Der CUPRA Born mit der 58kWh Batterie und Heckantrieb begeistert auf dem Papier und auch optisch macht er ordentlich etwas her. Optisch ist der deutsche Konzernbruder, VW ID.3, der auch auf derselben MEB Plattform steht, deutlich biederer. Ob sich seine Sportlichkeit nur aufs Äussere reduziert oder ob der CUPRA Born auch fahrdynamisch in dem Mass abliefert, wie es seine Grundzutaten vermuten lassen? Dieser Frage möchten wir heute nachgehen. Einsteigen und los.
Etwas über drei Jahre ist es her, seit sich CUPRA als eigene Marke „abgespaltet“ hat und seit Ende 2021 darf nun der erste vollelektrische CUPRA das Portfolio ergänzen. Ein Sportcoupé / Cabrio sucht man in der Modellvielfalt der Sportmarke übrigens weiterhin vergebens. Der Name Born wurde nach einem Stadtteil in Barcelona benannt. „El Born“ ist ein Viertel im ersten Stadtbezirk „Ciutat Vella“. Laut Wikipedia steht „El Born“ in den katalanischsprachigen Gebieten auch für den Austragungsort von Waffenspielen der Ritter oder auch für ein solches Ritterturnier selbst.
Wir sind mit der Einstiegs-Antriebseinheit von 204 PS / 150 kW und einem 58 kWh Akku unterwegs. Der Motor kann bis zu 16’000 Umdrehungen pro Minute drehen, dabei warten zärtliche 310 Nm auf ihren Einsatz. Das bedeutet: 7.3 Sekunden von 0-100 km/h und eine Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h. Reichweite (Datenblatt) 424 km. Die grössere Batterie (77 kWh) verbessert diese Werte leicht mit 7.0 Sekunden 0-100 km/h, 548 km Reichweite (Datenblatt), aber gleichbleibenden 310 Nm Drehmoment. Seit kurzem bietet CUPRA für CHF 2’050 CHF Aufpreis auch die kleine Batterie mit 231 PS an, das senkt die 0-100 Zeit auf nur 6.6 Sekunden.
Nun wie steht es mit der Fahrdynamik? Erst die positiven Aspekte: Die Lenkung ist im Sportmodus direkt und frei von Antriebseinflüssen, Heckantrieb war noch nie ein schlechtes Konzept. Die Batterien sind beinahe im Gleichgewicht zwischen den Achsen verteilt. Mit ESP auf „Sport“ lässt er die Leine etwas lockerer und das Gefühl von Heckantrieb wird spürbarer. Aus der Kurve wird nun geschoben, nicht gezogen. Die Dämpfer sind 15-fach verstellbar und bieten einen guten Spagat zwischen Sportlichkeit und Komfort. Soweit so gut.
Wir müssen hier aber mal die Hand hochhalten und kurz durchatmen. Die Paradedisziplin der E-Autos soll die Beschleunigung sein, für mich der wichtigste Punkt um die Emotionalität der Verbrenner, zumindest kurzzeitig, in Vergessenheit geraten zu lassen. 7.3 und 7.0 Sekunden sind heutzutage in keinster Weise sportlich, schon gar nicht für ein Elektroauto. Der 1,811 kg schwere Spanier fühlt sich gehemmt an. Gehemmt, die Kraft auf die Hinterachse los zu lassen.
Es könnte ja jemand in voller Übermut die Kontrolle verlieren und vor lauter Übersteuern verunglücken. Mit dieser Angst verdient BMW M seit Generationen viel Geld. Und pikant: selbst der deutlich grössere IONIQ 5 mit Allrad fühlte sich freier und kraftvoller an, bei gleichzeitiger Möglichkeit, mit nur einem Knopfdruck die ESP-Leinen zu lösen und spassige Powerslides in den Asphalt zu zaubern.
Auch die Zwischenspurts reissen hier keine Wurst vom Teller. Die Zeitschrift „Auto Motor und Sport“ hat dazu Vergleichsdaten mit einem CUPRA Leon mit 2.0 TSI und 245 PS gemessen. Der 170 kWh (grosse Batterie) CUPRA Born brauchte für 80 – 120 km/h ganze 4.9 Sekunden, der Cupra Leon nur 3.7 Sekunden. Autsch!
Optisch ist der CUPRA Born ansprechend. Wir zählen viele verspielte Details, wie die grossen Lufteinlässe an der Front, dreidimensionale Formen auf der Motorhaube, kleine parametrische Dreiecke an der Seite der Rückleuchten, die fliessenden und tiefgezogenen Seitenschweller, die C-Säule mit fliegenden Vierecken und die auffälligen Felgen.
Die Designer haben sich zwar sehr viel Mühe gegeben, den biederen ID.3 aufzupeppen, jedoch bleibt das Hauptproblem bestehen: Die Bauform ist mehr Kompaktvan als Kompaktwagen. Mit 4.32 m Länge, 1.81 m Breite und 1.54 m Höhe ist er fast 10 cm höher als ein normaler Golf, nur 4 cm tiefer als ein Golf Plus / Golf Sportsvan und die Sitzposition „VW Multivan“ bestätigt das. Auch die Ergonomie von den Armen zum Lenkrad ist zu steil, dazu hat mich die weit entfernte und sehr grosse Frontscheibe mit kleinen Fenstern in den A-Säulen, an die dritte Generation Renault Espace erinnert.
Oh und wir sind noch nicht fertig. Trommelbremsen an der Hinterachse? Zwar deutlich weniger rostanfällig als Scheibenbremsen, aber weder hübsch, noch CUPRA-würdig. Apropos Bremsen: Im normalen Drive-Modus rekuperiert der Spanier sehr wenig. Im B-Modus ist die Rekuperation deutlich stärker und lässt ein One-Pedal-Driving zu. Mit einer Ausnahme: Bis zum Stillstand will er mich nicht „bremsen.“
Nun zur Reichweite. Nach WLTP sollten mit der kleinen Batterie bis zu 420 km Reichweite anliegen. Diese sind bei sommerlichen Temperaturen realistisch machbar, solange man die Klimaanlage nicht auf Kühlschrank hochfährt. Er lädt fast schneller, als er fährt: Schon nach einer siebenminütigen Ladung an einer 135 kW Ladesäule soll man schon 100 km weit kommen.
Selbst wenn die Batterie nur 5 % Restkapazität hat, kann im besten Fall in nur 36 Minuten die Ladekapazität auf 80 % erhöht werden. Während meiner Testphase habe ich den Wagen mehrmals auf knapp unter 20 % gebracht und danach in unter einer Stunde an einer 150 kWh-Ladesäule auf 100 % laden können. Dabei ist die maximale Energieaufnahme am CUPRA Born auf 135 kWh begrenzt.
Der Innenraum ist sehr minimalistisch gehalten. Ein sehr kleines Display zeigt dem Fahrer hinter dem Lenkrad die wichtigsten Daten an. Das sind Daten wie Geschwindigkeit / Reichweite / Akkuzustand (als Symbol) / Zeit / Aussentemperatur / Sign-Assist und Spurhalte-Assistent, gepaart mit ACC oder wie es Tesla gerne nennt, «Auto-Pilot». Für 2022 etwas zu minimalistisch, vor allem mit grossen schwarzen unbenutzten Flächen rund um den Bildschirm. Dazu am selben Tachoelement ganz rechts: der Getriebedrehknopf. Ungewohnt. Die Sitze bieten guten Seitenhalt, bei einer (bereits erwähnten) hohen Sitzposition. Die vielen Einsätze in Stoff im Alcantara-Feeling wirken hochwertig, die kupferfarbenen Akzente würzen etwas Sportlichkeit nach und die vielen eingelassenen Formen im Sitz sind ein hübscher Akzent.
Der Born hat aber noch ein Ass im Ärmel: Ein Augmented Reality Head-up-Display. Dieses markiert mit einer Linie virtuell die Distanz zum vorausfahrenden Fahrzeug. Wenn man mit aktivierter Zielführung fährt, werden im Head-up-Display ebenso sich bewegende Pfeile in die Windschutzscheibe projiziert. Kennen wir bereits aus dem Mercedes Benz EQS, aber hatten wir hier nicht erwartet. Daumen hoch.
Was bleibt also?
Der CUPRA Born bringt zwar eine beeindruckende Ritterrüstung mit, aber kämpft mit stumpfer Lanze. Dazu kaum verspielte Innovationen, wie im Tesla oder Honda e, die auf eine jüngere Klientel abzielen würden. Einzig das gute Head-Up-Display stich hervor und die Ladegeschwindigkeit, ansonsten gibt es hier kaum erwähnenswerte Highlights. Der Verbrauch lag im Schnitt bei 17 kWh pro 100 km. Der Basispreis für den CUPRA Born liegt bei CHF 38’900.-. Unser Testwagen mit optionalen Ausstattungen in der Aussenlackierung «aurora blue» liegt bei CHF 47’438.-.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Aussenfarbe in «aurora blue», Alufelgen 8J x 20 «Firestorm» mit 235/40 R20, CUPRA Sportschalensitze in Dinamica «granite grey», Privacy Verglasung