Hothatches gehören zu meinen Lieblingsthemen für OneMoreLap und der aufgefrischte Ford Focus ST will mit kleinen Verbesserungen seinen Standpunkt im heiss-umkämpften Feld weiter schärfen. Ob das gelingt und wie uns die Extrarunde gefallen hat? Einsteigen und los. Finden wir es zusammen heraus.
Ich bin schon sehr viele sportliche Kompaktwagen gefahren und mit der Zeit wird man etwas abgebrüht, etwas verwöhnt. Die fahren sich alle gut? Ja, meistens. Aber da sind gewisse Nuancen und nennen wir es mal «Stilrichtungen», in die sich diese Fahrzeuge einteilen lassen – je nach Marke und Modell leicht verschieden und immer besonders. So besonders, dass wir uns jedes Mal freuen, einen Hothatch in die Finger zu kriegen.
Wir sind den neuen Focus ST (Mk4) erstmals im Jahre 2020 gefahren, damals als Handschalter. Wir waren begeistert und gleichermassen stand er gegenüber einem i30 N mit und ohne DCT im Lager der sehr dynamischen Hothatches, die aber emotional einen leichten Rückstand haben. Daran hat Ford gearbeitet.
Der Diesel als Alternativmotorisierung wurde aus der Angebotspalette entfernt, gut – passt zu einem Passat oder A6, aber nicht hier. Weiterhin gibt es ihn entweder als Kombi oder als «Hatch», sowie als 6-Gang-Handschalter oder mit 7-Gang-Wandler. Wir fahren Hatchback mit Automatik. Unser Exemplar in «Race Red» kommt unverändert mit dem 2.3 Liter grossen Ecoboost-Vierzylinder mit 280 PS und 420 Nm (mit Automatik: 415 Nm).
Fahren ist das Stichwort. Einer der grössten Positivpunkte am Focus ST ist seine ‚one-size-fits-all‘ Auslegung – im Fahrbetrieb, wie auch in der Ergonomie, doch bleiben wir vorerst beim Fahren. Das optionale adaptive Fahrwerk war zwar bei uns an Bord, aber am besten steigt man ein, lässt alles wie es ist und geniesst die Einfachheit. Wie in einer Zeit ohne 18 Fahrmodi, 7 Dämpferkennlinien, 5 Fakesound-Stufen und 7-fach verstellbarem ESP (Achtung, Übertreibung). Nein, einsteigen, losfahren, Spass haben. Weniger Knöpfchen suchen, weniger Touchscreen gegrabsche, mehr Fahrspass.
Je sportlicher die Modi im Focus ST werden, desto weiter verfälscht sich sein ehrlicher und kerniger Charakter. Fakesounds, überharte Dämpfer und schwergängiges Lenkrad suggerieren zwar Sportlichkeit, aber schieben eine surreale Ebene zwischen Fahrzeug und Piloten. Die Stärke am ST ist sein bissiger Motor, sein messerscharfes Einlenken, das wild-schwänzelnde Heck beim harten Anbremsen im Kurveneingang und das Ford-typisch perfekte Chassis.
Kommt alles serienmässig und im Normalmodus, man muss es nur zu nutzen wissen. Wer einen Auftritt wie beim i30 N in Sachen Akustik oder beim Civic Type R in Sachen Optik sucht, ist hier falsch. Wer ein Ampelduell gegen einen i30 N mit 8-Gang-Doppelkupplung anzettelt, wird verlieren, dafür ist die 7-Gang-Wandler nicht bis ins letzte Quäntchen auf Performance gequetscht, im Gegenzug schaltet sie butterweich im Normalverkehr.
Doch damit nicht genug: Im Facelift gibt es nun einen noch grösseren Touchscreen, der mit einer Bildschirm-Diagonalen von 13,2 statt vormals acht Zoll kräftig gewachsen ist. Betriebssystem-Updates kommen nun nicht mehr vom Händler, sondern ganz modern “Over The Air“. Im Vergleich zur Konkurrenz aus dem VW Konzern funktioniert der Touchscreen auch wie er sollte, also ganz intuitiv, ohne Abstürze und mit einer wunderbaren Darstellung. Weiter bekommen wir auch echte Tasten auf dem Lenkrad, die sich blind bedienen lassen. Ist wohl doch nicht so schwer oder?
