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Fahrbericht: VW Touareg 2019 – 3.0 V6 TDI CR

Das Navigationssystem empfiehlt noch bis zum nächsten Dorf zu fahren, da abzubiegen und die asphaltierte Route zu verwenden. Wir kennen einen (legal-befahrbaren) Feldweg, der direkt zum Ziel führt. Also Luftfahrwerk hoch und mit reduziertem Tempo rein in das unbefestigte Terrain.

Die Erde ist aufgeweicht und in der Mitte thront eine deutlich erhöhte Grasnarbe. Das Diesel-Triebwerk schnauft, das Profil der Winterreifen gräbt sich mit leicht hörbarem Geräusch durch die aufgeweichte Erde und jedes Durchfahren einer Pfütze zieht ein leichtes Rauschen mit sich.

Am Ziel angekommen sieht der Touareg, deutlich gezeichnet von den letzten Metern, irgendwie stolz aus. Als möchte er sagen: Das kann ich mindestens genauso gut, wie mich in Städten von engen Parkhäusern zu überfüllten Supermarkt-Parkplätzen zu quälen. Ein sympathischer Kerl.

OneMoreLap erlebt, Fahrbericht vorbei? Nein. Wir klammern in unserer OneMoreLap-Philosophie mit Absicht keine SUV’s aus, da genau Begebenheiten wie das Intro in diesem Fahrbericht zeigen, dass diese Fahrzeuge ebenfalls auf ihre ganz eigene Art die automobile «Extrarunde» versüssen können.

Bei uns an Bord ist der stärkere V6 Diesel mit 286 PS. Ebenfalls verfügbar ist ein schwächerer V6 Diesel mit 231 PS. Folgen werden zudem ein V6-Benziner (340 PS) und ein V8-Turbodiesel (421 PS). Unsere Motorisierung war dank 600 Nm absolut ausreichend motorisiert. Kleine Sprints bei Autobahneinfahrten, beim Wechsel von Innerorts auf Ausserorts und sogar Überholmannöver schafft der Touareg stets engagiert, obwohl auf der Haben-Seite über zwei Tonnen Gewicht warten.

Mit einer Ausnahme: Rollt man an eine Ampel oder eine Verzweigung mit einem ungefähren Tempo von 5 – 15 km/h bleibt das sonst makellose 8-Gang-Getriebe stur im zweiten Gang, was dann zu einer Anfahrschwäche führt, die mit einem späten Runterschalten und einem plötzlichen Vorwärtsschiessen im ersten Gang beendet wird. Interessanterweise ist dieses Verhalten auch im neuen Audi A7 (Fahrbericht folgt) mit identischer Motor-Getriebe-Kombination zu finden.

Der Touareg hat mich oft auf Landstrassen-Etappen begleitet und während er da aus Kurven, dank seinem drehmomentstarken Dieseltriebwerk, verhältnismässig sportlich rausbeschleunigt und dank (optionaler) Allradlenkung auch dynamisch fährt, haben wir die Wankstabilisierung aus dem Cayenne schmerzlich vermisst. Während die Luftfederung mit Allradlenkung mit knapp CHF 3’000 zu Buche schlägt, möchte VW für die aktive Wankstabilisierung nochmals denselben Beitrag sehen. Wir prophezeihen: Es lohnt sich.

Das Luftfahrwerk macht den Touareg sehr sanft und komfortabel. Die Spanne zwischen den Fahrmodi «Sport» und «Komfort» ist uns beim Cayenne allerdings grösser in Erinnerung geblieben, nichtsdestotrotz sehen wir das nicht als Kritikpunkt, da der Konzernbruder auch etwas teurer und mit leicht anderem Zielpublikum an den Start geht.

Der neue Touareg wurde im Vergleich zu seinem Vorgänger moderat breiter (+ 44 mm) und länger (+ 77 mm). Die ersten Tage ungewohnt, kann man sich dank wertvoller Helferlein und der unverzichtbaren Allradlenkung, nach einiger Zeit auch auf engstem Raum gut bewegen. Interessant: Trotz grösserer Dimensionen ist die in Mischbauweise gefertigte Karosserie um 106 Kilogramm leichter geworden.

Optisch erschreckt der neue Touareg etwas. Vorne sehr amerikanisch (Funfact: Der Touareg wird in den USA nicht in dieser Form verkauft) mit viel Chrom, hochgebauter Haube und einem grimmigen Blick. Hinten eher lieblicher und mit schmaleren Heckleuchten als der Vorgänger, allerdings mit breitem «Hintern». Ich mochte das zurückhaltende Auftreten des Vorgängers sehr, nun scheint es, als wolle VW dem Touareg einige Gene des untergegangenen Phaetons mitgeben. Wem das Bling-bling-Chrom vorne übrigens zu viel des Guten ist, kann über die Optionenliste auch schwarze Anbauteile ordern.

