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BMW 2002 Turbo von 1974

Unser Fahrbericht zum BMW 2002 Turbo von 1974 öffnet ein besonderes Kapitel. Es ist der erste Bericht in unserer neuen Rubrik «Klassiker & Youngtimer», also sportliche Klassiker und Fahrzeuge, die auf dem besten Weg dahin sind. Per Definition ist ein Oldtimer ein mindestens 30 Jahre altes, gut gepflegtes Auto mit Sammler- oder Liebhaberwert. Youngtimer hingegen sind zwischen 20 und 30 Jahre alt.

Wir sprechen nicht über Investitionspotenzial oder Details zum Zustand im Sinne einer Kaufberatung, sondern fokussieren uns auf die Fahrfreude dieser Fahrzeuge.


Nun aber zum BMW 2002 Turbo. Er schläft in seiner Ecke neben einem E30 M3 und einigen 911ern aus der G-Modellreihe. Er wirkt in diesem Vergleich sehr zierlich. Wir rollen ihn zum Autolift. Er fühlt sich leicht an, fast schon wie eine grössere Version von einem Spielzeugauto. Zeit einzusteigen.

Der Art-Deco-Türgriff will gehalten werden, während der Daumen unterhalb den Drücker betätigt. Die schmale Tür, befestigt an winzigen Scharnieren schwingt auf. Einsteigen. Wir drehen den Zündschlüssel um. Der Anlasser summt kurz und wirft den Motor an. Der Zweiliter-Turbomotor meldet sich mit einem heiseren Röcheln zu Wort. Geschuldet auch der modifizierten Abgasanlage ist der Klang wunderbar kernig und mit tiefen Basstönen unterlegt.

Nun aber los. Doch halt. Dieser 2002 Turbo hat ein seltenes 5-Gang-Sportgetriebe im Dog-Leg Stil verbaut, so ist also der erste Gang links unten, der zweite Gang in der Mitte oben, der dritte Gang in der Mitte unten und so weiter.

Also führen wir den griffigen Schaltknüppel nach unten links und fahren los. Tieftourig eingrooven, das Material schonen und die Lenkung erspüren. Kurz: warmfahren von Mensch und Maschine.

Eine halbe Stunde später erreichen wir eine Bergrennstrecke, die seit dem Jahre 1923 mit ihren Kurven begeistert. Auch heute im 2002 Turbo und wie! Warmgefahren, kann man den BMW nun auch mal etwas höher drehen und ab etwa 3’500 Umdrehungen beginnt man den Turbo arbeiten zu hören.

Bei 4’000 Umdrehungen steht so das maximale Drehmoment von 240 Newtonmeter an. Doch die 170 PS trifft man erst kurz vor 5’800 Umdrehungen, so dass man sich im Idealfall immer zwischen 4’000 und 6’000 Umdrehungen bewegt. Lupft man dann das Gaspedal, hört man den Turbo zischen und sollte aber tunlichst berechnen, nicht ins Turboloch unter 3’500 zu fallen.

Also schalten wir runter mit einem ordentlichen Schuss Zwischengas und finden uns in der Schaltgasse für den zweiten Gang wieder, in der Dog-Leg-Ausrichtung also wo? Richtig, oben in der Mitte. Heute sehr selten, war ein Dog-Leg früher öfters anzutreffen und das hat auch seine Berechtigung.

Warum? Wir fahren nun auf die nächste Gerade und schalten zügig von Gang 2 in Gang 3. Besonders auf der Landstrasse ist das die meistbenutzte Schaltgasse und somit perfekt, wenn man das in einer Linie machen kann. Sensationell.

Doch damit nicht genug. Die Lenkung ist eine ZF-Gemmer-Lenkung und bauartbedingt, sind sogenannte Schneckenlenkungen, immer eher schwergängig. So auch hier, gefühlt will das Auto eine harte Hand spüren, doch nicht ohne ungefiltert und präzise zu lenken.

Die Lenkung zusammen mit dem modifizierten Fahrwerk (der Besitzer fuhr einige Bergrennen mit diesem Auto) und dem mechanischen Sperrdifferenzial (40%) sorgen für sehr gute Kurvenperformance, wenn auch das Fahrzeug manchmal ganz sympathisch überfordert ist, wenn der Turboboost einsetzt. Ungeschliffen, frech und wunderbar erlebbar.

Oben angekommen lassen wir es etwas ruhiger angehen, die Bremsen dürfen etwas runterkühlen. Das Bremssystem des 2002 Turbos setzt vorne auf Scheibenbremsen und hinten aber weiterhin auf Trommelbremsen. Es ist wohl der einzige Punkt am 2002-Turbo-Komplettpaket, der nicht mit Übereifrigkeit auffällt. Don’t call it Schwachpunkt.