Für die optische Erkennung des Facelifts spielt die Frontpartie eine Schlüsselrolle: Der obere und untere Kühlergrill tragen neuerdings einen wabenförmigen Einsatz, hinzu kommen grosse seitliche Lufteinlässe, spezielle Skirts und ein aerodynamisch optimierter Spoiler, sowie einen wohlgeformten Heckflügel. Zur Serienausstattung gehören neu gestaltete Alu-Felgen in 19 Zoll für den ST X.
Nebst dem grossen Screen begeistern im Innenraum vor allem die von Ford Performance neu entwickelten Sportsitze. 14-fach verstellbar bieten sie eine tiefe Sitzposition und eine tolle Ergonomie, deutlich besser als im Vorfacelift und sogar noch besser als im letzten Focus RS (weil tiefer). Was wir weiterhin vermissen sind weitere ST-spezifische Feinheiten und Details im Innenraum. Es gibt zwar eine ST-Taste am Lenkrad als Schnellzugriff auf die Fahrmodi und auch einige ST-Logos, aber damit hat es sich. Das können GTI und i30 N noch etwas besser.
In der Klasse der Hothatches spielen Fahrassistenten eine grosse Rolle, da diese Fahrzeuge nicht selten auch im Alltag verwendet werden und nicht ausschliesslich «auf letzter Rille». Wir waren schon beim letzten Test erstaunt und sind es auch hier wieder. Beispiel gefällig? Der Toter-Winkel-Assistent mit CrossTraffic Alert inklusive Notbrems-Funktion kann nun per Lenkeingriff auch aktiv gegensteuern, wenn bei einem Spurwechsel Kollisionsgefahr droht.
Besonders gefallen hat uns der Ford Intelligent Drive Assist (nur für Fahrzeuge mit Automatikgetriebe) – eine teilautomatisierte Fahrer-Assistenz, bestehend aus adaptiver intelligenter Geschwindigkeitsregelanlage, Fahrspur-Pilot, Stau-Assistent mit Stop & Go-Funktion und einem Verkehrsschild-Erkennungssystem. Er funktioniert zuverlässig, wunderbar ausgewogen und weiss es, nicht mit nervigem Gepiepse aufzufallen.
Was bleibt also?
Der Ford Focus ST wurde durch sein Facelift etwas emotionaler, bleibt aber weiterhin seinem seriösen Auftritt treu und weiss es, als «heimlifeisser» Hothatch zu punkten. Abgeklärt, schnell, mit wunderbarem Chassis, tollen Sitzen und hervorragenden Assistenten. Kaufempfehlung für alle die, die Hothatch fahren wollen und schon etwas weiter von der Pubertät weg sind. Natürlich handgerissen, nicht nur wegen den 5 Newtonmeter Drehmoment..
Weitere gute Nachrichten: Seit Oktober gibt es ein optionales «Track Pack», genauer ein höhenverstellbares Gewindefahrwerk von KW Automotive, grössere Bremsen von Brembo und besonders leichte Räder für ein Plus an Fahrdynamik. Ford bietet das optionale Track Pack für die fünftürige Fliessheckvariante mit 6-Gang-Schaltgetriebe zum Preis von 3’500 Schweizer Franken (inkl. MwSt.) an.
Der Verbrauch lag im Schnitt bei 8,9 Liter pro 100 km. Der Basispreis für den Ford Focus ST X liegt bei CHF 49’100.-. Unser Testwagen mit optionalen Ausstattung liegt bei CHF 52’100.-.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
5-Türer Hatchback, Aussenfarbe „Fantastic Red Metallic“, Ford Performance Sitze, Track Pack, Handschaltung
Weitere Impressionen: