gespeichert.
Kurzer Technikcheck vor der Abfahrt. Der 1,8-Liter-Turbomotor aus dem Renault Mégane R.S. leistet in der Alpine 252 PS bei 2ʼ000 U/min und mobilisiert sein maximales Drehmoment von 320 Nm bereits bei 2ʼ000 U/min. So geht der Spurt auf Tempo 100 km/h in nur 4,5 Sekunden vonstatten. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 250 km/h.
Interessant dabei: Die Alpine hat nur einen Hauch über 1100 kg durch 96% Aluminiumanteil bei Fahrwerk und Aufbau. Je nach Beanspruchung ist das Leichtmetall geklebt, genietet und geschweisst. Damit stellt Alpine neben einem niedrigen Gewicht auch eine hohe Steifigkeit sicher. Hier ein Bild unserer Werksführung in Dieppe im Sommer:
Soweit die Fakten, nun ab auf die Autobahn in den Norden. Die Reise beginnt auf der A81 in Richtung Stuttgart. Kein Tempolimit, die Alpine vermittelt weit mehr Sicherheit und Präzision bei hohen Geschwindigkeiten als andere Mittelmotorsportler. Trotzdem reicht der Antritt oft nicht, um aus 150 km/h anderen Fahrzeugen nachzukommen. Audi SQ7, BMW 535d, Mercedes-Benz C 350 CDI müssen wir ziehen lassen.
Diverse Abschnitte mit Tempolimits folgen, daraufhin Stau. Freitag-Nachmittag, der Bezirk zwischen Pforzheim und Karlsruhe scheint fluchtartig vom Arbeitsplatz in Richtung Wochenende flüchten zu wollen. Ein Blick auf die Verbrauchsanzeige offenbart aber, warum leichte Autos einfach wunderbar sind. 8,9 Liter, die sich aus bisherigem Stop & Go im Stau und der vorherigen Vollgas-Etappe zusammensetzen.
Zeit, sich den Langstreckenqualitäten dieses Fahrzeugs zu widmen. Ohne aktivierten Sport-Modus ist das Dröhnen in der Fahrzeugkabine deutlich weniger nervig als im 4C, die Audioanlage von Focal sorgt für guten Klang auf kleinem Raum, das Navi kennt zwar keine Routenkriterien wie z.B. «Autobahnen meiden», aber macht insgesamt einen brauchbaren Eindruck. Sogar ein Getränkehalter ist an Bord.
Einige Stunden später ist der Zwischenstopp in der Eifel erreicht. Die Sitze sind fantastisch. Obwohl sie aussehen, als möchte man nach spätestens zwei Stunden daraus entfliehen und eine Lendenwirbelstütze fehlt, ist der Wohlfühl-Faktor nach fünf Stunden wesentlich höher als in anderen Schalensitzen ohne Einstellmöglichkeiten.
Nächster Tag: Wir fahren weiter nach Belgien. Autobahn, Tempolimit, der Verbrauch sinkt auf unter 7 Liter. Für uns im Fokus: Die «Masters Endurance Legends» im Rahmen des Spa Six Hours. Verjährte Rennwagen, keine Dezibelregulierung und natürlich eine der schönsten Rennstrecken, die mit einem ganz anderen Charme als z.B. der Nürburgring punkten kann.
Kurz nach 11:30 Uhr war es dann soweit, die ersten Motoren waren aus der Ferne zu hören. Kurve für Kurve kamen sie näher, die Lautstärke und der Klang atemberaubend. Der erste Lola Aston DBR1-2 fegt vorbei, gefolgt von einem Lola B12/60 und einem Peugeot 908X, Gänsehaut!
Neben den LeMans Prototypen gab es auch noch ein Rendezvous mit einem grossen Kindheitsidol von mir, der Dodge Viper GTS-R, die mit ihrem acht Liter V10 Motor auch nach Sichtkontakt noch mehrere Kurven lang zu hören war. Hier einige Impressionen:
(Motorsport-Bilder: Max Friedhoff)
Nun war es aber Zeit, auch die Alpine A110 Première Edition etwas sportlicher zu bewegen. Dafür gut geeignet ist die «alte» Rennstrecke, die nun als eine öffentliche Strasse rund um die Rennstrecke führt. Die leicht geschwungene, unebene Strasse passt perfekt auf das weiche aber präzise Fahrwerk der Alpine. Wie ein carvender Skifahrer lässt sie sich fliessend durch die Kurvenkombinationen dirigieren.
Die 7-Gang-Doppelkupplung hält immer den richtigen Gang bereit, obwohl in solchen «Geniesser-Momenten» eine Handschaltung noch etwas besser passen würde. Denken wir aber lieber nicht, wie unpassend eine Handschaltung im Autobahn-Stau gewesen wäre. Kurzer Stopp in einer «Friterie». Nach Legende sind die «Pommes Frites» eine Erfindung der Belgier, die in einem aussergewöhnlich strengen Winter gegen Ende des 18. Jahrhunderts, als Ersatz für Fische, Kartoffeln in kleine Stücke schnitten und diese frittierten.
Bei einer Portion Pommes und der Alpine im direkten Grössenvergleich zu anderen Fahrzeugen fällt erst auf, wie klein und zierlich dieser Sportwagen eigentlich ist. Die Front, für mich eine der schönsten Fronten überhaupt, zeugt von der Historie und ist klar als Alpine zu erkennen, während das Heck in seiner Form ebenfalls «typisch Alpine» ist, aber mit einer modernen Leuchtengrafik die Geschichte mit der Gegenwart verbindet.
Wir fahren weiter auf der alten Strecke nach Stavelot. Die Strecke ist umgeben von den drei Örtchen Spa, Malmédy und Stavelot, wovon die beiden letzteren Teil einer ehemaligen Abtei sind und eine grossartige Altstadt zu bieten haben.
Unser Ziel: Das Musée du Circuit de Spa Francorchamps in Stavelot, das versteckt in einem mächtigen Gewölbekeller der Abtei die Geschichte der Rennstrecke erzählt. Verschiedene Rennfahrzeuge, exklusives Bildmaterial und verschiedene interaktive Tafeln zeugen von der Leidenschaft für den Rennsport.
Der Rückweg in die Eifel steht an. Wir fahren Landstrassen, ganz wie es die «OneMoreLap-Philosophie» sagt. Die Alpine passt fantastisch dazu. Zwar nerven Details wie das «klacken» der Schaltwippen oder das kurze Nachjaulen des Motors bei Gaswegnahme, aber für eine erste Version, wie ihr Name schon verrät, ist sie verdammt gut gelungen.
Wer nun eine Alpine A110 sein Eigen nennen möchte, muss entweder auf die verfügbaren Modelle zurückgreifen, die aber weit über Listenpreis gehandelt werden oder sich eine der Nachfolge-Versionen «Pure» oder «Légende» bestellen. Mehr Informationen zu diesen Versionen konnten wir bei unserem Fabrikbesuch in Dieppe sammeln. Im Bild ist die «Légende» in Grau und die «Pure» in Weiss zu sehen:
Der Verbrauch in unserer Testperiode lag bei 6,9 Liter auf 100 km. Das ist eine Mischung zwischen sportlich gefahrenen Etappen und entspannten Alltagsfahrten. Die Alpine A110 Première Edition gibt es ab CHF 62’000, ist allerdings nicht mehr als Neuwagen bestellbar.
4 Kommentar