Der Hyundai i20 N will der beste sportliche Kleinwagen mit Frontantrieb sein. Die Krone erobern, die früher bei einem Clio Williams oder einem Peugeot 205 GTI war, später beim Renault Clio 3 R.S. Cup, dem MINI Cooper R56 John Cooper Works oder unserem bisherigen Lieblingskleinwagen, dem Fiesta ST in der mittlerweile 8ten Generation. Wird ihm das gelingen? Falls ihr euch wundert, warum wir den Yaris GR nicht erwähnen, begründen wir das mit seinem Antriebskonzept und dem viel höheren Preis.
Was braucht ein guter Hothatch mit Frontantrieb im Kleinwagensegment? Diese Frage ist einfach zu beantworten, aber schwierig zu erfüllen. Es beginnt beim Motor. Charakter soll er haben, dazu etwas Turbozischen und Ansauggeräusche von vorne, die sich mit einer spannenden, aber nicht dröhnenden Auspuffnote vervollständigen lassen. Dazu ausreichend Leistung, die an eine Vorderachse geht, die mit dem Fahrer über die Gripverhältnisse transparent kommuniziert.
Ein mechanisches Sperrdifferential an der Vorderachse ist heutzutage Pflicht. Die Lenkung soll direkt sein, wenn auch nicht künstlich verhärtet, die Ergonomie muss auf verschiedene Körpergrössen der Fahrer passen, tiefe Sitzposition, die Pedalen sollten nahe zusammenliegen und ein Herunterschalten mit Zwischengas / Spitze-Hacke-Technik ermöglichen. Die Gangschaltung mit kurzen Wegen, aber bitte schön definiert und nicht allzu knorrig, dazu in einer leicht erhöhten Position, damit man die Hand schnell wieder am Lenkrad hat. Passt das alles zusammen, sollte es ein perfektes Hothatch-Erlebnis werden das dich bei jedem gefahrenen Meter anspornt, nun aber sofort aufs Gas zu treten und die Ideallinie zu suchen. Soweit mal ein Auszug aus dem Pflichtenheft.
Die Hersteller haben dann jeweils die Mammutaufgabe, aus ihren Brot- und Butter-Kleinwagen, mit 1 Liter Sparmotörchen, emotionale Autos zu bauen, die erwachsene Männer zum Kichern bringen. Hyundai hat sich dieser Aufgabe angenommen und einer der Fahrdynamik-Verantwortlichen hat uns schon früh verraten, genauer beim i30 N Project C Fahrevent, dass sie die goldene Mitte zwischen Fiesta ST (sehr fahraktiv, fast schon etwas Pausenclown-Attitüde) und dem Biedermann Polo GTI finden wollen. Weitere Konkurrenten gibt es nicht mehr. Cupra Ibiza, Audi S1 und Renault Clio R.S. wurden gestrichen, der MINI ist unterdessen zu teuer, der Yaris kommt mit Allrad.
Was ist also herausgekommen? Nun, der i20 N kommt mit einem 1.6-Liter-Turbobenziner, der 204 PS und 275 Newtonmeter maximales Drehmoment zwischen 1’750 und 4’500 Touren bereit hält. Das sorgt für eine Sprintzeit von 6.7 Sekunden von 0-100 km/h (0.2 langsamer als ein Fiesta ST). In Sachen Gewicht liegen wir beim i20 N bei 1’190 Kilogramm. 230 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Die Fahreindrücke sind sehr gut, wie versprochen ist der i20 N erwachsener als der Fiesta ST. Fährt man im normalen Modus bleibt er angenehm zurückhaltend, selbst das Fahrwerk, welches sonst bei kleinen Taschenraketen oftmals zur übermässigen Härte neigt, ist hier gut im Alltag nutzbar und sogar deutlich entspannter als der grössere Kona N, der aktuell bei uns im Test ist. Auf der Schweizer Autobahn sind Verbräuche von 5.5 – 6.0 Liter / 100 km gut möglich.
Entdeckt die Verkehrszeichenerkennung das berühmte Schild, dass nun ein kurviger Abschnitt folgt, schlägt der i20 N frech vor, nun bitte in den N-Modus zu wechseln. Warum ist darauf nicht schon ein anderer Hersteller draufgekommen? Absolut genial. Wir folgen also dem Rat unseres fahrbaren Untersatzes und werfen den Heisssporn in die erste Kurve. Im Gegensatz zum Fiesta hebt er dann nicht gleich sein Beinchen und macht den unterhaltsamen Flamenco-Tänzer, nein, er dreht sich brav mit ein und trifft eine besondere Mischung zwischen Agilität im Chassis und Ernsthaftigkeit in der Lenkung und der Stabilität, die sich über alle Komponenten durchzieht. Der Soundgenerator, der ihn tieftourig etwas dröhnen lässt, müsste nicht sein, aber ansonsten wirkt auch der Auspuff ordentlich wild für diese Klasse. Im Vergleich zum grösseren Bruder i30 N wirkt das Gesprotzel aus dem Auspuff spontaner, weniger aufgesetzt, aber auch leiser, durch das Fehlen der Knallfrösche.
Lenkung und Getriebe lassen oft die Vermutung aufkommen, hier gerade in einem i30 N zu sitzen, da das Handling und die Kräfte, die eingesetzt werden wollen, eher zu einem Auto aus der Kompaktklasse passen, als zu einem Kleinwagen und auch die Bremsen mit grösseren Dimensionen (Vorne 320 mm, plus 40 mm gegenüber dem normalen i20) ordentlich zupacken.
