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Porsche 911 Carrera 3.0 von 1976 (G-Modell)

Unser Fahrbericht zum Porsche 911 Carrera 3.0 von 1976 (G-Modell) ist der nun zweite Bericht in unserer neuen Rubrik «Klassiker & Youngtimer», also sportliche Klassiker und Fahrzeuge, die auf dem besten Weg dahin sind. Per Definition ist ein Oldtimer ein mindestens 30 Jahre altes, gut gepflegtes Auto mit Sammler- oder Liebhaberwert. Youngtimer hingegen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt.

Wir sprechen nicht über Investitionspotenzial oder Details zum Zustand im Sinne einer Kaufberatung, sondern fokussieren uns auf die Fahrfreude dieser Fahrzeuge.


Nun aber zum Elfer. Er gehört demselben Besitzer, wie der bereits vorgestellte BMW 2002 Turbo. Geparkt in der „Porsche-Ecke“, neben einem G-Modell Targa in Vipergrün und einem G-Modell Martini Racing Rennwagen, wartet er. Fast etwas unscheinbar ist der 911er mit Jahrgang 1976 in einem zurückhaltenden, aber gleichzeitig stilvollen Silber Métallic lackiert.

Porsche 911 Carrera 3.0 von 1976 (G-Modell)

Einsteigen.
Die Spange im Türöffner klackt, die leichten Türen springen auf. Einsteigen. Man setzt sich rein. Tiefe Sitzposition, kleines Sparco-Lenkrad, mittiger Drehzahlmesser, stehende Pedalerie, langer Schalthebel. Alles passt perfekt. Das Zündschloss befindet sich links, der kleine Schlüssel nach rechts gedreht, erwacht der 3.0-Liter-Sechszylinder. Erst schüttelt er sich ein wenig, um dann doch weich und kernig Drehzahl aufzunehmen. Nach einer kurzen Warmlaufphase pendelt sich die Leerlaufdrehzahl dann im normalen Bereich ein. Der Besitzer kommentiert: „Siehst du, typisch Bosch-K-Jetronic.“

Porsche 911 Carrera 3.0 von 1976 (G-Modell)

Abfahrt.
Die 13 Liter Öl und das frisch revidierte 5-Gang-915-Getriebe wollen behutsam warm gefahren werden. Der Besitzer erzählt, dass der Motor eine Überarbeitung von Rugen Motorentechnik hinter sich hat, eine „der“ Adressen für luftgekühlte Elfermotoren. Er sei also etwas „schärfer“ als ein normaler Porsche 911 Carrera 3.0. Ist notiert.

Eine halbe Stunde später erreichen wir die Bergrennstrecke, die wir auch schon mit dem 2002 Turbo gefahren sind. Das Ölthermometer ist in der richtigen Zone angelangt. Doch der Elfer bockt. Untersteuern. Der Besitzer meint: „Ein Elfer braucht eine Fahrstilveränderung. Fahr langsamer in die Kurven. Beachte, dass der Kurveneingang der langsamste Punkt sein muss, danach einlenken und mit Gas aus der Kurve raus.“

Porsche 911 Carrera 3.0 von 1976 (G-Modell)

Er hat recht. Und wie. Lässt man sich auf diese Fahrstilveränderung ein, fährt man also „mit“ der Vorderachse, anstatt gegen sie, belohnt das der alte Elfer mit Präzision (anstatt Untersteuern) am Kurveneingang, die sich durch die Gewichtsverlagerung beim Einbremsen aufbaut, sowie auch Grip durch das Herunterpressen des Motors auf die Antriebsachse im weiteren Kurvenverlauf.

Das war der Schlüssel. Nun lässt sich der Elfer in einem wunderbaren Fluss fahren. Anbremsen mit Zwischengas, in den zweiten Gang runterschalten, einlenken, leicht aufs Gas und den zweiten Gang ausdrehen. Ab 4’000 Umdrehungen zündet der Dreiliter-Motor seine zweite Stufe, so dass er ab 5’000 Umdrehungen derart jubelt, dass es ein emotionales Erlebnis ist, was ich so noch nicht erlebt habe. Kraftvoll, kreischend und derart lebendig, dass die Gänsehaut zum Dauerzustand wird. Die 200 PS des 3.0 Liter Motors haben mit dem geringen Fahrzeuggewicht von nur 1.120 kg wenig Mühe. Doch es nicht nur die Fahrfreude und Emotionalität, die dazu führt. Nein, es ist auch eine gute Portion Respekt. Immerhin fahren wir hier ohne jegliche Fahrhilfen. Kein ABS, kein ESP, keine Traktionskontrolle. Dazu eine semioptimale Gewichtsverteilung mit 60% hinten und 40% vorne. Bricht er aus, musst du früh und entschieden reagieren, sonst frisst er dich.

Angekommen.
Oben angekommen, lassen wir es etwas ruhiger angehen. Der Auspuff sprotzelt freudig vor sich hin bei Gaswegnahme, der Besitzer kommentiert: „Ach weisst du, so ein JP Dansk Sportauspuff ohne Kat ist doch eine Wohltat.“ – ich lache und stimme zu. Wie recht er doch hat. Heutzutage feiern sich Autohersteller, wenn sie künstlich erzeugte Auspuffklänge über die Lautsprecher in den Innenraum lassen. Bähh.

