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Fahrbericht & Roadtrip: VW ID.4 GTX (77 kWh / 4Motion)

„Mit einem GTI ist man immer gut gekleidet“ – das sagt der Volksmund. Er wirkt zurückhaltend und bietet trotzdem genug Alltagsperformance. Nun möchte Volkswagen nach GTI, GTD und GTE auch die elektrische ID. Familie um Performance-Modelle erweitern, der Kürzel dafür ist GTX. Quasi der Elektro-GTI, der sich sportlich vom Rest abheben soll und mehr Emotionen transportieren möchte. Ob der GTX-Leistungsspritze genug GTI-DNA vererbt wurde, „erfahren“ wir auf unserem Kurztrip nach Italien.

Es ist ein wunderschöner Freitagmorgen im Spätsommer. Das nötigste Gepäck für ein Männerwochenende an der Rennstrecke ist gepackt und im GTX verstaut. Getränkeflaschen für die Langstrecke, sowie etwas Kleingeld für Maut liegen auch bereit. Denn für uns geht es nach Monza an den F1 Gran Premio d’Italia. Der Akku des ID.4 GTX ist randvoll geladen. Unser Ziel ist es, möglichst viel Strecke absolvieren zu können, bevor unser Magen oder dann der Akku in den Notlauf gehen, so dass wir bestenfalls beides gleichzeitig aufladen können. Soweit zur Theorie.

In der Praxis sah es so aus: Wir sind mit 43 % Akku an die Raststätte Bellinzona Nord angekommen und hatten eher Hunger als der ID.4 Strom brauchte. Wir haben direkt von der maximalen und eher gemächlichen Ladeleistung von 125 kW gebrauch gemacht und beim Mittagessen den ID.4 GTX aus der Ferne betrachtet. Eine Peak-Ladeleistung von 125 kW ist nicht mehr wirklich zeitgemäss, das geht zügiger. Es bleibt also viel Zeit für einen Aussencheck.

Hätten wir zwar lieber einen Kombi von VW, also eine echten Nutzlaster fürs „Volk“, gesehen, müssen wir einmal mehr mit einem SUV / Crossover vorlieb nehmen. Doch der ID.4 (auch ohne GTX-Kürzel) ist die definitiv ansprechendere Lösung gegenüber dem kleineren ID.3. Sein modernes Design gefällt, ohne jedem Passanten direkt „ZUKUNFT“ ins Gesicht brüllen zu wollen. VW brüstet sich mit optimierter Aerodynamik und einem cw-Wert von 0,29.

Zum Vergleich bemühen wir den deutlich kantigeren IONIQ 5, der auf ebenfalls 0.29 kommt, jedoch stehen beide im Aus, zieht man noch einen Sportkombi Taycan Sport Turismo (0.22) oder die Limousine EQS (0.20) herbei. Doch zurück zum Volkswagen: In der Nacht sind die aktuellen ID. Modelle deutlich zu erkennen: Ein Lichtband verbindet die Scheinwerfer miteinander und der Scheinwerfer erinnert an ein menschliches Auge. Die „IQ.Light“ Scheinwerfer bemühen sich die Strasse immer so hell wie möglich auszuleuchten, ohne andere Verkehrsteilnehmer zu blenden. Das Heck wird ebenfalls geziert von 3D LED-Rückleuchten, die den Fahrer begrüssen und verabschieden mit einer dynamischen Animation.

Die Reise geht weiter. Wir haben genügend Energie im Speicher, um die letzte Etappe mit genügend Reserven zu erreichen. Die Reisequalitäten des ID.4 GTX zeichnen sich auf diesem Trip besonders gut ab, denn man verbringt wirklich viel Zeit im Fahrzeug. Der Komfort der Sportsitze glänzen mit Seitenhalt sowie grosser Langstreckentauglichkeit mit viel Komfort.

Das Infotainment ist beim Einschalten sofort verfügbar, schneller als in anderen Modellen und war in unserem Falle mit Android Auto ausgestattet. Das erleichtert die Zieleingabe mit den vormarkierten Punkten deutlich. Einzig das Display, welches der Fahrer vor sich sieht, liegt seiner Zeit weit zurück (gefühlt). Ich bin ein grosser Fan von Minimalismus. Nicht, dass ihr mich falsch versteht, es zeigt einem alles an, was wichtig ist, jedoch wenn man aus einem aktuellen VW Tiguan aussteigt und in den GTX einsteigt, wirkt es direkt altbacken. Auch die weiterhin nicht beleuchteten Touch-Slider für Temperatur und Lautstärke unterhalb des Infotainmentdisplays werden seit Jahren von allen Journalisten (und vielen Kunden) kritisiert, leider bisher ohne die gewünschte Korrektur seitens VW. Dafür glänzt das Augmented Reality Head-up Display umso mehr. Auch IQ.Light, eine erweiterte Ambientebeleuchtung, die sich unter der Windschutzscheibe mittels einem schmalen LED-Band erstreckt, untermalt viele Situationen, wie etwa das Abbiegen oder Batterieladen mit leicht verständlichen Lichteffekten.

Auf die Performance beim GTX ist VW besonders stolz. Die E-Maschinen mit einer Maximalleistung von 220 kW (299 PS) ziehen den ID.4 GTX in 6,2 Sekunden auf Tempo 100. Dabei geben sie unterschiedliche Leistungen ab, vorne ziehen 80 kW (109 PS) und an der Hinterachse schieben 150 kW (204 PS). Elektronisch wird der Fahrspass bei 180 km/h begrenzt, doch das war für unseren Trip irrelevant. Das Gesamtdrehmoment addiert sich auf 460 Nm. Die von uns ausgefahrene Reichweite mit vollem Akku lag zwischen 380 – 430 km, je nach Fahrmodus und vergangenem Fahrprofil.