Der Motor hat ein klaffendes Turboloch bis knapp über 2‘500 Umdrehungen, trotz vielen Bemühungen wie der 350 bar-Hochdruck-Einspritzrampe oder dem Turbosystem, welches mit einem Ladeluftkühler (intercooler) arbeitet und an den Kühlkreislauf des Motors angeschlossen ist. Wo der Fiesta spontaner anspricht und voller Tatendrang losstürmt, braucht der Hyundai seine Gedenksekunde, sofern man ihn unter 3‘000 Umdrehungen hält. Ist er über dieser Marke, stürmt er dafür genau so wild dem Horizont entgegen und hämmert, auf Wunsch, gnadenlos in den harten Begrenzer. Wunderbar!
Kurze Pause, Aussencheck. Die Designer haben sich vom weit entfernten i20 Rallyebruder inspirieren lassen und die um 10 mm abgesenkte Karosserie an verschiedenen Orten sportlicher gestaltet. Am vorderen Stossfängern fallen die grösser dimensionierten Lufteinlassöffnungen für den Turbomotor auf. Die untere Spoilerlippe verfügt über rote Akzente in „Tomato Red“. Die Farbe findet sich auf den neuen seitlichen Schürzen wieder. Ein Dachspoiler am Heck erhöht den Abtrieb. Die in den Stossfänger integrierten Formen eines Heckdiffusors und die dreieckig ausgelegten hinteren Nebelscheinwerfer nehmen die Optik und die Lichtsignatur auf, die wir schon vom i30 N und i30 N Fastback kennen.
Dazu gibt es 18-Zoll-Leichtmetallfelgen in mattgrauer Ausführung und die Bremssättel mit dem N-Logo, sowie sechs Karosseriefarben. Dazu zählen auch das exklusive Performance-Blau der N-Modelle und das optionale schwarze Dach (Phantom Black), wie bei uns verbaut.
Innenraumcheck. Auch hier: Viel bekanntes aus dem i30 N. Lenkrad, Schaltknauf, Infotainment, Touch-Schaltflächen unterhalb des Infotainments, es fühlt sich nach Kompaktklasse an und nicht nach Kleinwagen. Hyundai ist sich wohl sehr sicher, dass die potenziellen Käufer eines i30 N nicht plötzlich auf den günstigeren i20 N wechseln, mitunter auch durch viele Gemeinsamkeiten im Innenraum. Die Sitze sind wohlgeformt, allerdings i20 N exklusiv und nicht ganz auf der Höhe der optionalen Schalen im 30er. Da hat man wohl eine Grenze gesetzt.
Materialanmutung und Verarbeitung sind, besonders bei all den baugleichen Parts aus dem i30 N, überdurchschnittlich für einen Kleinwagen in dieser Preisklasse. Die bestehenden Teile aus dem „normalen“ i20 sind ebenfalls kein Grund zur Kritik. Der 10.25-Zoll-Touchscreen verfügt über sehr ähnliche Funktionen wie im i30 N Facelift und so lässt sich da ebenfalls der individuelle N Modus frei in zwei oder sogar jeweils drei Stufen konfigurieren und auf den beiden frei programmierbaren N-Tasten auf dem Lenkrad ablegen. Zusätzlich gibt es auch hier „NGS“, also die N Grin Shift Taste, die alle Komponenten für wenige Sekunden anschärft, egal in welchem Fahrmodus man sich befindet, sowie eine rote REV-Taste, die das automatische Zwischengas ein- oder ausschaltet.
Ein Paket mit Assistenten ist an Bord. Darunter ein Frontkollisionsassistent für Stadt und Überland, mit Fussgänger- und Radfahrer-Erkennung, Spurhalteassistent, Spurfolgeassistent, Toterwinkelwarner, Intelligenter Geschwindigkeits-Assistent, Anfahr-Warnung und Aufmerksamkeitsassistent, Fernlichtassistent, hinterer Querverkehrswarner und eine Rückfahrkamera mit Einparkführung. ACC sucht man leider vergebens und auch hier müssen wir anmerken, dass sich wie im i30 N, der Tempomat kaum bemüht, das Fahrzeug auf die eingestellte Geschwindigkeit herunterzubremsen.
Was bleibt also?
Beim i30 N Facelift war mein Fazit so, dass ich ihn als Zweitwagen einsetzen würde. Nach der Testphase mit dem i20 N würde ich stattdessen das kleinere N-Modell wählen, weil es viele gute Attribute aus dem 30er übernimmt und mit noch mehr Charakter punkten kann, trotz vermeintlichem Rückstand in Sachen Motorcharakter auf den Fiesta ST oder auch dem gewöhnungsbedürftigen Aussehen der Heckpartie.
Das Gesamtpaket an To-Do’s für einen sportlichen Kleinwagen ist derart sukzessive abgearbeitet worden, dass es jeden Tuner arbeitslos macht, dazu ein Preis, der sehr fair angesetzt ist und das Wichtigste: Er kitzelt dich auf jedem Meter, sofort zwei Gänge herunterzuschalten, das Pedal ins Bodenblech zu drücken und das sehr kompetente Chassis hirnlos schnell in die nächste Kurve zu prügeln. Fantastisch! Ob Fiesta ST oder i20 N ist nur noch eine Geschmacksfrage, beide sind absolut fantastisch. Für mich und das mag nun überraschen, bleibt die Krone beim Ford. Der Fiesta bekommt nun ein Facelift, was für uns wieder Grund genug ist, ihn zeitnah zum i20 N erneut zu fahren. Es bleibt also spannend.
Der Verbrauch lag im Schnitt bei 6,8 Liter Benzin / 100 km. Der Basispreis für den Hyundai i20 N liegt bei CHF 29’950.-, unser Testwagen mit optionalen Ausstattungen in der Aussenlackierung ”N Performance Blue” liegt bei CHF 34’750.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Aussenfarbe «N Performance Blue»
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