Innen wartet ein ganzes Technik-Feuerwerk. Als erster Volkswagen startet er mit dem volldigitalisierten „Innovision Cockpit“, welches wir auch bald in weiteren Modellen von VW sehen werden. Der digitale Tacho mit 12-Zoll- Display und das Infotainmentsystem mit 15-Zoll- Display sorgen für die volle Ladung an digitaler Konnektivität.

Der positive Aspekt: Das Cockpit kommt dabei nahezu ohne klassische Tasten und Schalter aus. Der negative Aspekt: Das Bediensystem könnte noch mehr für die schnelle und intuitive Bedienung optimiert sein.

Beispiel Lenkradheizung: Statt einem simplen Knopf am Lenkrad, muss der Finger erst auf die «Klima»-Schaltfläche, dann auf das Symbol der Lenkradheizung, dann erweitert sich das Menü mit vier Icons, die nur knapp grösser sind als die Programme auf einem iPhone-Homescreen und dazu nicht einfach 0-3 anzeigen, sondern alle das Icon der Lenkradheizung mit einer sehr kleinen Zahl oben. Das wird sich hoffentlich durch Benutzer-Feedback und weiteres optimieren der User-Interface Oberfläche aber noch verbessern. Das System allgemein ist logisch aufgebaut und eine sehr gute Basis.

Interessant: Die persönlichen Einstellungen werden im Fahrzeugsystem gespeichert und automatisch per persönlichem Fahrzeugschlüssel wieder abgerufen. Das ist besonders praktisch, wenn der Touareg zwischenzeitlich mit einem weiteren Schlüssel z.B. von Familienmitgliedern bewegt wurde.

So bleiben beispielsweise auch die Klima- oder Sitzheizungseinstellungen gespeichert, wobei wir leider den Schlüssel auch noch tadeln müssen. Dieser besteht grösstenteils aus einer Klavierlack-Plastik-Ummantelung und sieht nach kurzer Zeit schon sehr verkratzt und mitgenommen aus.

Die Materialwahl ist generell gut, sehen wir allerdings, in welche Preis-Dimensionen unser Touareg nun vordringt, müssen wir uns über die Materialanmutung auf einem hohen Niveau doch noch etwas beschweren. Der Türgriff auf der Fahrerseite hat sich Knarzgeräusche erlaubt, die Einfassungen, Blenden und Verkleidungen sind zu oft einfach nur Plastik und warum wurde das Handschuhfach derart minimalistisch konzipiert, dass die Mappe mit allen Fahrzeugunterlagen keinen Platz darin findet und stattdessen in einem Netz beim Beifahrer platziert sein muss?

Zurück zu dem, worauf die Entwickler wohl mehr Wert gelegt haben. Das Technologie-Crescendo. In Sachen Assistenzsysteme bietet der Touareg u.a. Nachtsichtunterstützung per Wärmebildkamera, Stau- und Baustellenassistent (teilautomatisiertes Lenken und Spurhalten, Gasgeben und Bremsen bis 60 km/h), Kreuzungsassistent (reagiert auf Querverkehr) oder LED-Matrixscheinwerfer, die interaktiv per Kamera Abblend- und Fernlicht steuern.

Für Offroad-Fahrer hat VW leider schlechte Nachrichten. Das Untersetzungsgetriebe und die mechanischen Differenzialsperren, die im Vorgänger zumindest noch optional angeboten wurden, sind nicht mehr erhältlich. Optional gibt es nur noch ein Offroad-Paket mit fünf speziellen Fahrmodi und Unterfahrschutz. Ein Bergabfahrassistent ist serienmässig.

Was bleibt also? Ein Touareg, der optisch weit weniger Understatement verkörpert als sein Vorgänger, sich aber gut fährt, im Vergleich zum Konzernbruder Cayenne auch Dieseltriebwerke bietet und die neuesten Technologien in seinem hochmodernen Cockpit einsetzt. Wir mögen den Mix zwischen hemdsärmeligem Partner für unbefestigte Strassen und gutem Komfort «on-road».

Der Verbrauch lag im Schnitt bei 7,2 Liter pro 100 km. Der Testwagen, der freundlicherweise von Volkswagen Schweiz zur Verfügung gestellt wurde, war in Pure White Uni und lag preislich mit Sonderausstattung bei CHF 104’407.-. Der Konfigurationsspass für die Motoriserung mit 286 PS beginnt bei CHF 80’400.-.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Aussenfarbe Siliziumgrau Metallic, Leichtmetallfelgen „Suzuka“ schwarz 9.5J x 21, Black Style R-Line (Aussenspiegelgehäuse in schwarz, Kühlerschutzgitter Stossfänger, Zierleisten schwarz), Dachreling in schwarz, Seitenscheiben hinten und Heckscheibe 80% abgedunkelt

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