Hier ist er also, mein Neuzugang, ein Porsche 911 Carrera 3.2 Targa «G-Modell» aus dem Jahre 1988 in Indischrot. Es ist der dritte Bericht in unserer neuen Rubrik «Klassiker & Youngtimer», also sportliche Klassiker und Fahrzeuge, die auf dem besten Weg dahin sind. Per Definition ist ein Oldtimer ein mindestens 30 Jahre altes, gut gepflegtes Auto mit Sammler- oder Liebhaberwert. Youngtimer hingegen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt.
Wir sprechen nicht über Investitionspotenzial oder Details zum Zustand im Sinne einer Kaufberatung, sondern fokussieren uns auf die Fahrfreude dieser Fahrzeuge.
Der Neuzugang, ein 33 Jahre altes „G-Modell“, genauer ein Porsche 911 Carrera 3.2 Targa, ist schon seit letztem Herbst bei uns. Doch wie kam es dazu? Eine Rückblende: Die Testfahrt im 911 Carrera 3.0 hat das «Will-haben»-Gefühl geweckt. Ein G-Modell sollte es werden.
Zur selben Zeit habe ich meinen BMW M2 F87 verkauft, da der zu wenig «besonders» war, als reines Wochenendauto. Den Alltag meistert unser A6 Allroad fantastisch. Doch welche Kriterien und Überlegungen habe ich angestellt? Nun, ich wollte einen Elfer mit dem ich sportlich fahren kann, aber das primäre «geniessen» sollte im Vordergrund stehen. Er sollte einen Veteraneneintrag haben (Vergleichbar mit H-Kennzeichen in Deutschland), da ich das Auto nur selten bewegen werde. Nach einer Testfahrt mit einem G-Modell aus den USA mit sehr wenig Laufleistung, Veteraneneintrag aber einigen Details, die weder Original, noch zeitgenössisch waren, grosse Löcher in der Historie und dem Wartungsbuch und sich dazu noch ein schlechter Zustand der Technik breit machte, war der erste «Schuss» also am Ziel vorbei.
«Back to the drawing board» – das Pflichtenheft wurde angepasst. Das Auto sollte eine Farbe tragen, über Schiebedach, Cabriolet oder Targadach verfügen, nachweisbare Wartung und Historie haben, sowie aus einer seriösen Hand kommen. Co-Pilotin „Monza“, ein Vierbeiner fährt auch regelmässig mit und liebt Frischluft so sehr wie Luftgekühlt. Im besten Fall sollte es ein 3.2er Carrera sein mit dem präziseren und widerstandsfähigeren G50 Getriebe.
Einige Wochen später war es soweit, ein Fahrzeug das ich schon länger auf meiner Favoritenliste «geparkt» hatte, wurde im Preis reduziert, so dass ich das Angebot fair fand und es einen Besuch wert war. Technischer Check, vergebliche Suche nach sichtbarem Rost, Probefahrt, Schweizer Erstauslieferung, nachweisbare Historie mit Wartungsheft, Veteranenprüfung vor kurzem Bestanden, alles prima? Absolut. Der Verkäufer hatte das Fahrzeug mehrere Jahre in seinem Besitz und hat Belege und Rechnungen sogar gesammelt. Wunderbar. Deal.
Nach der Abholung haben wir das Fahrzeug in der Werkstatt ordentlich durchgeprüft, eine neue Antriebswelle verbaut, eine Inspektion und die jährliche Wartung durchgeführt. Alles erledigt, ging es auch schon in den Winterschlaf.
Wir schreiben das Jahr 2021. Mit den ersten Sonnenstrahlen und frühlingshaften Temperaturen wurde der Elfer ausgewintert. Die ersten Spritztouren nach der Winterpause sind immer etwas Besonderes. Also ist das Dach schnell entriegelt, angehoben, zusammengefaltet und unter der langen Haube vorne verstaut. Der Schlüssel wird links vom Lenkrad eingesteckt, umgedreht, der Anlasser wirft den 3.2 Liter Motor an, der sich fröhlich raspelnd und mit dem typischen Boxerklang erwecken lässt.