Nun gibt es ein Problem. Der von uns gefahrene IONIQ 5, ohne jeglichen Sportkürzel, gibt es unterdessen ebenfalls auch mit einer 77 kWh grossen Batterie und er schlägt den GTX in allen Disziplinen deutlich: Er hat 325 PS (+26 PS), 605 Nm Drehmoment (+145 Nm), 240 kW maximale Ladeleistung (+115 kW), benötigt nur 5.1 Sekunden (-1.1 Sekunden) von 0-100 km/h und ist sogar noch leicht günstiger (ab CHF 56’900).

Mit diesen Fakten im Hinterkopf fällt es uns schwer, Begeisterung auf der kurzen Landstrassen-Hatz aufzubringen. Die Sportlichkeit wirkt dem ID.4 GTX aufgezwungen, der IONIQ 5 fuhr deutlich heckgetriebener, mit etwas mehr Gefühl in der Lenkung, wenn auch dem ID.4 das nachgeschärfte Fahrwerk zu Gute kommt. Wenn wir uns dann noch mit dem „Fahrdynamikmanager“ im GTX beschäftigen müssen, dann tun wir das vollständigkeitshalber. Ihn kennen wir bereits aus den sportlichen Verbrenner-Brüdern Golf GTI & R. Das Fahrwerk ist über einen Slider vielfach verstellbar und man kann prima einen individualisierten Modus mit vielen Parametern zur Auswahl einstellen.

Jedoch wirkt die ganze Übung halt einfach so, als wäre man sich in Wolfsburg sehr wohl bewusst, dass die Konkurrenz aus Fernost (Hyundai IONIQ 5, Mustang Mach-E, Kia EV6, Tesla Model Y) deutlich voraus ist. Mit leichter Überheblichkeit belässt man es bei einer sportlichen Hülle, angereichert mit einigen Gimmicks und packt ein Standarttriebwerk rein – wird es schon richten für die VW-Bestandskunden.

Nun sind wir etwas abgeschweift. Zurück zu unserem Trip nach Monza. Wir haben unterdessen den Temple of Speed, nämlich den Autodromo Nazionale Monza erreicht. Fahrzeug parkiert und so schnell wie möglich ans Geschehen ran. Wir haben uns direkt an der Parabolica platziert und schon kamen die ersten F1 Piloten angedüst. Für unsere Favoriten lief es am Heim-Gran-Prix zum Ende des zweiten freien Trainings ziemlich gut mit Carlos Sainz Jr. auf dem 1. Platz und Charles Leclerc auf Platz 3.

Wir sind noch für die Formel-2 Qualifikation geblieben und haben uns danach wieder auf den Weg zu unserer Unterkunft begeben. Dort soll nämlich ein Supermarkt bis 22.00 Uhr offen haben und gleichzeitig eine 150-kW-Ladesäule auf dem Parkplatz haben. Hört sich nach Win-win an und genügend Argumenten für uns, den Supermarkt anzusteuern. Die Ernüchterung kam jedoch zügig, als wir auf die Ladesäule zugingen: Sie war noch nicht in Betrieb, obwohl in den gängigen Apps als „aktiv“ verzeichnet. Ein paar Strassen weiter haben wir dann eine weitere CCS Hypercharging Station (wie sie in Italien heissen) gefunden und konnten da aufladen.

Laden lässt sich die 77kWh Batterie des ID.4 GTX einerseits über Wechselstrom Steckertyp 2 oder Gleichstrom mit Steckertyp CCS. Somit dauert die Ladung von 10 – 80 % lediglich 35 Minuten. Wir haben meistens von 20 – 30 % auf 100 % geladen und standen teilweise eine knappe Stunde an Ort und Stelle.

Mit dieser Akkuladung konnten wir zum zweiten Mal zur Rennstrecke fahren und das sonntägliche Rennen aus der ersten Reihe beobachten. Alle Motorsport-Begeisterten wissen, wie es ausgegangen ist: Hinter dem Safety-Car gewann Max Verstappen das Rennen, mit Charles Leclerc auf Platz 3 und Carlos Sainz auf Platz 4. Die Scuderia Ferrari konnte die Hoffnungen der Tifosi nicht ganz erfüllen.

Was bleibt also?
Wer einen futuristischen Innenraum und innovative Features im ID.4 GTX sucht, wird sie nicht finden. Wer möglichst viel Leistung für sein Geld sucht, wird woanders auch besser bedient. Wer sehr schnell aufladen will, ihr errät es, wird woanders auch besser bedient. Wer aber unbedingt einen elektrischen VW Crossover haben möchte, dazu Gefallen am GTX-Sportpaket findet, dem wird hier geholfen. Uns konnten weder die Scuderia, noch der GTX restlos überzeugen.

Der Verbrauch lag im Schnitt bei 18.3 kW/h pro 100 km. Der Basispreis für den Volkswagen ID.4 GTX liegt aktuell bei CHF 57’750.-. Unser Testwagen mit optionalen Ausstattungen in der Aussenlackierung «kings red / black» liegt bei CHF 70’797.-.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Scale silber metallic, Leichtmetallräder Narvik in 21 Zoll, Design Paket «Plus»

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