Suche

Hyundai IONIQ 5 – First Edition (4WD & 72,6-kWh-Batterie)

Der IONIQ 5 hat mich überzeugt. Das ist nicht ganz leicht. Als Autoenthusiast bin ich stets auf der Suche nach ehrlichen Emotionen, die mich zu einer Extrarunde, einer OneMoreLap, verleiten und bisher war das in Elektroautos kaum der Fall. Der IONIQ 5 ist nun auch kein handgeschalteter Purismus-Wahnsinn, aber ein sehr guter Allrounder, der im dynamischen Fahrbetrieb für Überraschungen sorgt und mit einer fairen Preis/Leistung punktet. Schauen wir uns das genauer an.

Der IONIQ 5 ist ein mittelgrosses SUV, zumindest für europäische Verhältnisse. Das heisst in Abmessungen 4.635m lang, 1.89m breit und 1.605m hoch. Falls Dir nun kein Vergleich einfällt, ein aktueller Audi Q5 verfügt über ziemlich identische Abmessungen (4.682m lang, 1.89m breit und 1.662m hoch). Auf Bildern wirkt der IONIQ 5 kleiner? Absolut, auf den ersten Enthüllungsfotos hätte ich ihn glatt in die Golf-Klasse geschätzt. Weit gefehlt.

Zweite Überraschung: Die generelle Auslegung. Der Hyundai bemüht sich um viel Komfort. Ein überlanger Pedalweg sorgt für gute Dosierbarkeit der Kraft, die Lenkung ist weich und leichtgängig, nur die 20-Zöller poltern ab und an etwas. Ansonsten gibt es nur Positives zu vermelden. Kaum Windgeräusche, dezente Abrollgeräusche, kaum Wankneigung, keine künstlich-erzeugten Motorgeräusche und ein rundum „geschmeidiges“ Fahrerlebnis. Denkt man sich die polternden 20-Zöller weg, schliesst die Augen (bitte nicht beim Fahren), fühlt den bequemen und gut konturierten Sitz, dazu das feine Leder am Lenkrad, könnte man auch in einem mittelgrossen SUV einer deutschen Premiummarke sitzen. Kompliment Hyundai.

Wählt man über den „Drive-Mode“ Knopf am Lenkrad den Sportmodus aus, wird das Ansprechverhalten deutlich knackiger, die Dämpfer schärfen sich leicht und die Lenkung wird direkter. Die Lenkung ist weiterhin kein Vorzeigebeispiel in Sachen Rückmeldung, jedoch lässt sie den Hyundai IONIQ 5 damit präzise dirigieren. Interessant: ESP und Traktionskontrolle lassen sich über einen kurzen Tastendruck links neben dem Lenkrad abschalten und dann kann man zügig in eine enge Kurve hineinfahren, somit die Vorderachse beschäftigen und dann mit einem entschlossenen Gasstoss das kurveninnere Hinterrad zum Durchdrehen bewegen, was in einem kurzen, feinen und überhaupt nicht zickigen Powerslide enden wird. Welcher Brot und Butter SUV der Mittelklasse kann das? Ich behaupte: Keiner ausser der IONIQ 5, solange kein Sportabzeichen zu sehen ist. Und ein IONIQ 5 N wird kommen, keine Frage.

Das sind dann Momente, bei denen selbst ich mir denke, dass die Zukunft, die vor uns liegt, wenn sie denn rein-elektrisch wird, auch nicht komplett spassbefreit sein wird. Längsbeschleunigung werte ich übrigens nicht als Spass. An Leistung gewöhnt man sich viel zu schnell und es ist, besonders in der Elektromobilität, viel zu einfach abrufbar, damit es tiefgründig und langfristig Spass machen kann. Ein Blick auf das Datenblatt verrät: Der IONIQ 5 4WD, also das aktuelle Topmodell, besteht aus einem Heckmotor und einem Frontmotor mit einer Systemleistung von 225 kW / 305 PS. Beide zusammen resultieren in einem Drehmoment von 605 Nm und einem dynamischen Allradantrieb. In Verbindung mit der 72,6-kWh-Batterie beschleunigt diese Variante in 5,2 Sekunden von 0 auf 100 km/h. Bei 185 km/h ist der IONIQ 5 abgeriegelt.

Der IONIQ 5 macht das gut. Selbst im Sportmodus verzichtet er auf künstliche Motorsounds, er versucht nichts zu sein, was er durch seine E-Antriebskonzeption nicht ist. Gut so. Deutsche Premiummarken: Nehmt euch ein Vorbild. Die Reichweite beträgt laut Datenblatt 430 Kilometer. Realistisch waren wir im Winter, gemischter Fahrstil, bei 330 km. Nicht so gut.

Aussencheck. Der Hyundai IONIQ 5 sieht aus wie eine wildgewordene Konzeptstudie, die aus einem Designstudio ausgebrochen ist und nun in freier Wildbahn lebt. Von vorne ein bisschen moppeliger DeLorean DMC 12, hinten das typisch-eckige 80er Jahre Rückleuchtendesign. Für das ist sein Name, der sich eher wie die liebliche Bezeichnung einer Kaulquappe anhört, eigentlich viel zu niedlich. Für die, die es wissen wollen, IONIQ setzt sich, laut Hyundai, aus UNIQUE und ION zusammen. Viel wichtiger: Das progressive Aussendesign des IONIQ 5 polarisiert. Vorne dominiert die übergrosse Motorhaube, die sich über die Kotflügel bis zu den Radhäusern zieht und darunter die markanten LED-Leuchten im Pixeldesign zur Geltung kommen lässt. Darunter ziehen sich weitere Leuchtelemente in die Stossstange.

