Wenn gut nicht immer gut genug ist und warum Hot-Hatches boomen. Das und mehr behandeln wir in diesem Fahrbericht zum Ford Focus ST «Mk4» mit 280 PS.
Was definiert einen guten Hot-Hatch? Grundsätzlich dasselbe was jedes sportliche Auto mitbringen sollte, nur halt in der typischen «Golf»-Klasse. Er weckt Emotionen beim zügigen, aber auch gemächlichen Fahren, die Ergonomie ist sportlich-gut, die Verbindung Fahrer-Maschine entsteht schnell, das Fahrzeug gibt ein klares Feedback über die Strassenbeschaffenheit und die Quer- und Längsdynamik ist entsprechend der Erwartungen.
Soweit zum Anforderungsprofil und der Focus ST? Er kann alles. Er besteht alle Kategorien mit einem «gut». Doch im Hinblick auf den sensationellen kleineren Bruder Fiesta ST und die ebenfalls sehr starken Konkurrenten wie i30 N, Civic Type R, Mégane R.S. (Trophy) und GTI TCR, müssen wir da etwas genauer hinschauen.
Fahren wir also los, immer mit den Konkurrenten und dem kleinen Bruder im Hinterkopf. Der nunmehr 2,3 Liter grosse (Mustang)-Vierzylinder-Benziner leistet 280 PS und 420 Newtonmeter. Auch erhältlich: Ein Vierzylinder-Turbodiesel mit 190 PS.
Wir kümmern uns um den Benziner mit dem 6-Gang-Schaltgetriebe. Auf Wunsch steht auch eine 7-Gang-Automatik zur Wahl, sowie eine Kombi-Version.
Sportmodus aktiviert, wagen wir uns in kurvigeres Terrain. Runterschalten, Einlenken, Gas geben. Das Fahrverhalten gefällt. Das Heck zuckt vor der Kurve weniger nervös als beim Mégane, der Motor hat viel nutzbares Drehmoment und zieht dank elektronisch geregelter Sperre flott aus der Kurve.
Der ST ist ein Potpourri von allen Fahreigenschaften der Konkurrenten, fährt lange sauber und neutral, kann aber im Grenzbereich doch auch das Heck vor der Kurve mal kurz raushängen lassen. Leider insgesamt nicht so spitz, nicht so wieselflink und nicht so kurvengeil wie der kleinere Bruder.
Zwei Besonderheiten am Focus ST – und ein Technologie-Transfer aus dem Fiesta WRC-Rallyeauto – ist die „Anti-Lag“-Funktion. Sie wirkt im „Sport“- und „Rennstrecke“-Modus dem vorübergehenden Absinken des Ladedrucks beim Hochschalten entgegen, indem die Drosselklappe auch dann noch ein Stück geöffnet bleibt, wenn der Fahrer vom Gas geht.
Dies reduziert die Umkehr der Gasströmung im Turbolader und hält die Laderschaufeln auf der Kompressionsseite auf Drehgeschwindigkeit. Effekt: Bei erneuter Beschleunigung spricht der Turbolader noch schneller mit vollem Druck an. Daraus abgeleitet ist auch die Flat Shift-Möglichkeit, die es gestattet, die Gänge auch ohne Verlassen des Gaspedals durchzujagen.
Was fehlt ihm also für die Krone im Bereich Fahrdynamik? Nun, der Civic ist fantastisch gedämpft, auch der i30 N lässt es zu, dass man die Dämpfer auch im Sportmodus variabel anpassen kann. Nicht so im Focus ST. Schon im Normalmodus relativ straff, wird er im Sport- und Rennstreckenmodus zu straff und daher auch oft zu nervös.
Die Lenkung ist im Vergleich zur Konkurrenz ebenfalls etwas gefühllos und das Lenkrad allgemein etwas zu gross. Das Getriebe ist zwar kurz und knackig, aber erneut im Hinblick auf das Honda-Getriebe, welches wohl eine der besten Handschaltungen auf dem Markt ist, halt einfach nur „gut“ und nicht „überragend“.
Wie sieht es denn mit den Emotionen aus? Nun, auch hier ein „Gut“. Die Querdynamik haben wir bereits behandelt, die Längsdynamik ist ausreichend. Ford gibt die Sprintzeit mit 5.7 Sekunden an für 0-100 km/h. Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 250 km/h.
Der Fahrzeugklasse entsprechend scheppert es im Auspuff teilweise zünftig. Leider wird das garniert durch viel zu viel künstlichem Fünfzylinderklang, der ausschliesslich in das Fahrzeuginnere geleitet wird. So sind auch hier die Konkurrenten aus Korea und Frankreich noch etwas perfekter.