Wir verlassen die Tiefgarage, der Elfer will erst mal in Ruhe auf Betriebstemperatur gebracht werden. Die Richtung «kleiner Klausen» wird eingeschlagen. Das G50 Getriebe schaltet sich seidenweich und präzise. Im Gegensatz zum älteren 915 hat das G50 eine verbesserte Synchronisation von Borg Warner und den Rückwärtsgang links oben. Der Federungskomfort ist begeisternd. Der Wind ist nur an der Kopfoberkante zu spüren, so muss das sein. Warum die Karosserieform «Targa» eine sehr besondere Variante des Elfers ist, was seine Historie zu erzählen weiss und wie er sich gegenüber einem aktuellen 992 Targa vergleichen lässt, schauen wir uns bald an.
Bevor wir am kleinen Klausen ankommen, noch einige technischen Daten. Mein Porsche 911 Carrera 3.2 Targa hat den 930/25 Motor mit Katalysator und leistet 217 PS bei 5900 Umdrehungen und 265 Nm Drehmoment bei 4800 Umdrehungen. Er fährt auf bescheidenen Reifendimensionen (Vorne: 205/55 ZR 16 auf 6J × 16, Hinten: 225/50 ZR 16 auf 7J × 16) und wurde über die einstellbaren Torsionsfederstäbe etwas näher an den Asphalt gebracht.
Internetrecherchen ergeben, dass die Höchstgeschwindigkeit damals mit 240 km/h angegeben wurde, die 0-100 Zeit betrug 6,5 Sekunden und der Verbrauch etwa 16 Liter pro 100 km betragen soll. Letzteres kann ich so in etwa bestätigen, Tendenz eher höher. Das Leergewicht soll bei 1210 kg liegen. Im Zeitraum der letzten Überarbeitung des G-Modells, also von 1984-1989 wurden total 18.468 Targas gebaut.
Genug der technischen Daten. Wir sind in der Region der ehemaligen Bergrennstrecke angekommen. Es wird kurviger. Der Elfer ist nicht ganz so leichtfüssig wie der fast 100 kg leichtere Carrera 3.0, aber auch hier gilt dieselbe Devise: Der Kurveneingang ist der langsamste Punkt, aber ab dann stetig das Gas erhöhen und aus der Kurve raus. Nur so lässt es sich «mit» der (leichten) Vorderachse fahren und gefährliche Pendelmanöver vom (schweren) Heck bleiben aus.
Eine Haarnadel ist voraus. Anbremsen mit einem Schuss Zwischengas, der zweite Gang wird eingelegt, einlenken, leicht aufs Gas, so dass das Heck uns die nötige Traktion gibt. Ab 4’500 wird der Motor so richtig wach, er jubelt sich in die Richtung Drehzahlbegrenzer, doch wir müssen kurz vom Gas, die nächste Rechts-Links Kurvenkombination steht an. Anbremsen, Gewichtsverlagerung abwarten, einlenken und bereits wieder auf den Pinsel, was beim 3.0er zu Beginn noch ein Krampf war, wird zur Kür.
Der Klang ist trotz Katalysator noch absolut fantastisch, insbesondere die Veränderung über das Drehzahlband. Nur in der Tiefgarage oder in einem kleinen Tunnel fällt auf, wie viel mechanischer Klang der Motor in seinem Leerlauf wirklich produziert, es ist eine wahre Freude und eine willkommene Abwechslung zu den heutigen Sportwagen.
Kurzer Aussencheck. Es ist ein Elfer, das erkennt sogar ein kleines Kind. Diese Silhouette, die wohl jeder gesunde Mann seit Kindesbeinen als der wahrgewordene Sportwagentraum verinnerlicht hat. Runde Scheinwerfer vorne, flankiert von hohen Kotflügeln, dazu die tiefeingelassene Haube und in unserem Falle, mit einem schicken schwarzen Targabügel. Hinten die Glaskuppel, die in das minimalistische Heck mit den G-Modell-typischen Impact-Bumper endet. Dazu Fuchs Felgen, die bei meinem Exemplar wunderbar herausgearbeitet wurden und das Porsche-Wappen, laut Erzählungen des Vorbesitzers, von Hand verfeinert wurde. Eine Lackierung in Indischrot tut sein Übriges. Nicht mehr der Erstlack, dafür funkelt er so schön wie kaum ein rotes Auto mit diesen Jahren auf seinem Buckel.
