Während einem Media Test Drive zu einem anderen Ferrari-Modell (Bericht folgt) auf dem Autodromo di Varano de‘ Melegari gab es die Möglichkeit, einen Ferrari Roma zu fahren. Doch das Wetter spielte nicht mit und ich fand mich auf nassen Strassen wieder, eine Herausforderung, die einen ganz anderen Blick auf das Auto ermöglichte.
Eine freie Session war reserviert für eine Strassentestfahrt. Drei Modelle standen zur Auswahl, glücklicherweise wurde ich in den Ferrari Roma eingeteilt. Also rein und los. Strömender Regen. Der Ferrari steht rückwärts geparkt in einer Box an der Pitlane. Beim Starten des Motors entfacht der V8 ein kurzes, gewaltiges Brüllen, das mir Gänsehaut bereitet. Es ist, als würde der Wagen selbst vor Energie und Vorfreude vibrieren, ein Gefühl, das sich sofort auf mich überträgt. Ein Lächeln huscht mir über das Gesicht, doch auch leichter Angstschweiss erreicht die Fingerspitzen, wenn ich den starken Regen vor mir sehe.
Das Manettino, der Fahrmodus-Wählschalter am Lenkrad, wird auf Regen gestellt. Die italienischen Landstrassen sind unter solchen Bedingungen voller Überraschungen. Hier alter Asphalt mit viel Grip, hier ein neuer Asphalt mit wenig Grip, da stehendes Wasser, hier Spurrillen und dort noch Strassenschäden. Erster Eindruck: Der Ferrari Roma ist auf welligen und unebenen Strassen enorm komfortabel. Die Dämpfer wirken, als würden sie magnetisch an die Strasse angezogen werden, selbst grobe Unebenheiten schaffen es kaum, den Roma aus seiner Ruhe zur bringen. Im Regen und im entsprechenden Fahrmodus fährt sich der Roma leichtgängig, handzahm und entspannt, jedoch immer mit präsentem, traumhaftem Motorklang im Hintergrund.
Als Front-Mittelmotor werkelt ein 3,9-Liter-V8-Turbo mit 620 PS und 760 Nm im Zusammenspiel mit dem 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe aus dem Ferrari SF90. Damit diese Leistung den Spagat zwischen sportlich bissig und lammfromm schafft, sorgen Sensoren und Fahrsysteme wie „Slide Slip Control 6.0“ und „Dynamic Enhancer Torque Vectoring“ – diese regulieren feinfühlig, wie viel Leistung an welchem Rad der Hinterachse ankommt und in welcher Bestimmtheit. Das Datenblatt verrät: 3,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h, 320 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Von „Wet“ auf „Sport“ gestellt, „Comfort“ überspringen wir, werden die Dämpfer direkt spürbar härter, der Auspuffklang deutlich präsenter, die Lenkung bleibt erstaunlich fein und leichtgängig. Keine Spur von der heutzutage verbreiteten Meinung, dass eine schwergängige Lenkung sportlich ist. Nein, hier ist die Lenkung weiterhin sehr fein und lässt sich in jede Kurve verführen. Heute wird eine feine italienische Dame ausgeführt.
Das Lenkgefühl ist, verglichen mit anderen 2+2 Grand-Tourern, weit ausgeprägter. Das Einlenkverhalten ist gierig, der Roma fährt zwar auch geradeaus, aber in Kurven macht es definitiv mehr Freude. Am Lenkrad gibt es dazu den Knopf, dass man in den sportlichen Modi das Fahrwerk auf „Schlechtwege“ einstellen kann, entdeckt – umgestellt und das ist eine wahre Wohltat. Weichere Dämpfer entspricht mehr Fahrbahnkontakt und das ist bei Regen deutlich von Vorteil.
Das 8-Gang-Doppelkupplungsgetriebe habe ich von Beginn an im manuellen Modus. Die feststehenden Schaltwippen sind nicht ganz nach meinem Gusto, ich mag sie lieber mitdrehend, aber das ist Gewöhnungssache. Genau so der Blinker am Lenkrad als Tasten. Blinker links ist auf der linken Seite und wird mit dem linken Daumen bedient. Rechter Blinker ist auf der anderen Seite des Lenkrads und wird mit dem rechten Daumen angetippt. Feiner Druck für 3x „Tippblinken“, fester Druck für Blinken bis zum erneuten Tastendruck. Typisch Ferrari, etwas Daumen-Athletik und echt gut.
Die serienmässige Keramikbremse hatte kaum Probleme mit unserer Unter-Wasser-Fahrt. Packt ordentlich zu und wenn man sich mal an den „Zubeiss-Punkt“ gewöhnt hat, auch einfach dosierbar.
Die Leistung des Roma war selbst unter den herausfordernden Bedingungen unbestreitbar. Auf Wunsch zuckt nun auch mal das Heck, da die Gaspedalkennlinie nun deutlich schärfer ist als noch im entspannten Regen-Modus. Der V8-Turbomotor hat sich 4 Jahre hintereinander den Titel „Engine of the Year“ gesichert. Facettenreicher Klang, der stets präsent ist, aber auch im unteren Drehzahlbereich nie dröhnt, nie stört, sich stets sportlich und „sauber“ gibt.