Wir sprechen über die Geschichte des Porsche 911 Carrera 3.0 von 1976 (G-Modell). Porsche hat ihn zum Modelljahr 1976 eingeführt und damit den Carrera 2.7 ersetzt. Nun mit 200 PS und 255 Nm bei 4’200 Umdrehungen (statt bisher 5’100 Umdrehungen) sollte er elastischer sein als der Vorgänger. In Zahlen heisst das: Eine Höchstgeschwindigkeit von 230 km/h. Der Spurt von 0-100 km/h gelingt in 6,5 Sekunden.

Er ist selten.
Sogar sehr selten und er hatte ein Problem. Seine Abgasnorm war nicht gut genug für die Vereinigen Staaten. Somit wurden zwischen 1976 und 1977 tatsächlich nur 3’687 Carrera 3.0 in den Modellvarianten Coupé und Targa verkauft. Zum Vergleich: Sein Nachfolger, der Porsche 911 SC taucht mit 58’000 Autos in der Verkaufsstatistik auf, beim Carrera 3.2 waren es sogar über 76’000 Fahrzeuge. Somit ist der Porsche 911 Carrera 3.0 wohl eines der seltensten Serienmodelle der G-Modellreihe.

Aussencheck.
Die klassische Silhouette des 911. Ikonisch. Wohl am Markantesten: Die Kotflügel vorne sind höher als die Haube und hinten sind es die beiden Verlängerungen der Regenrinnen, die als Linien unvergleichbar elegant bis in die Motorhaube fortgeführt werden. So wirkt er geduckt, präsent, kompakt und, um es in Designersprache auszudrücken, avantgardistisch. Das G-Modell ist für mich bis heute die „typischste“ Modellreihe, die den 911er am Besten verkörpert. Das liegt wahrscheinlich an den häufigen Sichtungen eines schwarzen G-Modells in meinen Jugendjahren auf dem Schulweg. Ich denke, so haben sich die G-Modell-typischen Attribute, wie die breiten Kotflügel, die Fuchs-Felgen, die minimalistische Front und sogar die Impact-Bumper in meinem Unterbewusstsein festgesetzt.

Interieur.
Im Innenraum finden sich, direkt vor dem Fahrer, die ikonischen fünf Rundinstrumente mit verschiedenen Anzeigen von Porsche. Tankanzeige, Ölanzeige, Öl-Temperatur, Öldruck, Drehzahlmesser, Geschwindigkeit und Uhrzeit. Der Drehzahlmesser ist das zentrale Element. Dazu Sportsitze, wobei bei uns während der Testfahrt nur der Beifahrersitz original war, da der Fahrer für seine Bergrennen mehr Kopffreiheit für die Fahrt mit Helm benötigt und so einen Recaro-Sitz mit tieferer Sitzposition verbaut hat.

Was bleibt also?
Dieser Porsche 911 Carrera 3.0 darf bei Bergrennen zeigen, dass seltene Autos nicht nur „Garagequeens“ sind. Auf unserer Ausfahrt sprang der Funke erst nach viel Eingewöhnung und Anpassung um. Doch dann ist etwas passiert, was so noch nie vorgekommen ist. Ich kenne diese Bergrennstrecke gut, sehr gut sogar und wie dieser Elfer da hoch- und runter gefahren ist, wie bockig er zu Beginn war, wie viel Charakter später aus ihm herausgekitzelt werden konnte und wie sehr sich der Fahrer auf „ihn“ einlassen muss, hat in mir etwas bewegt und das war mein (Auto-)Herz. Ich habe mich sofort auf die Suche nach einem Porsche 911 G-Modell gemacht und mir einige Wochen später diesen Traum erfüllt. Mehr zu meinem Porsche 911 Carrera 3.2 Targa G-Modell.

Der Preis lag 1976 bei ungefähr 25’000 CHF, heute muss man für ein gutes Exemplar einen knapp sechsstelligen Beitrag kalkulieren. Wir danken dem Besitzer ganz herzlich für die Leihgabe und sein Vertrauen.

Modifikationen:
– Rugen Motorrevision
– «Recaro»-Sportsitz für den Fahrer
– JP Dansk Edelstahl-Sportauspuff

Mehr Impressionen:

3 Kommentar

  1. Toll geschrieben, tolles Auto in einem perfekten Zustand, wie immer noch tollere Bilder. Aber kein guter Bericht! Gar nicht gut. Erst der 2002, nun das G-Modell. Aufhören, bitte! Ich weigere mich seit geraumer Zeit trotz gelegentlicher Möglichkeiten immer wieder, einen 964er zu fahren, ich steige noch nicht mal zum Probesitzen ein. Allein der Geruch im Innenraum macht mich schon halb wahnsinnig. Die Gefahr mich auch zu verlieben ist viel zu groß, und am Ende würde ich auch einen wollen. Ganz sicher. Aber der finanzielle Vernunftbereich ganz hinten links im Stammhirn sagt: „gar nicht gut“. Daher: kein guter Bericht. Aber toll 😉

    1. Lieber Tom, herzlichen Dank für deinen Kommentar. Das freut uns sehr zu lesen, auch wenn es du augenzwinkernd keinen guten Bericht fandest. Mir ging es leider wie dir, nur habe ich es zu spät realisiert. Verkauft war der alte „moderne“ Sportwagen zwar erst seit einigen Wochen, schon war das Ziel klar: G-Modell. Eigentlich war ich nach dem M2 so enttäuscht und „leer“ in Sachen Fahrfreude, dass ich keinen Sportwagen mehr wollte. Doch der Elfer hat mich auf eine besondere Art und Weise wieder gepackt, genau da, wo der M2 derart „durchschnittlich“ war – der emotionalen Verbindung. Nun gibt es bald mehr zu einem weiteren G-Modell – sollen wir das dann zensieren für dich?

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