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BMW M4 G82 als Handschalter & Heckantrieb

Bewegungstherapie: Rechte Hand, linker Fuss, beide Augen. Wir sprechen von der Handschaltung. BMW bietet diese im neuen BMW M4 Baureihe G82 weiterhin an und wir durften ein solches, leider seltenes, Exemplar testen. Einkuppeln und los!

Es ist kurz vor 6 Uhr morgens an einem Sonntag. Alles schläft, nur ein M4 ist auf dem Weg seine Betriebstemperatur zu erreichen. Die alte Bergrennstrecke liegt vor mir. Der Sitz umklammert mich, die Ergonomie passt perfekt, der Motor singt sein Reihensechserlied, die Handschaltung ist, wie unterdessen auch der Motor, warm und bereit für die volle Leistungsabgabe. Anbremsen, Zwischengas, in den zweiten Gang schalten, einlenken und beschleunigen. Der Flow stimmt, die Phase ist da. Haarnadel für Haarnadel verschlingt mich die Strecke und spuckt mich oben wieder aus, während die Sonne den Himmel in wilde rot-orangene Farbtöne färbt, bevor sie hinter dem „Hohentwiel“ auftaucht und den Tag einläutet. Glücklich, zufrieden und voller Freude an diesem grossartigen Gefährt der M GmbH mit einem besonderen Zückerchen: der Handschaltung.

Seit vielen Jahren sprechen wir vom «sicheren» Ende der Handschaltung, besonders als der Porsche 911 GT3 Baureihe 991.1 nur noch mit Doppelkupplung vorgestellt wurde, war der Aufschrei gross. Tatsächlich war er laut genug, dass Porsche sich entschlossen hat, für den 991.2 die Handschaltung wieder anzubieten. Parallel haben sich aber mehr und mehr Marken entschlossen, den Handschalter zu verbannen. Mercedes-AMG? Keine Handschalter. Selbiges gilt auch für die RS-Modellpalette von Audi, Lamborghini, Ferrari oder auch vermeintlich puristische Modelle wie dem Alpine A110. Neueste Opfer sind übrigens die GTI, GTI Clubsport und R Modelle des Golf 8, diese sind in der Schweiz nur noch mit DSG erhältlich.

Die Handschaltung im BMW M4 G82 mag vielleicht ein Relikt der Ewig-Gestrigen sein und den auf-Co2-Reduzierung-getrimmten-Entwicklern ein Dorn im Auge, doch auch dank der starken Nachfrage in den USA, dürfen wir sie weiterhin in einigen Fahrzeugen geniessen und genau da glänzt sie: die direkteste Verbindung zwischen Pilot und Sportwagen. Im neuen M4 ist sie wunderbar knochig, aber präzise. Sie will die Gänge mit Nachdruck eingelegt bekommen, doch schafft diese Art von Verbundenheit, die keine Schaltwippen am Lenkrad hinbekommen. Automatisches Zwischengas lässt sich endlich über das benutzerdefinierte Setup ausschalten und so verbleibt nur der Fahrer, die Kunst der perfekten Koordination seiner Gliedmassen und der damit verbundene runde Fahrstil.

Und ist es nicht genau das, was die langfristige Freude am Fahren ausmacht? Mit einem DKG ist jeder schnell. Eingewöhnung: Null. Perfekt für die schnelle Runde oder eine möglichst schnelle 0-100 Zeit. Doch das ist nur die halbe Miete. Der Handschalter ist es, der dich belohnt, wenn du den zweiten Gang ausdrehst und beim Einkuppeln in den dritten Gang, den Motor kurz in einer Tonart singen lässt, der nur dem Handschalter zu entlocken ist, wenn die Verbindung zwischen Motor und Getriebe wiederhergestellt wird.

Die Handschaltung ist es, die dich ermahnt, wenn du mit etwas zu viel oder zu wenig Zwischengas einkuppelst und sich die Hinterachse kurz bei dir meldet, so dass du Schweiss an den Händen hast. Und sie ist es auch, die dich bei jedem Überholvorgang nochmals eine Sekunde nachdenken lässt, ob auch alles passt, bevor du den Schalthebel in die zweite Gasse ziehst und durchbeschleunigst. Sie ist das, was dir in Erinnerung bleibt, wenn du aussteigst, was du gut gemacht hast, wo du die Punkte genau getroffen hast oder wo du in einem zu hohen Gang durch die Kurve gefahren bist.

Das sind die Momente, in denen man vergisst, dass der Handschalter im Alltag mit Stop&Go-Verkehr und bei hohen Geschwindigkeiten auf der Autobahn in Sachen Komfort und Verbrauch dem DKG deutlich hinterherhinkt. Und genau da falle ich nun in den Zwiespalt. Ein M4 ist ein fantastisches Alltagsauto, ein absolut wunderbarer Grandtourer. Seine 480 PS und 550 Nm Drehmoment sorgen für eine 0-100 km/h Beschleunigung in 4,2 Sekunden (Handschalter) und eine Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h oder optional 290 km/h. Eigentlich viel zu schade, um nur am Wochenende gefahren zu werden. Doch der M4 mit Handschalter ist ein klares Wochenende-Zweit- oder Drittauto für Puristen. Die Competition-Leistungsspritze auf 510 PS und 650 Nm gibt es nur mit 8-Gang-Automatik, diverse Extras wie beispielsweise ACC oder M xDrive gibt es auch nicht für den Handschalter.