Gibt man den beiden Turboladern einen Arbeitsauftrag, wird gefaucht, der Klang wird kerniger und selbst bei tieferen Geschwindigkeiten und widrigen Bedingungen kommt Gänsehaut auf. Ausdrehen ist leider in diesen Bedingungen nicht zu machen, genau so wenig der Race-Modus oder sonstige wildere Manöver. Muss es das immer sein? Nein, ein GT-Sportwagen kann und soll auch unter diesen Bedingungen (er)fahrbar und freudenspendend sein. Der Roma ist das. Er ist eine wunderbare Kombination aus Komfort, Faszination Ferrari und, man darf es so nennen, Alltagstauglichkeit.
Mein Testwagen war in ikonischem Ferrari-Rot, doch der Roma wird gerne und oft von Ferrari-Neukunden bestellt, die aus der GT-Sparte kommen, also Bentley Continental, Aston Martin DB11 oder auch Jaguar F-Type und tatsächlich auch mehr und mehr in dezenten Farben. Unter diesen Gesichtspunkten ist der Roma ein wahrer Geniestreich, da er all die nötigen Ferrari-Attribute vermittelt, aber sich auch im Alltag oder für längere Reisen einsetzen lässt, ohne unnötige Aufmerksamkeit, ohne Komforteinbussen.
Optional gibt es für den Roma einen Tempomaten mit Distanzregler, um den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zu regulieren, Spurverlassungswarner, Toter-Winkel-Assistent, Aufmerksamkeitsassistent und sogar 360-Grad-Kameras, um die teuren Felgen nicht zu verkratzen.
Optikcheck: Der Ferrari Roma ist ein Ferrari ohne das jedem ins Gesicht schreien zu wollen. Keilförmige Front, die Lüftungsgitter zusammen mit der aggressiven Scheinwerferpartie wirken erfrischend wild im Haifisch-Design. Die spannende Interpretation zwischen Historie und Moderne gehen in der Seitenlinie weiter, gut zu erkennen an den markanten Rundungen, die das insgesamt nur 1.30m flache Fahrzeug nach hinten begleiten.
Hinten findet man wunderschön minimalistisch-flache Heckleuchten, die weiter in einer durchgehenden Kante ums Heck gehen und einen ausfahrbaren Heckspoiler als Überraschung bereit halten. Darunter ein Diffusor mit 4 grossen Endrohren. Optik: Für mich einer der schönsten Ferrari seit der Jahrhundertwende.
Der Innenraum. Beginnen wir mit den guten Punkten: Die Sitze und die Ergonomie sind absolut perfekt. Trotz meiner Grösse von 1.85m sitze ich absolut hervorragend. Sehr tief, das Lenkrad direkt vor mir, toller Seitenhalt, alles ist mehrfach und einfach einstellbar. Toller Funkschlüssel mit dem grossen Ferrari-Logo auf der einen und belederten Tasten auf der anderen Seite. Das digitale Tacho war in unserem Falle mit Apple Carplay versehen, hat aber trotzdem links und rechts wertvolle Informationen angezeigt.
Mühsam: Der Start-Stopp-Knopf ist eine Touchfläche am Lenkrad. Emotionslos, kein haptisches Feedback. Das Infotainment in der Mitte: Langsam, ungenau, das eingesetzte Display hat beim Anfassen leicht geknarzt, auch der Schieberegler für das Doppelkupplungssystem mit dem klitzekleinen Hebelchen wirkt einfach nicht Ferrari-würdig. Die Vielzahl an Funktionen und die Touch-Felder erfordern eine gewisse Eingewöhnungszeit, die mir während der kurzen Testfahrt fehlte.
Was bleibt also?
Meine Erfahrung mit dem Ferrari Roma wurde geprägt von den extremen Wetterbedingungen, die mir eine neue Perspektive auf das Fahrzeug geben haben. Mit jedem Tropfen, der auf die Windschutzscheibe prasselt, offenbart der Roma eine überraschende Seite seiner Persönlichkeit: Er lässt sich sanft und souverän durch das nasse italienische Hinterland schlängeln. Fahren wie in einem schwungvollen Tanz mit dem Regen, einem Zusammenspiel von Geschwindigkeit und Faszination. Als würden wir mit den Pfützen spielen wollen. Ein Duett aus Kraft und Eleganz – ein Regentanz.
Der Ferrari Roma beherrscht die Balance zwischen Eleganz und sportlicher Leistung „par excellence“. Es ist ein Ferrari, der sowohl Liebhaber als auch Neulinge der Marke anspricht. Das Innenraumdesign mit seinen vielen Touchflächen mag zwar eines Tages veralten, doch die Essenz dieses Wagens – seine Fähigkeit, jeden Tag aufs Neue zu begeistern, ob bei Sonnenschein oder Regen – wird beständig bleiben.
3 Kommentar