Tatsächlich braucht es immer einige Zeit, bis ich die Fahrzeuge, die ich besitze, auch als solche wahrnehme. Mit den vielen Testwagen, die nur temporär hier sind, sind verschiedene Autos keine Seltenheit und so ist es noch ein spezielleres Gefühl für mich, wenn man langsam aber sicher realisiert, dass ein 911 G-Modell, was man auf dem Schulweg immer bewundert hat, nun sein Eigen nennen darf. Mega! Ein Traum!
Innen findet man ein kleines Prototipo Lenkrad, schön geformte Sportsitze, bei denen man zwar relativ aufrecht sitzt, aber das tatsächlich auch will, da das Lenkrad ohne Servounterstützung eine kräftige Hand und einen wachen Geist erfordert. Weiter gibt es die ikonischen fünf Rundinstrumente mit verschiedenen Anzeigen von Porsche. Tankanzeige, Ölanzeige, Öl-Temperatur, Öldruck, Drehzahlmesser, Geschwindigkeit und Uhrzeit. Wunderschön (und heute unvorstellbar) sind die VDO-Logos, also die Herstellerlogos der Rundinstrumente. Der Drehzahlmesser ist das zentrale Element.
Interessant bei meinem späten G-Modell ist die Mischung aus alt und neu. Elektrische Spiegelverstellung und Alarmanlage treffen auf die grossen Ziehschalter für das Nebellicht, die wiederum auf ein kleines Kombiinstrument mit Anschnallzeichen und Handbremswarnleuchte treffen. Ein wilder Mix zwischen werksseitigen Nachrüstungen der späten 80er Jahren und der Originalform von 1973.
Was bleibt also?
Mit dem Kauf von meinem Porsche 911 Carrera 3.2 Targa «G-Modell» aus dem Jahre 1988 konnte ich mir einen Traum erfüllen. Unglaublich emotional, wunderschön zu fahren, anspruchsvoll, ehrlich und ein Fahrzeug an dem man seine Fahreigenschaften noch verfeinern kann. Er dient mir dazu, mich zwischen all den modernen Testwagen zu „resetten“ – auf das wirkliche Fahren. Ohne Servolenkung, ohne Fahrhilfen, ohne Assistenten, ohne die bauartbedingten „Tücken“ zu vertuschen. Wir haben bereits weitere Artikel dazu im Köcher, freut euch also auf diverse Artikel mit und rund um den alten Elfer.
Seit fast 14 Jahren bin ich die „Pflegekraft“ meines G-Modell Coupe’s.
Ein Kindheitstraum den ich mir erfüllte.
Ich kann jeden Satz deines Berichtes „unterschreiben“.
Sportliche Grüße,
Thomas.
Lieber Thomas, vielen Dank für deinen Kommentar und die lobenden Worte, das freut mich sehr zu hören. Ich wünsche dir allzeit gute Fahrt in deinem 911 G-Modell. Herzliche Grüsse, Andreas
Ein sehr schöner Bericht, Andreas, den jeder nachvollziehen kann, der sich jemals seinen klassischen 911er-Traum erfüllt hat. Und Dein targa glänzt wirklich wunderbar verführerisch in der Alpenlandschaft! Das einzige Detail, das mich irritiert, ist der angegebene Benzinverbrauch. Ich komme mit meinem 84er 3.2 Coupé mit 230 PS im täglichen Betrieb eigentlich nie über die 10 Liter/100km im Drittelmix (ohne deutsche Autobahngeschwindigkeiten, aber gerne bis 160 km/h). Porsche hat mit der Jetronic seinerzeit wirklich sehr gut auf die Ölkrise reagiert und sensationell effiziente Motoren gebaut. 16 Liter / 100km erscheinen mir deutlich über der Norm…?
Herzliche Grüße,
Christopher
Hallo Andreas,
danke für deinen wunderbaren, emotionalen und sachlich treffenden Bericht. Ich habe vor 13 Jahren abgewogen, ob es ein G Modell oder 964 wird. Letzterer hat als Targa gewonnen und macht mir unendlich viel Spaß beim fahren, besitzen und sich damit beschäftigen. Kann jedem der einen Kauf überlegt nur sagen:
Machen…machen ist, wie wollen nur viel geiler.
Verbrauch liegt bei mir zwischen 10 und 11 Liter. Allseits gute Fahrt und herzliche Grüße aus Oberbayern, Helmut Dittrich