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Audi S6 TDI Avant

Erstmals schlummert in einem Audi S6 ein Performance-Diesel mit e-Lader. Vor wenigen Generationen noch fand sich an dieser Stelle ein V10-Sauger, natürlich als Benziner. Cleverer Schachzug oder eher ein Flop?

Wagen wir einen Blick zurück. Der erste Audi S6 kam mit einem V8 Sauger, später gab es sogar einen Hochdrehzahl-V10-Sauger bis hin zum 450 PS starken Biturbo-V8. Nun, wohl mitten im Dieselskandal wurde die Entscheidung gefällt, dass der nächste S6 einen Selbstzünder haben und es in Europa keinen Ottomotor als S6 geben wird. Einerseits, um der CO₂-Steuer etwas entgegen wirken zu können und andererseits, um den RS 6 deutlich vom S6 absetzen zu können.

Blickt man allerdings nach links und nach rechts, also zu Mercedes-Benz und BMW, sieht man, dass es dort einen E400 Diesel (330 PS) ohne AMG-Namenszusatz und einen E53 AMG Mildhybrid (435 PS + 22 PS) gibt. Bei BMW wurde der M550d (400 PS) kürzlich aus der Motorenpalette entfernt, bleibt ein 540d (340 PS) und weiterhin der M550i (530 PS). Bei Audi ist man da deutlich radikaler. Der neue S6 TDI leistet 349 PS und 700 Nm. Der Standartsprint von 0 auf 100 km/h wird in 5,1 Sekunden erledigt.

Randnotiz: Die Modelle S4 und S5 sind nach ihrem Facelift auch nur noch als Diesel-Modelle zu bekommen.

Nun, der letzte A6 Competition war ein voller Erfolg und hat den S6-Benziner deutlich in den Schatten gestellt. So könnte es also eine Strategie sein, die ehemaligen S6-Käufer mit Benzin im Blut auf den RS 6 hochzustufen und das A6-Competition-Klientel zum S6 Avant.

Denn dieser ist ebenfalls perfekt für die Langstrecke gerüstet und die Buchhaltung freut sich über die Diesel-Tankrechnungen. Dazu passend ist die optionale Luftfederung, die leider in unserem Testwagen nicht vorhanden war. Ohne diese Option bleibt zwar Restkomfort, aber auch verhältnismässig wenig Spreizung zwischen Komfort und Sport.

Kommt man in kurviges Gefilde, punktet die Allradlenkung im S6. Bei Geschwindigkeiten bis zu 60 km/h werden die Hinterräder maximal fünf Grad gegensinnig zu den Vorderrädern eingeschlagen. Ab Tempo 60 km/h lenken die Hinterräder bis zu zwei Grad gleichsinnig mit. Eine kleine Bewegung mit grosser Wirkung.

Die Lenkung lässt etwas an Feedback vermissen, die Bremse punktet dafür mit guter Rückmeldung. Es gäbe eine Option auf eine Keramikbremse, die ich allerdings nicht für nötig halte. Optional bei uns an Bord war der Quattro mit Sportdifferenzial. Es verteilt die Kraft aktiv zwischen den Rädern der Hinterachse und sorgt für eine neutrale, unglaublich effiziente Beschleunigung aus Kurven.

Der Klang. Ein eigentlich kurioses Kapitel für einen Diesel, aber da ist ja auch der Buchstabe S vor der 6. Im normalen Fahrmodus ist die Mischung aus Akustikglas und leichtem Zustupf des Soundgenerators überaus angenehm. Wechselt man jedoch in den Fahrmodus „Dynamic“, wird man bei jedem Gasstoss von einem digital-verwurstelten V8-Beben erschreckt, das leider nicht nur nach Innen, sondern auch nach Aussen abgegeben wird. Glücklicherweise gibt es einen Individual-Modus, bei dem man die sportlichen Kennlinien ohne dieses „Feature“ erfahren darf.

Wir haben uns schon des Öfteren über die Anfahrschwäche des 3.0 TDI Motors von VW / Audi ausgelassen. Der S6 bringt diesmal den elektrisch angetriebenen Verdichter. Er sitzt zwischen Ladeluftkühler und Motor und wird von einem 48-Volt-Mildhybrid-System gespeist. Dieses wiederum setzt sich aus einem 7-kW-Riemen-Startergenerator und einer 10-kWh-Lithium-Ionen-Batterie zusammen. Der elektrische angetriebene Verdichter hat eine Reaktionszeit von nur 250 Millisekunden und dreht bis zu 70.000 U/min.

Soweit die Theorie, in der Praxis sieht es immer noch nicht so prickelnd aus. Die Gedenksekunde ist zwar nicht mehr ganz so mühsam, wie ohne e-Lader aber weiterhin vorhanden, während kurz später die fast 700 Nm eindrucksvoll über den Antrieb herfallen. Auch die Leistungsentfaltung ist mehr starker 3.0 TDI als emotionaler Sportmotor, wie beispielsweise im M550d, der seine vier Turbolader schrittweise hinzuschaltet und so für ungeahnte Freude beim Ausdrehen eines Selbstzünders sorgt.

Nun, wenn man sich damit abfindet, dass der S6 nicht wirklich ein Sportler ist und sich sogar aus Verzweiflung im „Efficiency“-Modus wiederfindet, staunt man, dass dem Getriebe die Topografiedaten eingetrichtert worden sind und er Bergab-Passagen früh erkennt und dann ins Segeln übergeht.

Dank dem 48-Volt MHEV-System kann der Riemenstarter-Generator beim Gas-antippen den Motor sanft und reaktionsschnell wieder starten. Der Generator kann beim Verzögern bis zu 8kW Leistung rekuperieren und in die Lithium-Ionen Batterie einspeisen. Dank dieser Technologie kann der S6 Avant 0,4 Liter Kraftstoff einsparen gegenüber seinem Vorgänger. Volvo löst das Rekuperieren im V60 T8 allerdings noch etwas cleverer.