Kurzer Aussencheck. Das ST-typische «Ford Performance Blue» ist sehr schön. Einen starken Eindruck hinterlassen auch die optionalen 19-Zoll Felgen. Dazu neu-geformte Flügel-Elemente im vorderen Stossfänger kanalisieren den Luftstrom und verbessern auf diese Weise die aerodynamischen Eigenschaften des ST.
Ein üppig dimensionierter, steiler angewinkelter Dachspoiler prägt die Heckansicht des neuen Ford Focus ST. Er generiert mehr aerodynamischen Abtrieb an der Hinterachse und stabilisiert auf diese Weise das Fahrverhalten auch bei höheren Geschwindigkeiten. Im Gegensatz zur Konkurrenz bleibt der Focus ST aber optisch zurückhaltender, das weiss zu gefallen.
Innen ist viel passiert. So haben die Spezialisten von Ford Performance zum Beispiel die Recaro-Sportsitze überarbeitet. Zusätzlich zum weiter verbesserten Seitenhalt bieten sie dem Fahrer nun eine nochmals bessere Sitzposition und stehen mit verschiedenen anthrazitfarbenen Bezügen zur Wahl.
Dazu kommt das perforierte und unten abgeflachte Sportlenkrad mit „ST“-Logo, der Aluminium-Schaltknauf sowie ein spezifischer S-Knopf auf dem Lenkrad, der sofort in den Sportmodus wechselt. Erinnert irgendwie an den N-Knopf von Hyundai..
Die Zusatz-Instrumente für Ladedruck, Öldruck und Öltemperatur sind nun digital und in das Display zwischen Drehzahlmesser und Geschwindigkeitsanzeige gewandert. Der Focus punktet interessanterweise mit dem umfangreichsten Angebot an Sicherheits- und Fahrer-Assistenzsystemen in seiner Klasse. Deswegen kauft man eigentlich keinen Hothatch, aber im Alltag sind sie trotzdem hilfreich.
Der Tempomat erkennt basierend auf der Verkehrszeichenerkennung wechselnde Tempomlimits und übernimmt diese automatisch. Weiter gibt es einen Stau-Assistenten mit Stop & Go-Funktion, eine adaptive Geschwindigkeitsregelanlage, einen Spurhalteassistenten, ein kamerabasiertes Kurvenlicht in Kombination mit dem Verkehrsschild-Erkennungssystem, sowie dem „Park-Assistent Plus“, einem Ausweichassistenten und einem Head-Up Display.
Was bleibt also?
Der Focus ST punktet als guter Alleskönner. Er liegt in vielen Disziplinen leicht hinter der Konkurrenz in Sachen Emotionen, punktet aber mit neutralem Fahrverhalten, geschmacksvoller Optik und einem breiten Angebot an Fahrassistenten. Er ist ein gutes Auto, aber in der heissumkämpften HotHatch-Klasse ist gut nicht immer gut genug.
Der Verbrauch lag im Schnitt bei 8,9 Liter Benzin / 100 km. Der Basispreis für den Ford Focus ST liegt bei CHF 44’700, unser Testwagen mit optionalen Ausstattungen in der Aussenlackierung “Performance-Blau Metallic” liegt bei CHF 49’325.
Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Aussenfarbe “Performance-Blau Metallic”, Seitenscheiben ab 2. Sitzreihe und Heckscheibe dunkel getönt, Leichtmetallräder 8 J x 19 im 5×2-Speichen-Design in Magnetite Premiumlackierung, LED-Scheinwerfer, Performance-Paket, Recaro-Sportsitze vorn mit Leder-Stoff-Polsterung in Anthrazit
Mehr Impressionen:
“ weniger nervös wie beim Mégane“
ALS … den Komparativ schreibt man mit ALS!
Als Schreiberling sollte man sowas eigentlich wissen …
Lieber Dean, herzlichen Dank für deinen Kommentar. Ja, da ist uns tatsächlich ein Schreibfehler unterlaufen. Keep in Mind: Du liest du hier einen Artikel auf einem werbefreien und nicht-kommerziellen Magazin, daher hast du primär mal gar nichts zu erwarten. Du kriegst nette Bilder, einen informativen Text und eine mögliche Vorschau auf eine Probefahrt ganz umsonst. Wenn dir das nicht passt und du dich schon an kleinsten Schreibfehlern aufregst, darfst du gerne auf einer anderen Seite des vielschichtigen Internets deine Informationen her nehmen.