Es bleibt also ein Puristen-GT, der mit seinem Biturbo-Motor, bekannt auch aus dem X3 M, begeistert. Im Vergleich zum Vorgänger ist die Charakteristik deutlich Sauger-ähnlicher geworden. Weg ist der Berg an Drehmoment, der schon weit unten im Drehzahlkeller die Hinterachse überfallen hat, dafür macht es nun umso mehr Freude, den S58 über 5’500 Umdrehungen explodieren zu lassen und bis zum Begrenzer auszuquetschen. Für Umsteiger vom Vorgängermodell aber wohl eine erfrischende Erfahrung. Keine Überraschung gibt es bei den fest-zupackenden Sechs-Kolben-Festsattel-Bremsen mit 380 Millimeter grossen Scheiben vorne und Ein-Kolben-Faustsattel-Bremsen mit 370 Millimeter grossen Scheiben hinten.

Der Klang ist für ein Fahrzeug mit OPF absolut lobenswert. So auch die Abstimmung der Dämpfersetups. Während «Comfort» eine gute Ladung an Restkomfort bietet, wurde «Sport» für die Nordschleife abgestimmt, was man auch auf gut ausgebauten Landstrassen nutzen kann, während «Sport Plus» für sehr ebene (Renn-)Strecken gedacht wurde.  Wie in den Vorgängermodellen kann man verschiedene Einstellungen für Motor, Fahrwerk und Lenkung als eigenes Setup auf zwei Kurzwahltasten M1 und M2 speichern. Zusätzlich ist jetzt auch das Bremssystem und die Zwischengasfunktion konfigurierbar. Optional kommt die Traktionskontrolle neu in einer zehnstufigen Abstimmung, die sich auch in diesem Menü hinterlegen lässt.

Doch das ist nicht genug. Wählt man über die vordefinierten Modi «Road, Sport oder Track» einen Modus aus, verändern sich nebst den Einstellungen rund um die Fahrperformance auch der digitale Tacho, das Head-Up-Display und das Infotainment im Layout, sowie die Flut der Fahrassistenten. Im Modus Track schalten sich so beispielsweise alle Sicherheits- und Komfortfunktionen der Fahrassistenzsysteme ab, sowie auch das komplette Infotainmentdisplay. Der volle Fokus liegt dann also auf Tacho und Head-Up Display.

Aussencheck. Beginnen wir mit der Grösse. 4.79m lang, 1.88m breit und 1.39m hoch, das sind 24 Millimeter länger, 40 Millimeter breiter und 10 Millimeter höher als das neue BMW 4er Coupé. Nun zur Front. Es wurde viel diskutiert über die neue Doppelniere. Sie ist gross, vertikal ausgerichtet und weit nach unten gezogen. Interessanterweise ist sie in schwarz auf schwarzem Aussenlack nicht wirklich störend in meinen Augen, aber das bleibt Geschmacksache. Es folgt auf dem Dach ein serienmässiges Carbondach, sowie weitere optionale Details aus demselben Werkstoff, wie Einleger in den Lufteinlässen vorne, einen Heckdiffusor, einen Heckspoiler und Aussenspiegelkappen. Für mich ist der Streitpunkt weiter hinten. Die L-förmigen Heckleuchten sind mir zu asiatisch und erinnern mich zu sehr an die Lexus RC-Modelle. Die Heckleuchten aus dem BMW X5 hätten mir deutlich besser gefallen.

Der Innenraum ist lobenswert. Ein Lenkrad mit Einlegern aus Carbon, überall die Ziernähte in den M-Farben, ein hochwertiger Schaltknauf, der ergonomisch perfekt positioniert ist, griffige und ebenfalls gut angeordnete Pedalerie, verknüpft mit einer schönen Verarbeitung. Das Highlight sind jedoch die neuen M Carbon Schalensitze. Ich wollte es kaum glauben und liess alle Arten von Menschen mitfahren. Gross, klein, dick, dünn, muskulös und alle Faktoren in Kombination vermischt. Jeder, ausnahmslos jeder war begeistert vom Komfort und dem Seitenhalt dieser Sitze. Hier hat die M GmbH einen ganz grossen Wurf geschafft. Von der Optik über die Haptik, vom Seitenhalt über Komfort, überall gibt es Bestnoten. Wahnsinn! Natürlich alles elektrisch einstellbar und über die Memorytasten speicherbar.

Was bleibt also?
Der neue M4 mit Handschaltung ist der vielleicht letzte seiner Art und wir geben eine absolute Kaufempfehlung ab. Für Puristen, für die, die ihn nur als Zweit- oder Drittauto fahren und alle, die sich ab der perfekten Dreiecksbeziehung zwischen Ergonomie mit den fantastischen Sitzen, Handschaltung und kräftigem Reihensechser mit Sauger-Charakteristik erfreuen. Für alle anderen gibt es ihn auch mit Automatik, als Limousine M3, mit Allrad «M xDrive» und bald auch noch als M3 Touring.

Verbrauch & Preis
Der Verbrauch lag im Schnitt bei 11,3 Liter pro 100 km. Der Testwagen, der von BMW Schweiz zur Verfügung gestellt wurde, war in der Farbe «Saphirschwarz Metallic» lackiert und lag preislich bei CHF 146’280.-. Die Konfiguration für den BMW M4 mit Handschaltung startet bei CHF 115’100.-.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp zur Optik:
Aussenfarbe in Tansanitblau Metallic, 18″/19″ M Schmiederäder Doppelspeiche 824 M Orbitgrau / MB, M Vollleder Merino Schwarz, Interieurleisten Carbon Fibre, Sonnenschutzverglasung, M Hochglanz Shadow Line mit erweiterten Umfängen, M Sicherheitsgurte, Galvanikapplikation für Bedienelemente, M Dachhimmel anthrazit

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