An den Seiten gibt es bündig abschliessende Türgriffe, die automatisch herausklappen. Sie sorgen für ein klares Oberflächendesign und verbessern die Aerodynamik im Fahrbetrieb. Hinten setzt sich das Pixeldesign in der Heckleuchte fort. Erfrischend. Mir gefällt’s!

Im Innenraum ist das Leder am Lenkrad lobenswert. Leider ist an anderen Orten ein anderes, nicht ganz so feines Leder verarbeitet. Die Sitze sind beispielsweise mit einem Leder verkleidet, das mit Pflanzenölextrakten aus Leinsamen gefärbt und behandelt wurde. Weitere Polsterungen bestehen aus Textilien, die aus nachhaltigen Fasern wie Bio-Zuckerrohr, Wolle und Garnen auf Pflanzenbasis hergestellt werden. Hyundai setzt dabei auch Stoffe ein, die aus Fasern recycelter PET-Plastikflaschen gewebt sind. Oberflächen wie das Armaturenbrett, die Schalter, das Lenkrad und die Türverkleidungen sind mit einem Polyurethan-Bio-Lack beschichtet, der aus Raps- und Mais-Öl gewonnen wird.

Schön und gut, leider sind die Tasten auf dem Lenkrad allesamt jeweils auf eine (Klavierlack-)Fläche pro Seite aufgeteilt, so dass man sich gerne mal vertippt oder nochmals drücken muss, bis die Eingabe erkannt wird. Die Verkleidung der Infotainment- und Tachobildschirme ist weiss, so auch deren grundsätzliche Darstellung sehr hell. Die Ablesbarkeit leidet darunter, wie auch der optische Gesamteindruck. Es wirkt irgendwie nicht passend zum sonst so stimmigen Fahrzeug. Das gilt für die gesamte Innenraumanmutung. Die Verarbeitung ist zwar in Ordnung, aber die Materialwahl oft eher Öko als Premium. Belederter Lenkradkranz ausgenommen.

Die Funktionen sind dafür hochklassig. Head-Up-Display mit Augmented Reality, die zahlreichen und gut funktionierenden Fahrassistenten, das 360-Grad-Kamera-System, die Auspark-Funktion über den Schlüssel oder auch kleine Details, wie die GPS gesteuerte Klimaanlage, die automatisch in den Umluftmodus wechselt, bevor man in ein längeres Tunnel einfährt.

Die Mittelkonsole lässt sich verschieben, so dass der Fussraum noch grösser wird. Die Sitze sind sehr bequem und lassen sich bis weit nach hinten, in eine Art Liegeposition, fahren. Dann kommt eine sehr lange Beinauflage nach oben. Das soll laut Hyundai für die Entspannung während der Aufladephase sorgen.

Apropos Aufladen. Dank 800 Volt Ladetechnik, die wir aus dem Taycan und dem e-tron GT RS kennen, bringt der Hyundai einen wichtigen Baustein mit, um nicht nach kurzer Zeit bereits wieder Opfer der zügigen Entwicklungsgeschwindigkeit der Elektromobilität zu sein. Hyundai verspricht, dass er an einer 350-kW-Schnellladesäule die Hochvoltbatterie in nur 18 Minuten von 10 auf 80 Prozent ihrer Kapazität auflädt. Eine Ladedauer von fünf Minuten genüge für eine Reichweite von 100 Kilometern nach WLTP-Norm. Wir konnten das leider mangels 350-kW-Ladesäule in der Umgebung nicht verifizieren.

Speziell am Hyundai ist die bidirektionale Ladefähigkeit (Vehicle-to-Load, V2L). Hiermit lassen sich während der Fahrt oder im Stand beliebige elektrische Geräte wie E-Bikes, E-Scooter oder Notebooks mit bis zu 230-Volt-Wechselstrom speisen. Die V2L-Funktion liefert eine Leistung von bis zu 3,6 Kilowatt. Dies reicht aus, um beispielsweise eine mittelgrosse Klimaanlage und einen 55-Zoll-Fernseher bis zu 24 Stunden lang zu betreiben. Dazu gibt es eine „Steckdose“ unter den Sitzen der zweiten Reihe und eine weitere Dose am Ladeanschluss an der Fahrzeugaussenseite, der mithilfe eines Adapters für 230-Volt-Endgeräte genutzt werden kann.

Was bleibt also?
Der Hyundai IONIQ 5 ist gelungen. Schöner Spagat beim Fahrverhalten, fantastische Technik, polarisierendes Aussendesign, verpackt in einer sehr gefragten Grösse und ohne grosse Schwächen überzeugt er uns beim ersten Test. Dazu eine faire Preisgestaltung und eine reichhaltige Serienausstattung. Der IONIQ 5 wäre meine Wahl für ein Elektroauto in diesem Segment. Kaufempfehlung.

Der Verbrauch lag im Schnitt bei 27,8 kWh / 100 km. Der Basispreis für den Hyundai IONIQ 5 mit 72.6 kWh Batterie, 4WD und in der „First Edition“ liegt bei CHF 59’500, unser Testwagen mit optionalen Ausstattungen in der Aussenlackierung ”Gravity Gold Matt” liegt bei CHF 60’900.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Aussenfarbe «Atlas White»

Weitere Impressionen:

2 Kommentar

Schreibe eine Antwort

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schliessen
Impressum & Datenschutzerklärung | Partner von: RINGLI.media © 2023. Alle Rechte vorbehalten.
Schliessen