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Lotus Exige 350 Sport

Unvernunft, Reformation und «Lorrari». Drei wichtige Stichpunkte für diesen Fahrbericht. Doch beginnen wir mit einer Rückblende: Die Exige S2 mit Bemani Kompressor hat uns mächtig begeistert. Die Exige 350 Sport ist das Nachfolge-Modell. Ist sie ähnlich begeisternd? Wie ist der Quervergleich zum Cayman GT4? Steigen wir ein und schauen uns das genauer an.

Der Einstieg fällt gar nicht mal so einfach. Geschickt wollen die Beine über den breiten Einsteigstunnel in die Nähe der Pedalerie gebracht werden, während dann der Rest des Körpers folgen kann. Sitzt man hinter dem sympathisch kleinen Lenkrad ist es für mich (1.84m Länge) ergonomisch ziemlich perfekt.

Ich sitze gerne tief und leicht «verbogen», somit sind meine Knie leicht angewinkelt aber noch weit weg vom Lenkrad. Der 3,5 Liter V6-Kompressormotor erwacht fauchend per Knopfdruck und schnurrt nach einigen Sekunden friedlich im Rücken von Fahrer und Beifahrer.

Die Fahrt beginnt. Die Lenkung ist weiterhin nicht servounterstützt und erfordert tatkräftige «Arbeit» beim Ausparken. Dafür entschädigt sie sobald man rollt. Im Gegensatz zu vielen Fahrzeugen, die sich heute als Sportwagen sehen, spürt man tatsächlich noch Rückmeldungen zu Asphalt, Vorderachse und Griplevel.

Die kurvigen Passagen nähern sich, der Sportmodus wird aktiviert und die Auspuffklappe geöffnet. Das Volumen nimmt zu und die Exige faucht im unteren Drehzahlbereich wild vor sich hin, bevor es sich im mittleren Teil hin zum oberen Drehzahlbereich in ein potentes Schreien verwandelt. Geht man dann vom Gas, um für die Kurve anzubremsen, löst sich ab und zu ein Knall, der jeder Kuh am Strassenrand direkt die Milch aufschäumen lässt.

Runterschalten mit manuellem Zwischengas, leicht ans Gas und mit stabilisierendem Druck auf der Hinterachse die Exige durch die Kurve jagen. Es macht grossen Spass und hat Suchtpotenzial. Die Exige 350 Sport hat im Vergleich zu ihrer kleineren Vorgängerin mehr Stabilität und mehr «Ernsthaftigkeit», ohne dabei erwachsen oder feingeschliffen zu wirken.

Die Schaltung war stets einer der grossen Kritikpunkte bei Lotus. Die Automatik passt von der Philosophie her sowieso nicht zu einem Hethel-Heizgerät und die Handschaltung war stets unpräzise und eine Lotterie mit teuren möglichen Folgen.

Hier ist nun eine offene Mittelkonsole mit sichtbarer Schaltkulisse verbaut, die als Erkennungszeichen für das verbesserte Getriebe gilt. Es schaltet sich nun besser, wenn auch noch nicht ganz wie in einem Cayman GT4. Man will die Gänge bestimmt, mit Bedacht und und auch etwas Vorsicht einlegen, somit ist es weiterhin die Achillesferse, auch wenn nun entschärft.

Das Fahrverhalten an sich ist weiterhin eine Offenbarung. Es reformiert mich als Autojournalist immer und immer wieder, plagen wir uns sonst doch mit vielen «sportlichen» SUVs, grossen Grandtourern oder übergewichtigen Sportwagen rum, die allesamt für jeden Einsatzzweck perfekt sein wollen.

Der Lotus will das bestimmt nicht. Er ist ungehobelt, unglaublich direkt und ist gleichermassen wie der Cayman GT4 ein Spiegel der eigenen Fahrkünste. Mit ihm kann man wachsen und er lässt den Fahrer keinesfalls besser dastehen, als er es ist. Das ist heute ebenfalls sehr selten. Denken wir doch an die x-stufige Traktionskontrolle bei AMG z.B.

Doch da ist noch etwas. Fährt man viele leistungsstarke Autos, lernt man Zurückhaltung zu wahren und nur eine Handvoll Fahrzeuge gibt es, bei denen mir das tatsächlich sehr schwer fällt. Die Exige Sport 350 ist ein solches Exemplar.

Sie kitzelt den Fahrer so sehr, schafft eine Einheit, lockt und gibt transparentes Vertrauen, dass man kaum widerstehen kann, sie richtig schnell fahren zu wollen. Pure Unvernunft also? Ja und auch das ist heutzutage selten geworden. Vielleicht sollten Ingenieure der übergewichtigen RS, M, AMG – OMG-Fraktion mal wieder einen Betriebsausflug nach Hethel unternehmen.