Das Layout von Frontmotor und Hinterradantrieb ist ein erfrischender Kontrast zu einem 911er. Dazu die Karosserie, die wesentlich höher aufbaut und mehr an eine Limousine erinnert, als an einen Sportwagen. Hier könnte man allenfalls eine Parallele ziehen zum aktuellen BMW M2, der ja laut Marketingabteilung einer der «direkten» Nachfolger des 2002 Turbos sein soll und in seiner Bauhöhe auch kaum flacher ist als eine fünftürige 2er Limousine.

Spätestens, wenn man das nur 1080kg schwere Leichtgewicht den Berg wieder runterfährt und sich bei der Gaswegnahme richtige Fehlzündungen im Auspuff entzünden, die nachts sogar als Sprühfunken zu erkennen sein sollen, wird klar, dass die erwähnte Bauhöhe auch die einzige Parallele zum neumodischen M2 bleibt. Vor allem wenn man sieht, aus welcher Epoche der 2002 Turbo kommt.

Vorgestellt mitten in der Ölkrise als erstes europäisches Serienauto mit Turbotechnik, wollte man diese Errungenschaft auch mit grossen Aufklebern nach aussen tragen. Eine Turbo-Schrift am Heck und spiegelverkehrt gedruckte, sehr auffällige Aufkleber auf dem Frontspoiler sollten sofort klarstellen, dass es sich hier nicht um einen normalen BMW handelt.

Durch den politischen Hickhack wurde dieser auffällige Front-Schriftzug für die Serienproduktion dann wegrationiert, wohl aus Scham vor der Umweltlobby. Das war 1973. Unser gefahrenes Exemplar hat die Aufkleber vorne nachträglich wieder bekommen. Gut so.

Die massiven Kotflügelverbreiterungen, grosse Front- und Heckspoiler und in unserem Falle, wunderschöne Alpina Felgen, zeigen, dass hier ein auf 1672 Stück limitiertes Fahrzeug steht.

Das war keinesfalls eine gewollte Limitierung, ursprünglich waren bis zu 5’000 Fahrzeuge geplant. Aber seine Produktionszeit war zeitlich begrenzt durch die damalige Krise, die den Ruf nach benzinsparenden und umweltschonenderen Fahrzeugen verstärkte und die Wartezeit auf den heranrückenden Nachfolger der Modellbaureihe E21 verkürzte. Interessant ist, dass es den 2002 Turbo ausschliesslich in Weiss und Silber gab.

Im Innenraum findet sich ein weiteres typisches BMW 2002 Turbo Merkmal. Der Rahmen um die drei zentralen Rundinstrumente ist in einem auffälligen Rot gehalten. Daneben gibt es eine Uhr und speziell eine Ladedruckanzeige, die in unserem Falle noch um weitere Anzeigen ergänzt wurde. Dazu Sportsitze, wobei bei uns während der Testfahrt nur der Beifahrersitz original war, da der Fahrer für seine Bergrennen mehr Kopffreiheit für die Fahrt mit Helm benötigt und so einen anderen Sitz mit tieferer Sitzposition verbaut hat.

Schön, dass man auch heute auf solche «Form follows Function» Beispiele trifft. Natürlich ist der originale Sitz nur temporär ausgebaut. Die Pedalerie steht nahe zusammen und ermöglicht so das Heel-and-Toe Runterschalten.

Was bleibt also?
Dieser 2002 Turbo darf bei Bergrennen weiterhin zeigen, was seine furiose Geschichte ist. Dazu wurde er an den richtigen Stellen modifiziert und gleichermassen immer gut gewartet und gepflegt. Mit seiner Pionierrolle in Sachen Turbotechnik ist er eine fahrende Legende, die dazu noch unfassbar viel Freude macht bei einem Ausritt.

Der Preis lag damals bei ungefähr CHF 25’000, heute muss man für ein gutes Exemplar vor den damaligen Preis noch eine 1 hinzufügen. Wir danken dem Besitzer ganz herzlich für die Leihgabe und sein Vertrauen.

Modifikationen:
– 2002 Turbo Beklebung spiegelverkehrt am Frontspoiler
– Tiefergelegt mit 20mm kürzeren Federn
– 13 Zoll Alpina Felgen anstelle der ausgelieferten zweifarbigen 13 Zoll Stahlfelgen
– «König»-Sportsitz für den Fahrer
– Chromstahl-Sportauspuff
– Einbau von 3 Zusatzinstrumenten (Block)

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2 Kommentar

  1. Klar fühlt sich der BMW 2002 Turbo auf dem Autolift leicht an 😉 Im Ernst: Ich selber fuhr jahrelang einen solchen Wagen und habe mich so sehr ans seltene 5-Gang-Sportgetriebe im Dog-Leg Stil gewöhnt, dass ich beim umsatteln auf einen neuen BMW wochenlang Mühe hatte. Aber abgesehen vom Getriebe ein Top-BMW für jene Zeit.

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