Aussencheck. Der S6 ist optisch einer der imposantesten Kombis, die es momentan gibt. Wunderbare Lichtspiele, scharfe Kanten, schöne Überhänge, wirklich sehr gelungen. 20-Zoll-Räder gehören zur Serienausstattung, optional gibt es sie in 21-Zoll sowie auf Wunsch auch rot lackierte Bremssättel (bei uns nicht verbaut). Mit einer beachtlichen Länge von 4,95 Meter pendelt er sich zwischen BMW M550d Touring und dem Mercedes-Benz E53 AMG ein. Optik also Top oder?

Jein. Schaut man genauer hin, findet man am Heck den Super-GAU dieses Autos. Der Laie sieht die vier S-spezifischen Endrohrblenden. Schaut man aber genauer hin, sind diese komplett verschlossen und die Endrohre lauern links als Doppelrohr nach unten gerichtet. Rechts im Heck sucht man Endrohre hinter den Blenden vergebens, dort ist stattdessen der Ad-Blue Tank zu finden.

Das zeigt ganz eindeutig, was zwischen den Linien bereits herausgelesen werden konnte. Der Audi S6 ist zu nahe am A6. Motortechnisch und selbst für eine geänderte Abgasführung war aus der Sicht von Audi kein Bedarf. Unverständlich und fast schon peinlich. Sind die Verkaufsrückgänge der letzten Jahre bei Audi etwa ein Zeichen, dass die Kunden diese Pseudo-Sportlichkeit langsam satt haben und sich wieder mehr Liebe zum Detail wünschen?

Innen macht Audi alles richtig. Wie gewohnt ist die Verarbeitung auf einem fantastischen Level und auch die Materialanmutung lässt keine Wünsche offen. Die optionalen S Sportsitze mit der bekannten Rautensteppung sind sehr bequem und bieten optimalen Seitenhalt.

Die Anzeige des Virtual-Cockpit wurde neu gestaltet und ist nicht mehr klassisch rund sondern wird jetzt balkenförmig dargestellt. Die optionale B&O Audioanlage und die optionale Akustikverglasung machen einen kleinen Privat-Konzertsaal aus dem Ingolstädter.

Die Premium-Ausführung, wie bei uns verbaut, besteht aus einem 15-Kanal-Verstärker und 16 Lautsprechern. Ein neues Feature erzeugt auf der vorderen Sitzreihe einen räumlichen Surroundeffekt. Bei der Advanced-Ausführung mit einem 19-Kanal-Verstärker und 19 Lautsprechern breitet sich der 3D-Klang sogar im gesamten Fahrzeug aus.

In Sachen Assistenzsystemen sind wir bei Audi immer weit vorne dabei. Mit dem optionalen Assistenzpaket „Tour“ gibt es den „Adaptiven Fahrassistenten“. Er unterstützt den Fahrer bei der Längs- und Querführung im Geschwindigkeitsbereich bis 250 km/h. Dafür integriert er die Funktionen des adaptiven Geschwindigkeitsassistenten, des Stauassistenten und des Spurführungsassistenten. Das System erkennt Fahrbahnmarkierungen, Randbebauungen, Fahrzeuge auf Nebenspuren und vorausfahrende Fahrzeuge.

In Baustellen passt er seine Geschwindigkeit unter Berücksichtigung des Tempolimits automatisch dem Verkehr an. Ist die Fahrspur zu eng, um nebeneinander zu fahren, ermöglicht der Adaptive Fahrassistent versetztes Fahren in Engstellen. Er regelt automatisch aufs aktuelle Tempolimit, reduziert die Geschwindigkeit vor Kurven, bei Abbiegemanövern und an Kreisverkehren. Das System berücksichtigt stets eine dem ausgewählten Fahrprogramm angepasste Fahrweise – von effizient bis sportlich.

Darüber hinaus integriert das Tour-Paket das System Audi pre sense front inklusive Abbiegeassistent und Ausweichassistent sowie die kamerabasierte Verkehrszeichenerkennung.

Was bleibt also?
Der S6 TDI ist eigentlich ein A6 Competition im Kleid eines S6. Er will etwas darstellen, was er eigentlich nicht ist und passt nicht so recht in die Fussstapfen seiner S6-Vorgänger. Gleichermassen wird er für uns, als richtige Petrolheads, in seiner aktuellen Auslegung da auch wohl nie reinpassen. Vielfahrer werden den kraftvollen Dieselmotor, gepaart mit Effizienz und Komfort im Kleid eines Sportlers allerdings schätzen. Uns fehlt, wie beim R8, etwas Besonderes, ein i-Tüpfelchen, ein modellspezifisches Highlight. Wir haben eine Woche gesucht, sogar hinter den scheusslichen Auspuffblenden, leider ohne Erfolg.

Der Verbrauch lag im Schnitt bei 7,6 Liter Diesel auf 100 km. Der Basispreis für den Audi S6 Avant liegt bei CHF 101’350, unser Testwagen in der Lackfarbe «vesuvgrau metallic» inkl. Sonderausstattung liegt bei CHF 132’767.

Der OneMoreLap-Konfigurationstipp:
Daytonagrau Perleffekt, Aluminium-Gussräder Audi Sport im 5-Doppelarm-Design, Titanoptik matt, glanzgedreht, Grösse 8,5 J x 21, mit Reifen 255/35 R 21, HD Matrix-LED-Scheinwerfer mit dynamischem Blinklicht, Optikpaket schwarz, Privacy-Verglasung (Scheiben abgedunkelt)

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