Denn es könnte so einfach sein. Die Exige Sport 350 ist 51 kg leichter als das Vorgängermodell Exige S, welches ebenfalls 350 PS hatte. Das Fahrwerk wurde überarbeitet und die Radgeometrie optimiert. Darüber gibt es übrigens noch die Exige Sport 380 (nicht mehr neu erhältlich), die Exige Sport 410 und die Exige Cup 430.

Die Exige 350 Sport wiegt nun nur noch 1115-1125 kg (je nach Ausstattung). Bei wenig Gewicht braucht es auch nur kleine Bremsen? Falsch. Lotus spendiert der Exige eine AP-Racing-Bremsanlage sowie eine gelungene Abstimmung des Bosch-ABS.

Wesentliche Beiträge zur 51kg-Gewichtsoptimierung liefern unter anderem die Heckklappe mit Lüftungsschlitzen, eine leichtere Batterie, eine leichte Motoraufhängung, eine offene Mittelkonsole mit Schaltkulisse, leichtere Heizungs-. Lüftungs- und Klimaanlagenteile sowie die optimierte Geräuschdämmung.

Optional gibt es dazu noch geschmiedete Leichtmetallräder (Gewichtsvorteil: 5 kg) und zweiteilige, gelochte und innenbelüftete Bremsscheiben (Gewichtsersparnis: 5 kg).

Ein Blick ins Datenblatt verrät: Der 3.5 Liter V6-Kompressormotor erzeugt eine Leistung von 350 PS und ein Drehmoment von 400 Nm bei 4500 U/min. Die Spitzengeschwindigkeit liegt bei 274 km/h. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h wird in 3.9 Sekunden erledigt.

Legen wir eine kurze Pause ein. Zeit für einen Aussencheck. Donato Coco hat die «grosse» Exige gezeichnet. Ihn hat Lotus im Jahre 2010 als Design Director von Ferrari abgeworben und besonders in Rot erinnert die V6 Exige schon leicht an die Renner aus Maranello.

Coco hat damals die Modelle F430 Scuderia, F430 Spider, California, 599XX und 458 Italia gezeichnet. So bekam dieser Lotus von mir den Spitznamen «Lorrari». In British Racing Green mag das anders aussehen..

Innen treffen wir auf ein puristisches Cockpit. Viel blankes Aluminium, etwas Leder, etwas Schotten-Karo. Schauen wir genauer hin und vergleichen wir es mit dem Vorgänger gibt es kleine Lederstücke oberhalb der Lüftungsdüsen, der obere Teil der Schaltkulisse ist ebenfalls in Leder eingefasst und mit einer roten Naht verziert und auch die Inlays in den Türen sind schön verarbeitet. Die leichten Schalensitze sind sowieso lobenswert.

Im Vergleich zum Vorgänger Exige S V6 wurde der Fahrerlebnisschalter, bei Lotus DPM-System genannt, mit neuen, grösseren Schaltern ausgestattet und verfügt nun über eine bessere Haptik. Die Schalter für Scheinwerfer und Nebelschlussleuchten sind jetzt in der Nähe des neuen Motorstartknopfs angeordnet.

Erstmals beim Sport 350 gab es optional ein traditionelles Innenraumdesign mit rotem (oder gelbem) Schotten-Karo für die Sitze und die Türverkleidungen. Dazu noch einen Tempomaten, eine Klimaanlage, etwas Teppich und ein Radio, natürlich alles optional.


Was bleibt also?
Die Exige 350 Sport ist weniger weltgewandt und genussvoll als ein Cayman GT4. Sie ist nochmals einige Prozente roher und ungehobelter, wenn auch mit einem schlechteren Getriebe und einem Motor, der deutlich weniger geniesserisch klingt. Gleichermassen schafft sie es, den Fahrer ebenfalls sehr stark aufs schnelle Fahren zu trimmen und ihn mitzureissen. Ehrliche Performance für Fans von puristischen Sportwagen. Bitte mehr davon!

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3 Kommentar

  1. Lotus ist nicht Porsche, immer diese zwischen Komentare, Cayman eben gerade nicht!
    Reinsetzen, entweder totale Begeisterung durch die Andersartigkeit oder Ablehnung durch das plötzliche auftretende Vorhandenseins des ursprünglichen Autofahrens mit daraus resultierenden Überforderung dieses Gefühls.
    Gegenüber heutigen „ Sportwagen „ Nicht klinisch glattgebügelt noch ohne erzwungene Digitale Welt, keine elektronischen Helferlein. Punkt, wer jetzt an Cayman denkt, hat nichts von der anders Antigkeit von Lotus verstanden!

    1. Hey MK, danke für deinen Kommentar. Du stellst richtig fest, dass Lotus nicht Porsche ist. Das ist wahr. Dann hat dir unser Fazit und der Quervergleich zum Cayman GT4 wahrscheinlich gut gefallen oder? Schauen wir mal wie das in Zukunft sein wird, freust du dich auf die kommenden Hybrid- und Elektrosportwagen von Lotus, während Porsche weiterhin Verbrenner baut?

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